Keine Kamera für alle
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/09
Die digitale Fotografie ist definitiv auf dem Siegeszug: Wie aktuelle Studien etwa der GfK zeigen, wurden in Europa im Jahr 2002 rund acht Millionen Digitalkameras verkauft, was einem 75-prozentigen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr entspricht. Und eine Studie von InfoTrends bestätigt, dass bereits über 20 Prozent der US-Haushalte über eine Digitalkamera verfügen - Ende 2003 sollen es bereits über 30 Prozent sein. Damit zählen Digitalkameras definitiv zu den Massenprodukten; gemeinhin wird die Schwelle zum Massenmarkt bei 22 Prozent festgelegt.
Nur noch wenige Puristen verschliessen sich den vielen Vorteilen der digitalen Fotografie, und die zahlreichen Diskussionen, die noch vor kurzem ganze Newsgroups und Diskussionsforen gefüllt haben und sich nur um die Frage gedreht haben, ob nun analog oder digital besser sei, haben sich mittlerweile abgeschwächt.
Keine Frage: Mit den neuesten Entwicklungen im Spiegelreflex-Sektor, in dem Canon und Kodak anlässlich der Photokina 2002 erste Kameras mit Vollformat-Sensor und über 11 Megapixeln angekündigt haben (die mittlerweile auch ausgeliefert werden), hat sich der Streit um die digitale Bildqualität erübrigt. Der limitierende Faktor sind nun nicht mehr die CCD- oder CMOS-Chips, sondern die Objektive, deren Abbildungsleistung häufig gar nicht gut genug ist, um die Möglichkeiten des Sensors optimal zu nutzen.
Die Entwicklung im Sektor der digitalen Spiegelreflexkameras ist denn auch einer der grossen Trends, der sich bei der Photokina 2002 und der PMA 2003, den beiden wichtigsten Fotomessen, deutlich abgezeichnet hat. Die Absicht der Hersteller: Sowohl die Profis mit den bereits erwähnten High-End-Spiegelreflexgeräten zufriedenzustellen als auch die ambitionierten Amateure mit bezahlbaren, aber doch hochwertigen Kameras zu befriedigen.
Canon etwa gelingt dieser Spagat bisher erstaunlich gut. Der Marktführer im Digicam-Markt, der bereits vor drei Jahren die Fachwelt mit einem selber entwickelten CMOS-Chip und der ersten digitalen Spiegelreflex unter 5000 Franken überrascht hat, verfolgt seine Strategie konsequent weiter. Mit der EOS 1Ds hat er zur Photokina eine Profi-Spiegelreflex mit Vollformat-Sensor und 11 Megapixeln herausgebracht, an der PMA im März wurde die überaus erfolgreiche EOS D60 durch die EOS 10D ersetzt, die mit einem neuen Autofokus-System, professionellen Features und 6 Megapixeln überzeugt. Und dies zu einem Preis von nur knapp über 3000 Franken, der klar als Kampfansage an Fujifilm, Nikon und Sigma zu werten ist.
Gerade Nikon scheint dagegen eher auf Kontinuität statt auf kurze Produktzyklen zu setzen. Die Flaggschiffe D1H und D1X sind schon seit über zwei Jahren auf dem Markt, und auch die D100, mit einem Preis von rund 4000 Franken die günstigste digitale Spiegelreflexkamera von Nikon, wurde bereits auf der PMA 2002 vorgestellt.
Immerhin haben Nikon-Fotografen mit der FinePix S2 Pro von Fuji und den verschiedenen Profimodellen von Kodak gute Alternativen, die auf das Nikon-F-Bajonett setzen und damit die Weiterbenutzung bestehender Objektiv-Sammlungen erlauben. Zwar wurden - mit Ausnahme des 14-Megapixel-Modells Kodak DCS Pro 14n - auch diese Kameras bereits im Frühling 2002 angekündigt, kamen aber teils erst vor kurzem auf den Markt.
Lange angekündigt, aber erst seit kurzem erhältlich ist auch die Sigma SD9 mit ihrem Foveon-X3-Chip, der mit der Aufnahme aller drei Grundfarben pro Pixel die sonst übliche Farb-Interpolation überflüssig macht und damit eine bessere Bildqualität bieten soll.
Die Tendenz ist klar: Mit immer günstigeren, aber dennoch hochwertigen Kameras wollen sich die Hersteller einen breiten Markt für die digitalen Spiegelreflexkameras erschliessen. Mit aktuellen Strassenpreisen ab 2500 Franken sind erste Schritte bereits gemacht, um das Ziel zu erreichen, müssen die Preise aber nochmals kräftig reduziert werden - die Zeichen, dass dies bereits mit der nächsten Generation der Fall sein dürfte, stehen allerdings gut.
Der zweite grosse Trend der diesjährigen PMA und der Photokina 2002 sind die Fun- und Lifestyle-Kameras, die möglichst einfach bedienbar sind und nicht allzu viele komplexe fotografische Optionen bieten. Das heisst, dass kreative Möglichkeiten wie etwa eine Blenden- oder Zeitautomatik meist fehlen, die Kameras dafür aber mit möglichst vielen "kreativen" Motivprogrammen auftrumpfen. Auch fehlen an diesen Apparaten häufig Anschlüsse für Filter oder Vorsatzlinsen, externe Blitzgeräte und anderes Zubehör, das für den ambitionierten Amateur und den Profi meist unabdingbar ist.
Derartige Geräte, die meist im Bereich von 2 bis 4 Megapixeln angesiedelt sind und vielfach deutlich weniger als 1000 Franken kosten, hat mittlerweile ziemlich jeder Hersteller im Sortiment. In unserer Marktübersicht haben wir uns in diesem Segment deshalb auf eine kleine Auswahl von grossen Herstellern und ihre jeweils neuesten Modelle im Fun-Bereich beschränkt.
Allerdings würde man diesem breiten Marktsegment nicht gerecht, wenn man alle Geräte über einen Leisten schlüge. Im Gegenteil: Der Bereich Fun-Kameras lässt sich weiter aufteilen in Edelminis (auch Lifestyle-Kameras genannt), Multimedia-Geräte, hochspezialisierte Exoten und Allround-Apparate, die dem fortgeschrittenen Fotografen wieder erweiterte Möglichkeiten bieten.
Edelminis: Die kleinsten der digitalen Kameras werden von den Herstellern gerne auch als Lifestyle-Kameras bezeichnet - was bereits impliziert, dass sie vor allem immer dabei sein und einen hohen Fun- und Neidfaktor haben sollen. Die Edelminis zeichnen sich denn auch insbesondere durch hochwertige Design-Gehäuse aus; von der Optik sind der Grösse entsprechend keine Wunder zu erwarten. Zu den Klassikern im Edelmini-Bereich gehören etwa die Digital-Ixus-Geräte von Canon oder die Digital-µ[mju:]-Apparate von Olympus. Grössere Innovationen gibt es derzeit in Sachen Miniaturisierung zu vermelden: Minolta etwa baut mit der Dimage Xt eine Kamera, die zwar über ein 3fach-Zoom verfügt, dieses aber nicht aus dem Gehäuse ausfährt. Des Rätsels Lösung: Das Objektiv ist vertikal ins Gehäuse eingebaut und schaut über einen Umlenkspiegel in die Umgebung. Einen cleveren Trick benutzt auch Pentax bei der OptioS, deren 35-105-mm-Zoom in einem 2 cm dicken Gehäuse Platz findet, indem eine komplette Linsengruppe vertikal verschoben wird, bevor das Objektiv ein- oder ausgefahren wird. Und die Exilim EX-S3 von Casio kommt zwar ohne Zoom, ist dafür aber nur noch knapp mehr als einen Zentimeter dick und wiegt keine 100 Gramm.
Multimedia-Kameras: Videofunktionen gehören schon länger zum bewährten Feature-Angebot fast aller kompakten Digitalkameras, auch wenn die Implementierung oft halbherzig erfolgte: Beschränkungen auf wenige Sekunden Filmdauer und mangelnde Tonaufnahme seien hier genannt. Dies hat sich in jüngster Zeit geändert: Zwar wird die Filmlänge noch immer durch die Speichergrösse limitiert, aber immerhin sind heutzutage fast alle Kameras in der Lage, Tonfilme aufzuzeichnen.
Doch damit nicht genug: Der japanische Riese Casio profiliert sich mit der Exilim EX-M2, die zusätzlich zur Videofunktion auch als Diktaphon eingesetzt werden kann und sogar einen integrierten MP3-Player mitsamt Fernbedienungs-Ohrhörer bietet.
Ebenfalls zur Kategorie der Multimedia-Geräte gehören schliesslich die Kamera-Handys und
-PDAs, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Noch können die mickrigen Objektive und kleindimensionierten CCD-Chips, die in diese Geräte eingebaut werden, mit einer dedizierten Digicam nicht mithalten, dies ist allerdings auch nicht nötig; im Vordergrund steht klar der Fun-Faktor.
Spezialisten: In eine andere Richtung gehen Hersteller wie HP, Olympus, Panasonic oder Sony, die hochspezialisierte Kameras für bestimmte Einsatzbereiche entwickeln. Sony etwa baut in einzelne Kameras eine Night-Shot-Funktion ein, die zwar nur grüngetönte Schwarzweiss-Bilder liefert, dafür aber auch in absoluter Dunkelheit ohne Blitz arbeitet. HP, Olympus und Panasonic dagegen haben Kameras im Angebot, die vor allem für Sport- und Tierfotografen interessant sind, die aussergewöhnlich lange Brennweiten benötigen. HPs Photosmart 850 etwa kommt mit einem 37-300-mm-Zoom, Olympus liefert mit der Camedia C-730 ein optisches 10fach-Zoom von 38-380 mm, und das Zoom der Panasonic Lumix DMC FZ-1 reicht gar von 35 bis 420 Millimeter und kommt erst noch mit einem optischen Bildstabilisator, der auch bei längster Brennweite noch scharfe Aufnahmen aus freier Hand ermöglichen soll. Die Kehrseite der Medaille sind allerdings die eingeschränkten Pixel-Zahlen: Keine der Megazoom-Kameras kommt auf 4 Megapixel.
Allrounder: Die Allround-Kategorie schliesslich lässt die Grenzen zu den teureren semiprofessionellen Kameras verwischen. Diese Kameras verfügen teils über erweiterte fotografische Möglichkeiten und bieten meist eine höhere Auflösung bei gleichzeitig hochwertigerer Optik als die Geräte der vorgenannten Kategorien. Dazu kommen meist fortgeschrittene Funktionen wie ein manueller Weissabgleich oder verschiedene Belichtungsmessprogramme mit Korrekturmöglichkeit. In ihrem Anwendungsspektrum sind sie sehr flexibel und für viele fotografische Aufgaben geeignet. Allerdings mangelt es ihnen an der Integration in ein umfangreiches Zubehörprogramm: Nur ausnahmsweise verfügt eine Kamera dieses Segments über Anschlüsse für einen externen Blitz oder ein Filtergewinde. In unserer Marktübersicht haben wir uns in der Kategorie der Fun-Kameras auf dieses Marktsegment beschränkt. All diese Kameras zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Fotografen möglichst viel Arbeit ab- oder - anders ausgedrückt - möglichst viel kreative Freiheit wegnehmen. Das muss im Fall des Freizeitknipsers nicht unbedingt ein Nachteil sein, dient aber letztlich vor allem der Industrie: Wachsen die Ansprüche mit zunehmendem Können, wird die nächste Kamera fällig.
Diesen wachsenden Ansprüchen werden die semiprofessionellen Point-and-Shoot-Kameras der höherwertigen Kategorie gerecht, die neudeutsch auch Prosumer-Kameras genannt werden. In diesem Marktsektor brachten die Photokina und die PMA allerdings kaum wirklich Neues: Keiner der grossen Hersteller hat in dieser Kameraklasse neue Geräte vorgestellt. Kein Wunder: Die hohe Zeit des Megapixel-Wettrennens ist vorbei. Seit die 5-Megapixel-Marke erreicht und an der 6-Megapixel-Grenze für die Kompaktkameras (noch) nicht gekratzt wird, beschränken sich die Hersteller lieber auf Modellpflege denn auf bahnbrechende Neuerungen.
Die Prosumer-Kameras zeichnen sich durch vollständige Palette an fotografischen Möglichkeiten von Zeit- und Blenden- über Vollautomatik bis hin zur manuellen Bedienung aus, bieten vielfältige Belichtungsmessprogramme mit Korrekturmöglichkeiten und arbeiten deutlich schneller als ihre kleineren Brüder. Lichtstarke Objektive, robuste Gehäuse, hochkapazitäre Akkus und klassische Bedienkonzepte zeichnen diese Kameras ebenso aus wie die Integration in umfangreiche Zubehörprogramme, die von externen Blitzgeräten über Synchron- und Fernauslösekabeln bis hin zu Filtern und Vorsatzlinsen reichen.
Entsprechend der hohen Anforderungen, die an dieses Kamerasegment gestellt werden, finden sich hier auch nur Branchengrössen wie Nikon, Minolta und Olympus, die ihre langjährigen Erfahrungen in der analogen Fotografie in die Entwicklung digitaler Spitzenmodelle stecken konnten. Für die hohe Bildqualität und die vielfältigen Optionen, die Kameras wie die Dimage 7Hi oder die Coolpix 5700 bieten, müssen Fotografen allerdings auch ein wenig tiefer in die Tasche greifen.
Der Digitalkameramarkt ist extrem fragmentiert, wie sich gezeigt hat. Nicht nur, dass mittlerweile vom etablierten Markenhersteller mit langjährigem Know-how auch aus dem analogen Bereich über japanische Elektronikgeneralisten bis hin zum kleinen No-Name-Fabrikanten über fünfzig Anbieter um die Gunst der Kunden buhlen, auch die Zahl und Ausrichtung der Kameramodelle ist kaum mehr zu überblicken. Kommt dazu, dass die Produktzyklen äusserst kurz sind: Viele Hersteller bringen ein- bis zweimal jährlich neue Modelle auf den Markt, die ihre Vorgänger nicht immer ersetzen, sondern teils auch nur das Produktportfolio ergänzen. Dabei den Überblick zu bewahren, ist nicht immer einfach.
Allerdings hat die starke Fragmentierung auch ihre Vorteile für den Kunden: Für fast jeden Anspruch und annährend jedes Budget hält der Markt ein passendes Produkt bereit - man muss es nur finden. Für den potentiellen Digicam-Käufer ergibt sich daraus, dass er sich zuallererst möglichst genau Klarheit verschaffen muss, was er von seiner Digitalkamera überhaupt verlangt, welche Anforderungen sie zwingend und welche nur optional erfüllen muss und in welchen fotografischen Bereichen er sie einsetzen will.
In einem zweiten Schritt werden die verfügbaren Kameras am Anforderungsprofil gemessen und aussortiert. Hierbei sind Websites wie etwa Digitalkamera.de äusserst hilfreich, bieten sie doch umfassende Suchfunktionen über eine Marktübersicht mit sämtlichen bisher erschienenen und angekündigten Digitalkameras der meisten bekannten Hersteller.
Im letzten Schritt schliesslich wird aus den Fundstücken das zum Budget passende Modell ausgewählt - viele Hersteller bieten nämlich Kameras mit annähernd identischem Featureset, aber zu unterschiedlichen Preisen.
Wer mit dem Umstieg auf die digitale Fotografie liebäugelt, braucht deshalb sein analoges Equipment nicht gleich bei Ebay zu versteigern - im Gegenteil, gerade ambitionierte Amateure, die über eine umfangreiche (Spiegelreflex-)Ausrüstung verfügen, sich aber (noch) keine passende digitale SLR leisten wollen, tun gut daran, sich erst mal mit einer Kompakt-Digicam an die Möglichkeiten der digitalen Fotografie heranzutasten und nebenbei ihr analoges Gerät weiterzunutzen. Schliesslich können auch Negative und Dias problemlos für die Weiterbearbeitung per Software digitalisiert werden.
Geeignete Scanner für die Digitalisierung von Fotos gibt es von zahlreichen Herstellern. Im Prinzip reicht bereits ein günstiges Einsteiger-Modell, wenn man nur mit Papierbildern arbeitet und keine Wunder erwartet. Für den Versand per E-Mail, Webdesign oder den Druck in kleinen Formaten auf dem heimischen Tintenstrahler reicht ein solcher Scanner allemal.
Wirklich gute Ergebnisse lassen sich aber erst erzielen, wenn die Originaldaten direkt vom Negativ oder Dia gescannt werden. Dazu ist auf dem Flachbett-Scanner eine sogenannte Durchlichteinheit notwendig, die das Medium von oben beleuchtet, während die Bildinformationen von unten mit einer CCD-Zeile ausgelesen werden. Hochwertigere Geräte, darunter einige Modelle von Canon, Epson und Umax, kommen bereits mit einer integrierten Durchlichteinheit, bei anderen ist dieses Zubehör optional erhältlich.
Optimale Ergebnisse bei der Digitalisierung von Fotos sind mit speziell dafür entwickelten Filmscannern möglich. Bei diesen Geräten, etwa von Canon, Microtek, Minolta und Nikon angeboten, werden die Filme oder Dias mit speziellen Haltern in das Gerät eingeschoben. Dank spezialisierter Optik und CCD-Elemente erreichen diese Scanner eine höhere Auflösung und damit eine bessere Scanqualität als ihre Flachbett-Pendants.
Die meisten Filmscanner und mittlerweile auch einige Flachbett-Modelle erlauben eine automatische Korrektur von Farbstichen, Kratzern oder Staub auf den Vorlagen. Diese ICE- (Image Correction and Enhancement) oder FARE-Technologien (Film Automatic Retouching and Enhancement) sind vor allem dann praktisch, wenn viele Bilder in einem Zug oder eher schlechte Vorlagen gescannt werden sollen.
Eine praktische Option bieten schliesslich viele Fotolabore: Zusammen mit der Entwicklung und Vergrösserung seiner Bilder kann der Fotograf auf Wunsch gleichzeitig eine Foto-CD erstellen lassen. Der Aufpreis für diesen Service hält sich meist in Grenzen, und der Aufwand ist sicher kleiner, als wenn man eine grösser Zahl von Fotos selber digitalisiert.
Marktübersicht: 9 Fun-Kameras und 6 Prosumer-Kameras