Editorial

Microsoft und die Viren

Wie es scheint, ist die Erweiterung von Windows durch einen Virenscanner etwas vom letzten, was Bill Gates mit der jüngsten Akquisition vorhat.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/12

     

Man kann Bill Gates und seinen Mannen in Redmond ja vieles unterstellen, und das meiste davon trifft wohl sogar zu. Eines allerdings kann man über Microsoft kaum mit gutem Gewissen behaupten: dass die Firma irgendeinen Schritt ohne (ganz konkrete und oft nicht sehr nette) Hintergedanken macht. Das wurde in der Vergangenheit oft genug bewiesen.



Der jüngste Fall erscheint allerdings besonders krass: Indem Microsoft die rumänische Software-Schmiede GeCAD - ein in der Windows-Welt ziemlich unbekannter Hersteller von Antiviren-Software - übernimmt, präsentiert sich Bill Gates seiner Anwendergemeinde als wahrer Wohltäter. Endlich, endlich wird etwas für die offenbar immer noch zahlreichen virengeplagten Windows-User getan, die bisher nicht willens oder in der Lage waren, von einem der fast ebenso zahlreichen Anbieter eine entsprechende Schutz-Software zu kaufen (vgl. S. 15).




Ein zweiter Blick offenbart allerdings einen anderen Sachverhalt. Wie es scheint, ist die Erweiterung von Windows durch einen integrierten Virenscanner etwas vom letzten, was Bill Gates mit der jüngsten Akquisition wahrscheinlich vorhat. Das wäre wohl auch nicht ganz einfach: Während die Windows-Abteilung der von GeCAD sich bisher keinen besonderen Namen machen konnte, ist die Firma nämlich vor allem einer der grössten und wichtigsten Hersteller von Antiviren-Software für Linux- und Unix-Systeme.



Kurzum war denn auch zu vernehmen, dass GeCADs Linux- und Unix-Produktlinien künftig nicht mehr weitergeführt werden sollen. Lediglich die bestehenden Service-Verträge für diese Produkte will Microsoft noch erfüllen und sich ansonsten auf die Weiterentwicklung der Windows-Antiviren-Schiene konzentrieren. Damit macht Bill Gates nicht nur möglicherweise die Windows-Welt sicherer, sondern ganz sicher die Linux-Welt unsicherer.



Logisch, Microsoft will das lieber nicht ganz so gesehen haben. Schliesslich wäre es schwer, verlautet aus Redmond, einen Antiviren-Software-Hersteller zu finden, der seine Anwendungen nicht für verschiedene Plattformen entwickle, und an GeCAD hätte einem vor allem das nette Team und die hervorragende Antiviren-Technologie gefallen.



Nett sind sie bestimmt, die Rumänen, und über die Technologie mag man sich schon gar nicht streiten. Aber es ist bestimmt auch die böse Ironie eines niederträchtigen Schicksals, dass Microsoft bei der schwierigen Suche ausgerechnet den grössten Konkurrenten im Linux-Bereich gefunden hat.




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