Warum Projektleiter keine Kulturbanausen sind


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/09

     

Zwar leben Menschen in einem Projekt nicht zusammen, jedoch verbringen sie viel Zeit miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Sie entwickeln ein eigenes, internes Wert- und Normensystem. Mit anderen Worten: eine eigene Kultur, die auch für das Projekt relevant ist. Erfahrungsgemäss kann zwischen «statischer» und «dynamischer» Kultur unterschieden werden. Ein Projektleiter muss nicht nur beide Formen kennen, er muss auch mit beiden umgehen können.


Die statische Kultur ist bereits zu Projektbeginn vorhanden und wird durch äussere Gegebenheiten festgelegt. Geprägt wird sie durch den individuellen Hintergrund der Mitarbeitenden. Diese Faktoren beeinflussen Denken und Handeln und produzieren Gewohnheiten. Für einen Projektleiter ist es nahezu unmöglich, kurzfristig die Verhaltensmuster dieser Ebene zu beeinflussen. Es gibt aber noch eine zweite Ebene, die sich in der dynamischen Kultur ausdrückt und die Zusammenarbeit in einem Projekt bestimmt. Sie kann und muss vom Projektleiter aktiv gestaltet werden und kann von Projekt zu Projekt unterschiedlich sein, auch wenn dieselben Personen beteiligt sind. Wie Meetings abgehalten werden oder wie mit Fehlern und Problemen umgegangen wird, sind Beispiele. Diese projekteigene Kultur ist allerdings nicht statisch und kann sich im Projektverlauf verändern, bewusst und unbewusst.
Weder statische noch dynamische Kultur stehen isoliert im Raum – vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig. Ein Beispiel: In einem Projekt arbeitet der Mitarbeiter «Lang Sam». Er leistet gute Arbeit, kommt aber zu jeder Besprechung zu spät. Das führt zu Unverständnis im Team. Die Stimmung wird gereizt, andere nehmen sich das gleiche «Recht» heraus. Meetings werden unbeliebt und unproduktiv. Nach drei Monaten fängt jedes Meeting im Schnitt zehn Minuten später an. Dynamisch betrachtet hat sich eine Meeting-Kultur gebildet, in der Probleme nicht offen angesprochen werden. Durch die statische Kulturbrille wird die Ursache für «Lang Sams» Verhalten klar: Er war bisher nur in Projekten, in denen galt, «wer pünktlich zum Meeting kommt, hat zu viel Zeit und ist nicht wichtig». Diese Erfahrung hat sein Verhalten geprägt.

Das Wissen über den Hintergrund der Mitarbeitenden hilft dem Projektleiter, Situationen besser einzuschätzen. Ziel muss es sein, die Aspekte beider Kulturen so zu vereinen, dass eine projekt- und somit zielförderliche Kultur für alle Beteiligten entsteht. Der einzelne Mitarbeitende kann nicht verändert werden, aber durch Vorleben und Vermitteln bestimmter Werte wird die Zusammenarbeit beeinflusst. In unserem Beispiel kann der Projektleiter eine Kultur schaffen, in der Pünktlichkeit gross geschrieben wird und die deutlich macht, dass die Wertschätzung der Mitarbeitenden nicht mit deren Geschäftigkeit einhergeht. Beachtet ein Projektleiter die Einflüsse eines jeden Einzelnen von Beginn an, legt er den Grundstein für eine konstruktive und effektive Projektarbeit.


von Von Sabrina Weinzierl, Projektleiterin Adesso Schweiz & Christian Walter, swiss made software


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