ERP-Software über eigene Cloud nutzen

Das Neue Rechnungsmodell beim Bund zwang das EDA und die Auslandsvertretungen dazu, ihre Finanzbuchhaltung neu aufzustellen. Die Wahl fiel auf eine Online-Lösung von Abacus.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/05

     

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterhält weltweit rund 150 Auslandsvertretungen. Die knapp 800 Anwender nutzen die Online-Version der betriebswirtschaftlichen Software der Ostschweizer Entwicklungsfirma Abacus Research über eine eigene Cloud. Dazu gekommen ist es, weil das Neue Rechnungsmodell beim Bund seit dem 1. Januar 2007 monatliche Finanzabschlüsse der Verwaltung vorschreibt. Da das konsularische Personal bis zu diesem Zeitpunkt weltweit quartalsweise, jeweils um ein Quartal verzögert ihre Buchungen der Finanzbuchhaltung per Datei nach Bern sandten, erschien eine Online-Lösung als neuer Ansatz ideal: Die Applikationen und alle Daten sollten zentral auf Servern installiert und gehalten werden, so dass die Auslandsniederlassungen auf die Finanz-Software über eine eigene Cloud zugreifen könnten. Jede Buchung respektive Finanztransaktion würde damit unmittelbar der Berner Zentrale zur Verfügung stehen. Davon erwartete man eine Reduktion im Unterhalt und der Wartung, eine grössere Datenaktualität und gleichzeitig eine einfachere Datenübernahme.

Das EDA setzte nach einer Voranalysephase auf die bestehende Abacus-Software. Für diesen Entscheid brauchte es eine gewisse Portion Mut und ein grosses Vertrauen in die Fähigkeiten der Entwickler. Zwar erledigten seit 2003 alle Schweizer Botschaften und Konsulate ihre Buchhaltungen mit Abacus. Auch konnten die Ostschweizer Entwickler bereits 2007 ihre Finanzbuchhaltung erstmals als Web-taugliche Version vorstellen. Aber damals standen weder sämtliche Software-Komponenten in Online-Modulen zur Verfügung, noch gab es eine Referenzinstallation. Zu Beginn der Konzeptphase Anfang 2008 einigte man sich auf folgende Zielvorgaben: Die Datenablieferung sollte monatlich in konsolidierter Form an das zentrale SAP-System erfolgen. Da der Mehraufwand für neu zwölf anstelle von bisher vier Abschlüssen pro Jahr nicht auf die Vertretungen überwälzt werden sollte, hat die Zentrale die Erstellung der Monatsabschlüsse zu übernehmen. Wiederkehrende Arbeiten im monatlichen Rhythmus für die Auslandvertretungen sollten ebenfalls so weit wie möglich automatisiert werden.
Zudem sollte die Zentrale die Vertretungen zusätzlich mit der Übernahme der Benutzer- und Stammdatenverwaltung, der Erstellung der Monatsabschlüsse und der Durchführung der Updates entlasten. Nur eins war völlig klar, als das EDA gemeinsam mit dem Software-Entwickler und dem Implementierungspartner Axept Business Software den Migrationsplan in Angriff nahm: Es betrat Neuland.

Geschwindigkeit als Herausforderung

Die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Pionierprojekts hätten die Dimensionierung der Infrastruktur und die Geschwindigkeit betroffen, berichtet Roland Rufer, Projektverantwortlicher und Geschäftsleitungsmitglied von Axept. Die Anforderung des EDA verlangte eine Lösung, die weltweit über alle Zeitzonen und damit 7x24 Stunden im Einsatz stehen sollte. Zu Spitzenzeiten sollten bis zu 500 Benutzer gleichzeitig im System arbeiten können. Der Aufbau der Infrastruktur mit dem Load Balancing der relevanten Abacus-Dienste über mehrere Server hinweg und das geeignete Design für die Gewährleistung der Ausfallsicherheit mit geclusterten, redundanten Server-Funktionen über zwei räumlich getrennte Rechenzentren – die eigentliche Cloud also – wurde von allen drei Beteiligten gemeinsam entwickelt. Die dringlichsten Fragen betrafen den Datendurchsatz: Wie lange muss der Buchhalter in Wellington warten, bis seine Server-Anfrage in Bern beantwortet wird, oder welches sind die minimal notwendigen Bandbreiten und Latenzzeiten, die ein vernünftiges Arbeiten im Aussennetz des EDA ermöglichen? Mit Hilfe von Prototyping konnte bereits zu einem sehr frühen Projektzeitpunkt aufgezeigt werden, dass die Abacus-Web-Lösung das geplante Volumen an Zugriffen via Cloud bewältigt. Damit konnten die Zugriffsstabilität und die Geschwindigkeiten bezüglich Bandbreiten und Latenzzeiten geprüft und applikatorisch sichergestellt werden.

Dagegen waren die Erkenntnisse mit über Satelliten angebundenen Dienststellen im Vergleich zu jenen mit terrestrischen Verbindungen völlig ernüchternd: Nur geografisch nahe gelegene Auslandsvertretungen mit entsprechenden Bandbreiten im Aussennetz wiesen vernünftige Antwortzeiten auf. Seitens des EDA wurden als erste Massnahmen die Verbindungen stabilisiert und die Bandbreiten erhöht. Abacus nahm, wo immer möglich, Optimierungen in der Software vor. Nachdem es dem EDA sukzessive gelang, weitere «Satellitenvertretungen» terrestrisch anzubinden, blieben zuletzt acht drahtlose Destinationen übrig. Für diese musste die Software über Citrix eingebunden werden.

Definierte Rollen

Nach erfolgreichem Pilotbetrieb mit fünf Auslandsvertretungen wurde der definitive Roll-in Mitte 2009 freigegeben. Dieser beinhaltete die taggenaue Migration von 147 Auslandsmandanten. Die Anwender konnten bereits zwei Tage nach dem dezentralen Arbeitsstopp weiterarbeiten. Zur Instruktion der Endanwender reichte ein Manual mit den wichtigsten Änderungen. Schliesslich beanspruchte das Projekt mit der Gleichstellung des Geschäfts- mit dem Kalenderjahr und mit dem Umschreiben der kompletten betriebswirtschaftlichen Lösung auf eine Cloud-fähige Software-Version vier Jahre.
Die Lösung berücksichtigt, dass die für die Buchführung verantwortlichen Personen im Ausland keine Rechnungswesenspezialisten sind. Deshalb galt der Grundsatz, nur dasjenige den Anwendern zur Verfügung zu stellen, was sie auch effektiv benötigen: Über Rollendefinitionen sind nur Mandanten und Programme einsehbar, die für ihre Aufgabenerfüllung nötig sind. Der Online-Zugriff auf das Zentralsystem erfolgt heute für die meisten Auslandsniederlassungen über die Ultra-Light-Client-(ULC)-Technologie. Das Projekt konnte unter Einhaltung der Meilensteine, der budgetierten Kosten und der definierten Funktionalitäten erfolgreich abgeschlossen werden. (abr)


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