In den vergangenen Wochen haben sich gleich zwei EU-nahe Institutionen im Kampf gegen Microsoft ins Rampenlicht gestellt: das Europäische Gericht erster Instanz in Luxemburg und das Brüsseler «Globalisation Institute». Ersteres hat die von der EU-Kommission bereits vor Jahren verhängte und mit zahlreichen Auflagen verknüpfte Strafe gegen Microsoft in der Höhe von fast einer halben Milliarde Euro bestätigt, letzteres fordert nichts weniger als die Betriebssystem-lose Auslieferung neuer Rechner, was ebenfalls ganz klar gegen Microsoft gerichtet ist.
Solche Forderungen sind durchaus legitim und mögen auf den ersten Blick sogar vernünftig aussehen. So argumentiert etwa die EU-Kommission seit Jahren, dass es im Verfahren gegen Microsoft keineswegs darum gehe, den Softwaremarkt von Brüssel aus zu regulieren, sondern den Benutzer entscheiden zu lassen, welches Produkt – Betriebssystem, Webbrowser, Mediaplayer, Office-System etc. – er das innovativste und beste findet. Der Markt soll bestimmen, was auf den Rechner kommt, und nicht ein einzelner marktbeherrschender Konzern.
Auch diese Argumentation klingt eigentlich ganz vernünftig – so vernünftig sogar, dass ihr das Gericht offenbar gerne gefolgt ist. Dennoch ist sie reichlich weltfremd.
Grundlage dafür, dass der Software-Markt so spielen könnte, wie die EU-Kommission es sich vorstellt, ist einerseits, dass genügend ebenbürtige Alternativen zur marktbeherrschenden Software vorhanden sind. Diese Bedingung ist heute erfüllt: Mit Linux und Mac OS X stehen durchaus brauchbare Alternativen zu Windows zur Verfügung, mit Opera und Firefox gibt es fähige Konkurrenten zum Internet Explorer, und Medienplayer gibt es ebenso wie Office-Suiten und andere Standard-Software zur Genüge. Der Anwender hat also durchaus die Wahl – wieso aber kann sich keine dieser Alternativen wirklich breitflächig durchsetzen?
Hier kommt die zweite Voraussetzung für die Vorstellung der EU-Kommission von der schönen neuen Software-Welt ins Spiel: Es braucht nämlich insbesondere auch Anwender, die mit der (vorhandenen) Auswahl umzugehen wissen. Und da liegt der Hund begraben: Solange die überwiegende Mehrheit der Computer-Anwender kaum in der Lage ist, ein Programm, geschweige denn ein Betriebssystem zu installieren und zu konfigurieren, müssen alle Versuche des Unbundlings zwangsläufig ins Leere laufen, sei es nun die Entkoppelung von Applikationen und Betriebssystem oder diejenige von Software und Hardware.
Folgt man der Argumentation von EU-Kommission und «Globalisation Institute», so müsste man sich konsequenterweise fragen, weshalb man nicht auch ein Auto modular kaufen kann: Karosserie von Renault, Motor von Ferrari, Kühlerfigur von Rolls Royce, Software Open Source etc. Geht natürlich nicht, und das aus gutem Grund. Schliesslich ist bei einem Automobil jede Komponente genauestens auf die andere abgestimmt, und erst die Summe ergibt das, was der Käufer will: ein sicheres, komfortables, einfach zu bedienendes System, das zwar letztlich von verschiedenen Zulieferern stammt, aber eben doch aus einer Hand kommt. Warum sollte dasselbe beim PC verboten sein?