Wer passt ins eigene Netzwerk?

Die Zahl der virtuellen Kontakte nimmt zu, sie können aber persönliche Treffen nicht ganz ersetzen. Dabei ist es entscheidend, das Gegenüber richtig einzuordnen.
von Yasmine Limberger

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/09

     

Die Geschäftswelt wird immer virtueller, persönliche Treffen werden zunehmend durch Telefonkonferenzen, Webcasts oder Online-Meetings ersetzt. Ohne ein Netzwerk an persönlichen Kontakten kommt man dennoch oder gerade deshalb nicht aus. Das gilt für das geschäftliche genauso wie für das Privatleben. Wer seine Produkte an den Mann bringen will, wer beruflich weiterkommen oder Zugang zu bestimmten Kreisen bekommen will, muss sein Netzwerk konsequent auf- und ausbauen. Plattformen zum Aufbau von Netzwerken, also Social Networks wie Xing oder Linkedin, gibt es mittlerweile reichlich. Die Kunst dabei ist es, seine Kontakte zu qualifizieren, Verknüpfungen zu erkennen und die bestehenden Netzwerke sinnvoll zu ergänzen. Vor allem sollte darauf geachtet werden, dass die Plattform sich auch dazu eignet, private und geschäftliche Kontakte klar zu differenzieren und, dass der Ton in der Kommunikation angemessen ist.
Die persönlich bekannten Kontakte können jedoch auch virtuelle Kontakte langfristig nicht ganz ersetzen. Gute Zusammenarbeit beruht meist immer noch auf persönlicher Sympathie und individuellen Eindrücken, die man nur im direkten Umgang erfahren kann.

Wie man sein Gegenüber analysiert

Doch wie erkennt man Sponsoren oder Geschäftsfreunde, die man gerne in sein Netzwerk aufnehmen möchte und solche Leute, denen man besser aus dem Weg geht? Nicht immer ist das Verhalten so eindeutig, dass man gleich erkennt, wer Freund oder Feind ist. Vor allem kann man sich seine Kollegen oder Geschäftspartner nicht so einfach aussuchen. Umso wichtiger ist es, die richtige Strategie für ein erfolgreiches Relationship Building parat zu haben. Der Form halber soll hier erwähnt werden, dass dabei Sympathie und Geschäftsnutzen nicht immer im Einklang stehen. Daher sollte man private und geschäftliche Kontakte auch entsprechend selektieren und qualifizieren. Es geht jedoch auch nicht darum, die Kontakte, die rein auf Sympathie beruhen, einen jedoch geschäftlich nicht weiterbringen, als weniger wertvoll einzustufen. Der Umgang und die Erfahrung mit anderen Personen kann rein aus der Persönlichkeitswahrnehmung immer eine Bereicherung sein. Durch die Kommunikation und das Feedback von anderen erfährt man oft Neues über sich und lernt unterschiedliche Reaktionen und zum Teil Zusammenhänge besser kennen. So kann also prinzipiell jeder Kontakt eine interessante Erkenntnis mit sich führen.


Ganz egal, welches Ziel man in einem Gespräch verfolgt, muss man sein Gegenüber (er)kennen – ob man nun mit dem Chef oder mit einem Kunden, mit einem Kollegen oder Lieferanten spricht. Jeder verfolgt seine eigene Agenda und jeder ist unterschiedlich veranlagt. Dabei kann man zunächst von den drei Grundprinzipien Kooperations-, Konkurrenz- und Ignoranzprinzip ausgehen, die in der Geschäftswelt an Charakteren, Kulturen oder auch Vorgehensweisen oft vorherrschen.

