IT-Zertifizierungen aus Indien

Weil IT-Zertifizierungen namhafter Hersteller teuer sind, konnte das indische Schulungsunternehmen Koenig Solutions ein lukratives Outsourcing-Business aufziehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/03

     

IT-Outsourcing nach Indien ist heute eine Alltäglichkeit. Noch ungewohnt ist allerdings die Idee, auch Schulungen und Zertifizierungen nach Indien auszulagern. Aber wieso soll man in Europa für eine Schulung viel Geld bezahlen, wenn man das Gleiche in Indien zu einem Bruchteil des Preises bekommt? Ein solches Offshore-Training bietet Koenig Solutions. Ursprünglich wurde das Unternehmen 1993 gegründet, um IT-Spezialisten auszubilden. Nachdem im Jahr 2000 die Dotcom-Blase geplatzt war, beschloss der Gründer und CEO Rohit Aggarwal, sich auf profitable Nischen zu konzentrieren, wie er im Gespräch mit «Swiss IT Magazine» erklärt, das die Chance hatte, die Schulungsanlage von Koenig Solutions direkt vor Ort in Indien zu begutachten. Einzelne Rucksacktouristen, die ihren Aufenthalt in Indien mit einer Zertifizierungsschulung verknüpften, brachten Aggarwal auf die Idee, seine Schulungen auf IT-Professionals aus dem Westen auszurichten. Mit dem Kostenniveau in Indien war es möglich, die Kurse und international identischen Zertifizierungen zu einem Bruchteil des Preises der westlichen Welt anzubieten.
Mittlerweile zieht Koenig Solutions Kursteilnehmer aus der ganzen Welt an. Rund die Hälfte kommt aus Grossbritannien, Platz zwei und drei belegen mit insgesamt rund zehn Prozent die Benelux-Länder und Deutschland. Für die Amerikaner ist die Reise eher zu lang, in Afghanistan stationierte Soldaten nutzen aber das Angebot. Und auch immer mehr Schweizer lassen sich bei Koenig Solution sausbilden. «Die Erfahrung in Indien war ausserordentlich. Ich habe meine Zeit nur dafür verwendet, meine Ziele zu erreichen und nichts hat mich davon abgehalten, weil Koenig Solutions die ganze Zeit darauf bedacht war, mir das Leben in Indien so einfach wie möglich zu machen», erklärt Jose Tapia, der nun Microsoft Certified System Engineer ist.

Verschiedene Kulturen

Damit spricht Tapia an, was Aggarwal bewusst einsetzt, um den Leuten die Angst vor einer solchen Reise zu nehmen. «Tiefere Qualitätsstandards, mögliche Sprachprobleme oder die kulturellen Unterschiede können Gründe sein, die von einer solchen Reise abhalten», erklärt Aggarwal. Deshalb gehört neben Schulung, Zertifizierung und Flug auch ein «Rundum-Sorglos-Paket» zum Package. Die Schüler werden am Flughafen von Koenig-Mitarbeitern empfangen und erhalten ein kleines Willkommensdossier mit Informationen und etwas Kleingeld. Für den Transport stehen den Schülern Busse von Koenig Solutions zur Verfügung. Diese chauffieren die Lernwilligen nicht nur von der Unterkunft zum Unterricht und zurück, sondern auch zu Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Trotzdem sind mit der Reise auch Unannehmlichkeiten verbunden: «Die Reise nach Indien, die Umstellung an das Land und Wetter, es war über 30 Grad Celsius heiss», erklärt Jeen Thomas Pallickaparampil, der den Kurs dank seinem Arbeitgeber Swiss Life besucht hat. Davon abgesehen, sehen die Schweizer nur Vorteile eines Trainings in Indien.
«Ich reise gerne und nutze jede Gelegenheit, einmal aus dem Alltag raus zu kommen. Ausserdem mag ich das internationale und interkulturelle Zusammentreffen mit anderen Koenig-Studenten, die aus der ganzen Welt kommen mit dem Ziel, etwas zu lernen. Und zu guter Letzt komme ich wegen des Preises, der inklusive Flug, Übernachtungen und Verpflegung immer noch günstiger ist als jedes Angebot in der Schweiz», erklärt Christian Voigt, nun unter anderem Certified Ethical Hacker. Die Schüler logieren entweder im unternehmenseigenen Hostel, in von Koenig Solutions betreuten Apartments oder auch in Hotels nach ihrer Wahl. Dies kommt bei den Teilnehmern gut an. «Für den Aufenthalt habe ich die günstigere Option in einer Wohngemeinschaft gewählt. Somit entstanden zusätzliche Synergien durch Erfahrungsaustausch und Networking mit den anderen Kursteilnehmern, welche aus Europa, den USA oder Südafrika angereist waren», so Pallickaparampil. Voigt ergänzt: «Selbstverständlich sind diese Unterkünfte für Schweizer Verhältnisse einfach gehalten. Jedoch war bisher in Bezug auf Sauberkeit und Infrastruktur – TV, Klimaanlage, WLAN, Wäscheservice – immer alles tiptop.»

