cnt

Spezialisten finden und binden

von Frank Adensam

Hochqualifizierte Spezialisten sind rar und dementsprechend nicht leicht zu finden. Entsprechend professionell müssen Unternehmen bei der Personalsuche vorgehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/01

     

Eine Software-Schmiede sucht einen Programmierer, der Erfahrung mit der Entwicklung von Apps für die Touristikbranche hat. Ein Hersteller von Ticketautomaten sucht einen Informatiker, der sich auch im Bereich Mechanik auskennt. Und eine Bank sucht einen Projektmanager, der die Programmiersprache Fortran beherrscht und die Geschäftsprozesse in der Kreditwirtschaft kennt. Immer wieder suchen Unternehmen hochqualifizierte IT-Spezialisten, die ein ganz spezielles Fachwissen haben. Doch diese Experten sind meist rar. Deshalb versagen in solchen Situationen vielfach die klassischen Wege der Personalsuche, wie zum Beispiel das Schalten von Stellenanzeigen. Im Folgenden nun deshalb einige Tips, wie Unternehmen in solchen Situationen vorgehen sollten.

1. Schritt: Detailliertes Anforderungsprofil erstellen

Der erste Schritt ist das Formulieren eines detaillierten Anforderungsprofils. Ein solches Profil existiert oft nicht – vor allem, weil die Personalabteilung, die den Experten sucht, und die Fachabteilung, die ihn braucht, häufig zu wenig miteinander kommunizieren. Das wäre aber nötig. Denn die Personalabteilung allein weiss meist nicht, welche Fähigkeiten der Neue in seinem Job genau braucht. Und die Fachabteilung erachtet das, was der bisherige Stelleninhaber tat, oft als ganz selbstverständlich. Also artikuliert sie die Anforderungen nicht. Deshalb sollten sich Unternehmen alleine oder mit externer Unterstützung zunächst unter anderem fragen: Was macht der gesuchte Spezialist im Unternehmen genau? Mit wem muss er kooperieren? Über welche fachlichen Fähigkeiten sowie persönlichen Eigenschaften sollte er verfügen? Alles scheinbar banale Punkte, doch genau hier liegt die Gefahr. Oft geben sich die Firmen vorschnell mit Worthülsen wie «umsetzungsstark» oder «teamfähig» zufrieden, statt zum Beispiel nachzufragen: Was bedeutet es konkret, dass der neue Projektmanager unternehmerisch denken soll? Soll er die Geschäftsprozesse im eigenen Unternehmen oder in den Firmen der Kunden verstehen? Soll er die Budgetvorgaben einhalten? Soll er Folgeaufträge an Land ziehen?

2. Schritt: Anforderungen gewichten

Sind die Anforderungen definiert, gilt es, diese zu gewichten. Denn für die Suche von hochqualifizierten Spezialisten gilt: Meist ist es eher unwahrscheinlich, dass das Unternehmen seinen Traumkandidaten findet. Also muss es Abstriche machen und sich zum Beispiel fragen: Ist es wirklich unabdingbar, dass der neue Programmierer auch Erfahrung in der Touristikbranche hat, oder können wir ihm das nötige Wissen nicht auch vermitteln?

3. Schritt: Ein attraktives Angebot schnüren

Ist das Anforderungsprofil erstellt und sind die Anforderungen gewichtet, sollte das Unternehmen überlegen: Was können und wollen wir den Wunschkandidaten eigentlich bieten? Ob sie pro Jahr etwas mehr oder weniger verdienen, das ist vielen Top-Leuten egal. Zumindest nehmen sie hierfür allein keinen Ortswechsel in Kauf. Bliebe die Aussicht auf die Übernahme einer gehobenen Führungsposition. Diese können und wollen Unternehmen den begehrten Spezialisten meist aber nicht bieten. Denn diese sind ja gerade wegen ihres Spezialwissens für sie interessant.