Das Kooperationsprinzip

Der kooperative Geschäftspartner erscheint auf den ersten Blick einfach zu handhaben und zu überzeugen. Er hört sich den Standpunkt des Gegenübers an und geht auf seine Vorschläge ein oder wird bei Abweichungen zumindest einen Kompromiss bevorzugen. Es kann auch sein, dass er in der einen Situation hart bleibt, dem Gegenüber beim nächsten Mal jedoch entgegenkommt. Seine Argumentation ist nachvollziehbar und transparent. Er erscheint offen und ehrlich und sieht keine Veranlassung, anderen zu misstrauen. Prinzipiell ist dieser Charaktertyp vorrangig die Zielgruppe für das persönliche Netzwerk. Jedoch sollte man sich immer darauf einstellen, dass er die gleiche Kooperationsbereitschaft und Transparenz auch von einem selbst erwartet. Vertrauliche Dinge, über die man nicht sprechen darf, könnte er schnell als Vertrauensbruch empfinden. Daher sollte im Rahmen des Netzwerks festgelegt werden, auf welcher Basis man mit den Kooperationspartnern agiert. Man sollte die Zielsetzungen und Pinpoints des Gegen­übers kennen, so dass man auch selbst diesem Partner Unterstützung und Hilfe anbieten kann.

Das Konkurrenzprinzip

Handelt das Gegenüber nach dem Konkurrenzprinzip, wird es schon schwieriger. Dieser Charaktertyp ist nur schwer davon zu überzeugen, dass er anderen Personen trauen kann. Er behält womöglich Informationen bewusst zurück, weil er um seinen Status fürchtet. Auch wenn Psychologen diesem Charaktertyp sicherlich mangelndes Selbstvertrauen zuschreiben würden, so muss man dieses Verhalten grundsätzlich nur aus einer anderen Perspektive sehen: Wie schafft man es dennoch, von diesem Gesprächspartner das zu bekommen, was man braucht? Wie kann man ihn überzeugen, einem Informationen zu verschaffen, auf einen Vorschlag einzugehen oder in laufende Projekte eingebunden zu werden? Für den Umgang mit Konkurrenztypen wie auch für all die anderen Charaktere und Kulturen, mit denen man es täglich zu tun hat, gibt es kein Patentrezept. Sicher ist jedoch, dass man zunächst Vertrauen aufbauen muss, um überhaupt an den Konkurrenztypen heranzukommen. Vertrauen entsteht oft auf einer ganz anderen Ebene. Man sollte sich daher nach Gemeinsamkeiten wie sportlichen Aktivitäten oder kulturellen Interessen erkundigen, die man als Aufhänger für die Konversation nutzen kann. Oder man bezieht sich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Referenzen aus der Vergangenheit. Man sollte sich vor allem immer deutlich machen, dass von einer Kooperation beide Seiten etwas haben. Im Vorfeld sollte man daher herausfinden, an welchen Zielen das Gegenüber gemessen wird oder was auf seiner Agenda steht und nach Ansätzen suchen, wie man zur Zielerreichung beitragen kann. Das Ganze soll hierbei jedoch keinesfalls als eine Art der Erpressung rüberkommen nach dem Motto «Hilfst Du mir, helfe ich Dir», sondern vielmehr als klare Win-Win-Situation gesehen werden.


Einen Konkurrenzgesprächspartner muss man immer im Auge behalten und sein eigenes Verhalten im Umgang mit ihm kontrollieren. Man sollte ihm nie Anlass zum Zweifel geben, ob er einem vertrauen kann. Man wird es sicherlich nicht schaffen, aus einem Konkurrenztypen einen Kooperations-Charakter zu entwickeln, doch solange die Zusammenarbeit auf einer soliden Basis hergestellt werden kann, sollte man sich zufrieden geben. Auch solche Leute gehören in das persönliche Netzwerk, denn häufig verfügt gerade der, oft opportunistische, Konkurrenztyp über erstaunlich wertvolle Kontakte und Kreise, zu denen er seinem Gegenüber Zugang verschaffen kann, wenn er erstmal ein gewisses Vertrauen aufgebaut hat. Eine gute Strategie im Umgang mit Konkurrenztypen ist es auch, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Konkurrenztypen suchen den Wettbwerb, wollen sich immer wieder profilieren und gegen die Konkurrenz hervorheben. Daher sollte man recherchieren, was aus seiner Sicht andere Wettbewerber gerade tun und ihm einen konkurrenzfähigen Schlachtplan vorschlagen. Analysefähigkeiten und ein extrem strukturiertes Vorgehen sind dabei unabdingbar.