Erschwingliches Einzeltraining

Bei den Trainings zeigt sich dann der Unterschied zu Kursen in Europa. Bei den Preisen in Indien kann man sich Einzeltrainings leisten. Die Kurse – die komplett in Englisch gehalten werden – können so individuell auf den Teilnehmer abgestimmt werden. «Konkret bekommt man für einen Drittel des Schweizer Marktpreises nicht nur standardisierten Gruppenunterricht, sondern einen eigenen persönlichen Instruktor, welcher auf sämtliche individuellen Bedürfnisse eingeht. Dies bringt nicht nur Effizienz, sondern auch Effektivität, da das Schwergewicht der Themen auf persönliche Schwächen gelegt werden kann und bereits vertraute Themengebiete nur noch kurz repetiert werden», so Pallickaparampil. Auch Voigt zieht das Einzeltraining vor, weil es ihm «einen wesentlich besseren Lerneffekt bietet».

Expansionsdrang

Anfangs wertete Aggarwal bereits zehn Schüler pro Monat als Erfolg, als nächstes wurde das Ziel von 100 Schülern pro Monat avisiert. Heute liegt der Schnitt bei 200 IT-Professionals pro Monat, 98 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland. Aber der Wachstumshunger von Aggarwal ist ungebremst. Bis in zwei Jahren soll die 500er-Grenze überschritten werden und irgendwann soll die ganze Welt von Koenig geschult und zertifiziert werden, wie Aggarwal mit einem Grinsen erzählt. Bereits jetzt gibt es Training Centers in verschiedenen Teilen von Indien, dieses Jahr noch soll ein neues in Dubai eröffnet werden. Ausserdem sollen die Kurse künftig auch in Japanisch, Spanisch, Französisch und Deutsch angeboten werden.

Die Schule nach der Schule - ein CSR-Projekt von Koenig Solutions

Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren sitzen auf dem Boden und lauschen gespannt der Lehrerin, die ihnen die korrekte Verwendung der indirekten Rede in Englisch erklärt. Sie sind alle aufgrund einer Empfehlung ihres Klassenlehrers hier und erhalten sechsmal pro Woche — in Indien zählt auch der Samstag als normaler Arbeitstag — zusätzlichen Unterricht nach der Schule. Der Unterricht ist kostenlos, ausserdem erhalten die Kinder die für die Schule benötigten Bücher gratis.
Das Angebot kommt von Koenig Solutions. «Wir wollten der Gesellschaft etwas von dem Goodwill zurückgeben, den wir bekommen haben», erklärt CEO Rohit Aggarwal die Motivation für das Corporate Social Responsibility (CSR)-Projekt. Zuerst habe man daran gedacht, arme Familien aus Delhi finanziell zu unterstützen. Weil das aber keine langfristige Problemlösung bringe, habe man sich dazu entschlossen, die Bildung der Kinder armer Familien zu fördern. Allerdings wollte man nicht einfach Geld an eine bestehende Organisation spenden. «Leider wird dabei immer ein grosser Teil der Spenden vom administrativen Bereich verschlungen», erklärt Aggarwal. Deshalb hat Koenig kurzerhand entschlossen, ein eigenes Schulungsangebot zu lancieren.

Nach Gesprächen mit lokalen Schulen hat sich herausgestellt, dass die Drop-out-Rate in der achten und neunten Klasse am höchsten ist. Dies liegt allerdings nicht daran, dass die Schüler die Schulkosten nicht bezahlen könnten oder etwa zu faul sind, sondern weil die Jugendlichen den Stoff nicht verstehen. Also hat Koenig besser qualifizierte Lehrer gesucht und unterrichtet die Kinder nun in von dem Community Leader zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten. Die Gruppen von 30 bis 35 Schülern werden in den Bereichen Mathematik, Englisch und Wissenschaft unterrichtet. Die Jugendlichen sind begeistert. Doktor, Pilot, Lehrer oder Ingenieur möchten sie werden und sind dazu bereit, mehrere Kilomenter, auch in brütender Hitze, zu laufen.

Das Angebot existiert bereits seit Frühling 2007. Aktuell werden rund 500 Schüler unterrichtet. Natürlich hat Aggarwal auch hier ein Wachstumsziel: Bis 2014 soll sich die Anzahl Schüler verzehnfachen und rund 5000 Jugendliche sollen unterrichtet werden. Im Januar 2009 wurde bereits das zweite Schulzimmer in Delhi eröffnet. Aggarwal hat grosse Ziele, sieht aber auch Grenzen. «5000 oder 10’000 Schüler können wir gut unterrichten, aber wir haben nicht die Kapazitäten für 5 oder gar 10 Millionen Jugendliche». Deshalb hofft er darauf, dass seine Mitbewerber sich inspirieren lassen und ähnliche Projekte auf die Beine stellen.
Mittlerweile hat sich das CSR-Projekt für Koenig Training Solutions bereits auch auf der Business-Ebene ausgezahlt. Das Unternehmen wurde 2009 von Microsoft als «Worldwide Best Citizenship Partner of the Year» ausgezeichnet. (tsi)


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