Was bleibt also, um die Spezialisten zu ködern? Oft reizen Experten die fachlichen Entwicklungsperspektiven. Ein weiterer Trumpf können die Ressourcen sein, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Auch die Art und Weise, wie Projekte in dem Unternehmen gemanagt werden, kann ein Pluspunkt sein. So wechselte zum Beispiel schon manch IT-ler seine Stelle, weil er das permanente Trouble-Shooting bei seinem alten Arbeitgeber schlicht leid war. Ein weiteres Ass im Ärmel kann neben den Arbeitsinhalten der Zugang zu fachlicher Weiterbildung sein. Dies ist gerade für IT-Spezialisten, deren Fachwissen schnell veraltet, oft ein Wechselmotiv. Denn sie plagt – zurecht – latent die Angst: Wenn ich mich nicht weiterbilde und in technisch innovativen Projekten mitarbeite, sinkt mein Marktwert langsam aber stetig. Und keinesfalls sollte man die Bedeutung der weichen Standortfaktoren unterschätzen. Oft ist ein Entscheidungskriterium auch, welches Schul- oder Freizeitangebot der neue Wohnort bringen wird.

4. Schritt: Aktuelle Arbeitgeber der möglichen Kandidaten ermitteln

Sind das Anforderungsprofil und das Angebot formuliert, beginnt die eigentliche Kandidatensuche. Hilfreich kann in Einzelfällen das Durchforsten von Online-Portalen wie Xing sein. Gerade bei hochqualifizierten Spezialisten kommt man aber so meist nicht weit – auch weil die wenigen wirklich guten Leute, die sich dort präsentieren, mit Anfragen überschüttet werden. Also bleibt den Unternehmen oft nichts anderes übrig, als eine Liste der Firmen zu erstellen, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Kandidaten für die vakante Stelle arbeiten – um diese abzuwerben. Hierbei benötigen sie in der Regel Unterstützung, denn in den wenigsten Firmen existieren die hierfür erforderlichen Kapazitäten und Kompetenzen. Und nur selten sind auf ihrem Monitor die Nischenanbieter in ihrer Branche; ebenso die Unternehmen ausserhalb ihrer Branche, in denen Spezialisten mit einem ähnlichen Profil arbeiten. Genau dort findet man aber oft die wirklich heissen Kandidaten.

5. Schritt: Heisse Kandidaten kontaktieren

Sind die Zielfirmen definiert, gilt es, die Namen der Personen zu ermitteln, die in ihnen die betreffende Funktion innehaben. Dieser Prozess gleicht einer zeitintensiven Detektiv­arbeit. Deshalb übertragen Unternehmen diesen Job oft Personalberatern – auch weil diese meist über Netzwerke verfügen, die das Ermitteln der Namen erleichtern. Sind diese bekannt, gilt es, die Kandidaten zu kontaktieren. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Spezialwissen. Denn gerade Kandidaten, die eigentlich einen guten Job haben, muss die vakante Stelle in der Regel zunächst schmackhaft gemacht werden, damit sie einen Stellenwechsel überhaupt erwägen. Dies gelingt nur einer Person, bei der der kontaktierte Kandidat das Gefühl hat, dass der Gesprächspartner sein Tätigkeitsfeld kennt und den Wert seines Wissens einschätzen kann.

6. Schritt: Top-Kandidaten einladen und überzeugen

Sind die möglicherweise wechselwilligen Kandidaten ermittelt, beginnt ein normales Personalauswahlverfahren. An diesem sollte ein Experte aus der betreffenden Fachabteilung teilnehmen. Denn gerade für die absoluten Top-Kandidaten gilt: Sie haben meist ganz konkrete fachliche Fragen, und auf diese wollen sie eine Antwort haben, auch um zu wissen, in welchem (technischen) Umfeld sie künftig arbeiten werden. Sofern möglich sollte auch der bisherige Stelleninhaber in das Auswahlverfahren einbezogen werden. Denn er kann oft am besten einschätzen, welcher Kandidat über die erforderliche Kompetenz verfügt.