Das Ignoranzprinzip

Für den Ignoranztyp ist das Gegenüber so unwichtig, dass er sich nicht einmal die Mühe macht, zuzuhören. Er verschiebt Termine oder erscheint gar nicht erst. Das kann frustrieren und führt oft dazu, dass man selbst den Kontakt abbricht. Doch wenn es die Umstände verlangen, muss man durchhalten und dranbleiben. Der Ignoranztyp ist nicht automatisch auch Konkurrenztyp. Er kann durchaus kooperationsbereit sein. Er scheut jedoch zusätzliche Arbeit und hat keinerlei Interesse an den Themen des Gegenübers, die ihm unwichtig erscheinen und ihn nicht weiterbringen. Hier ist die eigene Kreativität gefragt. Wenn man dem Ignoranztyp mit einem Standardplan begegnet, wird er einen abblitzen lassen, und man beisst sich immer wieder die Zähne aus. In der Kommunikation mit dem Ignoranztypen muss man neue Wege gehen. Die Ansprache und der Konversationseinstieg müssen andersartig sein und ihn neugierig machen. Dies ist in der Tat nicht einfach, doch auch nicht unmöglich. Auch hier sollte man sich über die Agendapunkte des Gegenübers informieren und aktuelle Themen finden, bei denen der Gesprächspartner eine Vormachtstellung einnehmen könnte. Durch innovative Ideen und den besonderen Nutzen, den er davon hat, ist er zu überzeugen. Man sollte ihm immer das Gefühl geben, dass man selbst sich dabei um alles kümmern wird. Auch hier sollte man sich auf Erfolgsgeschichten und Referenzen berufen. Durchhaltevermögen und eine hohe Frustra­tionstoleranz bestimmen hier die Strategie.

Kategorisierung der Kontakte

Wenn man sein Gegenüber dann kennt, sollte man seine Kontakte qualifizieren – in Kategorien wie privat oder geschäftlich sowie Subkategorien – etwa nach Themenschwerpunkten – und eine Einschätzung zu den dargestellten Charaktertypen treffen. Im eigenen Netzwerk sollten Erfahrungen und Punkte festgehalten werden, welche die entsprechende Person kennzeichnen, also beispielsweise, woran er gerade arbeitet oder welche Interessen er verfolgt. Man sollte sich auch eine eigene Netzwerk-Datenbank anlegen, um den Überblick zu behalten und notieren, wie man mit dieser Person in Kontakt steht und was man von ihr benötigt. Ebenso sollte man die Punkte festhalten, die man dieser Person bieten könnte. Vor dem nächsten entscheidenden Treffen mit dieser Person, wirft man dann einen Blick in die Datenbank und überlegt sich eine Strategie für die Gesprächsführung. Die Erfahrungen aus dem Gespräch sollte man wiederum in Stichworten in der Datenbank festhalten. Auf diese Weise entwickelt man einen roten Faden für die einzelnen Kontakte, der einem helfen wird, zum Ziel zu kommen.


So aufwendig diese Art des Beziehungs­aufbaus auch klingen mag, die Vorgehensweise wird einem beispielsweise im Vertrieb oder im neuen Job gerade am Anfang eine gute Hilfe sein. Später wird man die Charaktertypen intuitiv erkennen und aus den Erfahrungen schöpfen können. Vor allem aber sollte man bei allen Kommunikationsstrategien eines nicht vergessen: Man hat es mit Menschen zu tun. Die Verbindungen zu anderen ergeben sich und lösen sich wieder. Sympathien und Gemeinsamkeiten sind dabei so zufällig, dass man sie weder planen noch wirklich beeinflussen kann. In manchen Situationen hilft es jedoch, wenn man alle seine Sinne geschärft einsetzt und die Zusammenhänge in der Zusammenarbeit besser erkennt.

Yasmine Limberger

Yasmine Limberger ist bei Avanade, einem Anbieter für IT-Business-Solutions, verantwortlich für das Personalmarketing in Deutschland und der Schweiz. Sie ist Autorin des Buches: «IT-Survival Guide- Karriere- und Alltagsratgeber für Einsteiger und Professionals in der IT-Branche» und hat mehr als zwölf Jahre Erfahrung in der Auswahl von IT-Fach- und Führungskräften.


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