7. Schritt: Den Neuen gezielt einführen

Ist der neue Mitarbeiter endlich gefunden, atmen die Verantwortlichen in den Unternehmen oft erleichtert durch und kehren zu ihrer Alltagsarbeit zurück. Das heisst: Sie bereiten sich auf die Ankunft des Neuen nicht vor, und überlegen sich frühestens am Vorabend, bevor dieser erscheint, wie man ihn empfangen will.Die Folge: Der Spezialist, bei dessen Suche sich das Unternehmen so viel Mühe gab, fragt sich bereits am ersten Tag, wo er hier gelandet ist und ob seine Entscheidung richtig war. Nicht nur aufgrund der Art und Weise, wie er empfangen wurde, sondern auch, weil keine systematische Einarbeitung beziehungsweise Einweisung erfolgt. Der Neue soll vielmehr vom ersten Tag an so funktionieren, als sei er schon immer da gewesen – was er selbstverständlich nicht kann, weil ihm noch viele Infos fehlen. Entsprechend frustrierend und ernüchternd sind für die Neuen häufig die ersten Arbeitstage. Doch nicht nur für sie – auch für ihre neuen Kollegen. Denn diese erhofften sich von der Ankunft des Neuen oft eine Arbeits­erleichterung. Deshalb fragen sie sich, wenn dieser ihnen in den ersten Tagen und Wochen nur immer wieder mit irgendwelchen «dummen» Fragen Zeit stiehlt: Ist das der Richtige? Entsprechend gross ist die Gefahr, wenn keine systematische Einführung und Einarbeitung erfolgt, dass die Wege des Spezialisten und des Unternehmens sich nach der Probezeit wieder trennen. Mit der Konsequenz: Die Suche nach einem entsprechenden Spezialisten beginnt von vorne.

Vorstellungsgespräche professionell führen – zwölf Tips

1) Die Vorbereitung ist das A und O. Das Anforderungsprofil muss die fachlichen und die persönlichen Anforderungen umfassen.

2) Auch die künftigen Anforderungen, die der Stelleninhaber erfüllen muss, müssen berücksichtigt werden.

3) K.o.-Kriterien müssen festgelegt werden – also Kriterien, die der Bewerber auf alle Fälle erfüllen muss.

4) Der Gesprächsleitfaden sollte aus dem Anforderungsprofil abgeleitet werden. So behält man die Anforderungen im Blick und kann Bewerber gut miteinander vergleichen.

5) Der Bewerber sollte als Gast behandelt werden, denn schliesslich bewirbt sich auch das suchende Unternehmen.

6) Vorstellungsgespräche sollte man nie alleine führen. So minimiert man Beurteilungsfehler, die sich zum Beispiel durch persönliche Sympathien ergeben.

7) Insbesondere in der Startphase darf man nicht zu viel über das Unternehmen, die vakante Position und die Anforderungen erzählen. Sonst gibt der Bewerber die Antworten, die man hören möchte.

8) Um den Arbeitsstil eines Bewerbers einschätzen zu können, sollte man ihn fragen, wie er sich bestimmten Aufgaben und Problemen nähern würde.

9) Die Antworten sollte man sich stichwortartig notieren. Sonst verliert man bei mehr als drei Kandidaten die Details aus den Augen.

10) Nach den Gesprächen sollte man ein Ranking der Top-Bewerber erstellen.

11) Beim Auswerten der Gespräche muss man auch das Bauchgefühl thematisieren. Man muss analysieren, warum man bei Bewerber A ein eher schlechtes und bei Bewerber B ein eher gutes Gefühl haben – jedoch ohne die funktionalen Anforderungen aus dem Blick zu verlieren.

12) Nach dem letzten Vorstellungsgespräch sollte man eine Nacht verstreichen lassen, bevor man im Team die Auswahl trifft. Mit etwas Abstand sieht man die Dinge objektiver.

Frank Adensam

Frank Adensam ist Inhaber von Adensam Die Personalberater, Ludwigshafen (D), das unter anderem Unternehmen, ausser bei der Suche von Führungskräften, auch bei der Suche von hochqualifizierten Spezialisten unterstützt. www.adensam.de


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER