Das Büro passt sich an

Das Grossraumbüro der Zukunft soll dank Hightech individuell und kollaborativ sein. Verlegte Papierdokumente findet der intelligente Drucker.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/21

     

Wer es einmal erlebt hat, weiss, dass Arbeiten im Grossraumbüro kein Zuckerschlecken ist. Grelle Standardbeleuchtung, ein ständiger (und meist viel zu hoher) Geräuschpegel, unbequeme Normschreibtische – eine Privatsphäre ist hier nicht vorgesehen, das gesamte Büro nimmt zwangsläufig am Berufs-, Privat- und Liebesleben jedes Mitarbeiters teil. Stellt man nach amerikanischem Vorbild spanische Wände zwischen die einzelnen Büroparzellen und kreiert so die berüchtigten «Cubicles», erhöht sich die Individualität der Kästen zwar auf Kaninchenstallniveau, die übrigen Probleme aber bleiben.
Der Weisheit letzter Schluss kann dies nicht sein, insbesondere, da es mittlerweile kein Geheimnis mehr ist, dass die Produktivität des Büroarbeiters klar mit seinem Wohlbefinden korreliert: je angenehmer die Arbeitsumgebung empfunden wird, desto höher und qualitativ besser wird auch der Arbeits-Output. Dennoch ist Wohlfühlen im Grossraumbüro für die meisten Mitarbeiter ein krasser Widerspruch.
Dies bedeutet nun nicht, dass man als Arbeitgeber die Arbeitsplätze im Grossraumbüro in Wellness-Oasen umbauen müsste – es ist ja schliesslich auch mehr als fraglich, ob die Produktivität und die Arbeitsmotivation im Whirlpool trotz hohem Wohlbefinden tatsächlich steigen würden. Vielmehr muss ein sinnvoller Kompromiss zwischen den Polen Funktionalität und Individualität sowie dem Ziel Produktivität gefunden werden – eine Aufgabe, der sich einige Forscher in den IBM-Labors in Hawthorne N.Y. und Rüschlikon gemeinsam mit dem amerikanischen Büromöbelhersteller Steelcase verschrieben haben.


Der intelligente Arbeitsplatz

Mit dem Projekt «BlueSpace» haben sich die Forscher das Ziel gesetzt, dem täglichen Blues im Büro den Garaus zu machen – ob im «Cubicle» im Grossraum- oder im Einzelbüro, spielt dabei nicht einmal eine Rolle, denn zahlreiche Probleme treffen heute auf beide Typen zu.
So definieren denn die IBM-Forscher ihren «BlueSpace» als Raumlösung, die mit verschiedenen in Büromöbel eingebauten Soft- und Hardware-Komponenten, Sensoren, Displays und kabellosen Netzwerken versehen ist. Damit soll die Produktivität des Büroarbeiters erhöht werden, indem unerwünschte Störungen verhindert, die Kommunikation zwischen Teammitgliedern verbessert und der individuelle Komfort durch persönliche Einstellungen von Umgebungsvariablen gesteigert werden.
In der Praxis kann man sich das so vorstellen: Der quasi normale Schreibtischarbeitsplatz wird ergänzt um einen zweiten Monitor mit Touchscreen, einen Beamer mit Spiegel und Sensoren, dimmbare Lampen mit verschiedenen Farben, Statuslichter und Sensoren im Bürostuhl. Dazu kommen Temperaturfühler und eine Klimaanlage. Das alles wird kabellos vernetzt und per Software gesteuert.





Im Ruhezustand wird «BlueSpace» von einer blauen Lampe leicht beleuchtet, die zusammen mit einem Statuslicht am Eingang zum Büro von weitem sichtbar anzeigt, dass der Arbeitsplatz nicht besetzt ist. Ein Display oberhalb der Statusanzeige zeigt ausserdem Informationen über den Mitarbeiter an, beispielsweise, welche Aufgaben er hat und wann er wieder zurückerwartet wird. Sobald der Bürobesitzer an seinen Arbeitsplatz kommt, wird dies vom intelligenten Büro per RFID-Tag bemerkt: Es schaltet automatisch auf Betrieb, ändert die Statusanzeige und die Beleuchtung, schaltet die Monitore ein und projiziert ein persönlich wählbares Bild an die Wand, um das Büro individuell zu gestalten. Ausserdem werden Temperatur und Beleuchtungshelligkeit an die voreingestellten Wünsche des Mitarbeiters angepasst.
Je nachdem, ob der Angestellte für seine Arbeit nun Ruhe braucht oder ob er für Gespräche zur Verfügung steht, kann er per Touchscreen seinen Status anpassen. Taucht unerwartet der Chef auf, wird dieser wiederum per RFID von weitem erkannt – der Wandschmuck weicht beispielsweise einer E-Mail oder einer Excel-Tabelle.






Gleichzeitig dient das Büro auch als Meetingraum. Die Monitore und Büromöbel lassen sich dazu beliebig verschieben und umplazieren, um der Arbeitsgruppe genügend Platz und Einsicht auf den Bildschirm zu geben. Alternativ lässt sich die Anzeige per Beamer auf jede beliebige Fläche werfen – und dank der Sensoren, die im Projektor integriert sind, können sogar Handbewegungen erkannt und die Anzeige entsprechend verändert werden. So ist es etwa möglich, während einer Konferenz interaktiv ein Wort in einem Dokument zu unterstreichen, indem man mit dem Finger eine Linie unter das an die Wand projizierte Wort malt. Oder man tippt mit dem Finger auf das E-Mail-Symbol, das auf den Schreibtisch gebeamt wird, und schon wird die Mail auf dem Tisch, der Wand oder dem Monitor angezeigt.





Die von IBM entwickelte Software unterstützt ebenfalls die Zusammenarbeit im Team. So wird beispielsweise auf dem Touch-Monitor, dem sogenannten «BlueScreen», angezeigt, ob die Kollegen am Arbeitsplatz verfügbar oder abwesend sind oder ob sie zwar anwesend sind, aber nicht gestört werden wollen. Unerwünschte Störungen, aber auch die sinnlose Suche nach abwesenden Kollegen können dadurch entfallen. Ausserdem bietet die «MyTeam»-Anwendung «One-Touch-Communication»: Per Fingertip auf den Touchscreen wird sofort der bevorzugte Kommunikationskanal geöffnet, sei dies nun das Telefon, E-Mail oder Instant Messaging.
Mit diesem Füllhorn an Technologien, die für sich allein genommen oft spielerisch wirken, versucht IBM, den Ansprüchen an heutige und künftige Arbeitsplätze gerecht zu werden, indem die technischen Möglichkeiten mit den Wünschen der Anwender verknüpft werden.


Der Traum vom papierlosen Büro ist ausgeträumt

Weniger mit der Arbeitsumgebung als vielmehr mit dem Arbeitsmaterial beschäftigen sich die Forscher der Xerox Research Centre in Grenoble und Palo Alto. So sind die Experten beispielsweise überzeugt, dass das papierlose Büro, das nun schon seit Jahrzehnten durch die Zukunftsträume vieler geistert, eine Illusion bleiben wird. Eine aktuelle Studie zeigt, dass jährlich rund 7,5 Milliarden geschäftliche Dokumente produziert werden – auch wenn elektronische Dokumente im XML-, PDF- oder anderen Formaten einen zunehmenden Anteil besetzen, wird gleichzeitig auch eine Menge ausgedruckt, Tendenz ebenfalls steigend. Aus derselben Studie geht auch hervor, dass 60 bis 80 Prozent der Schreibtischarbeiter kaum oder nicht mehr in der Lage sind, in der Menge des Papiers die relevanten Dokumente auch nur zu finden, geschweige denn, Kopien oder veränderte Versionen mit den Originalen zu verknüpfen.





Die Xerox-Forscher sehen hier einen Ansatzpunkt für intelligentere Dokument- und Content-Management-Systeme. Mit verbesserten Routinen für Suche, Filterung, Kategorisierung, Umwandlung und Anzeige sollen diese in der Lage sein, den Umgang mit Dokumenten zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. «Dumme» Geräte wie Drucker, Scanner und Multifunktionsgeräte, wie sie zu Tausenden in Büros herumstehen, sollen im Zusammenspiel mit Softwarelösungen zu Informationsportalen werden.






Xerox hat bereits eine ganze Reihe von Softwareservices vorgestellt, die auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Unter diesen neuen Technologien finden sich der CopyFinder und der Categorizer.
CopyFinder dient dazu, automatisch digitale Kopien (oder Originale) aufgrund von Papierdokumenten zu finden, beispielsweise, um unvollständige Papiere zu ergänzen, Veränderungen aufzuspüren oder vergleichbare Unterlagen zu finden. Die zugrundeliegende Technik ist eigentlich recht simpel: Das vollständig oder teilweise erhaltene Papierdokument wird gescannt und danach per OCR-Software «gelesen». Eine weitere Softwarekomponente sucht nun aufgrund von Schlüsselwörtern und -sätzen im gesamten Dokumentenbestand nach gleichen oder ähnlichen Dokumenten, die darauf weiterbearbeitet oder gedruckt werden können.





Der Categorizer sorgt dafür, dass elektronische Dokumente schnell wieder aufgefunden werden können – basierend auf den Tatsachen, dass schlecht verschlagwortete Dokumente oft innert kürzester Zeit zu Datei-Leichen mutieren und gemäss Untersuchungen bis zu dreissig Prozent der gesamten Arbeitszeit draufgehen, um in Repositories abgelegte Dokumente wieder zu finden. Das Tool basiert auf linguistischen Analyse-Methoden und besteht aus einem Trainingsmodul sowie einem Kategorisierungsmodul. Ersteres versucht, aufgrund einer Sammlung von bereits kategorisierten Dokumenten Modelle für künftige Texte zu finden, während das Kategorisierungsmodul diese Modelle anwendet, um das Archiv mit vernünftigen Kategorien zu versehen.



So funktionieren Glossmarks


Papier mit Intelligenz

Auf einer anderen Forschungsschiene versuchen die Xerox-Erfinder, die Fälschungssicherheit von Dokumenten zu erhöhen. In Zeiten von Scannern, Druckern und Bildbearbeitungssoftware ist es ein Kinderspiel, Dokumente zu verändern und zu reproduzieren. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, die Authentizität eines Originals zu beweisen.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist die Glossmark-Technologie. Diese Markierung, die für den Betrachter wie ein im Dokument integriertes Hologramm aussieht, ist normalerweise unsichtbar und kann nur unter einem bestimmten Lichtwinkel zum Vorschein gebracht werden. Entsprechend lässt sich die Markierung auch weder durch Scannen noch durch Kopieren reproduzieren.






Im Gegensatz zu Hologrammen und ähnlichen Sicherheitstechnologien wie Laminaten ist die Herstellung eines Glossmarks deutlich simpler: Es wird schlicht zusammen mit dem Text aufs Papier aufgedruckt. Allerdings geschieht dies nach einem speziellen Verfahren, das Halbtöne, Papier, Toner und das abschliessende Fusing umfasst.
Noch einen Schritt weiter wird man mit dem sogenannten «Smart Paper» gehen. Dieses Material ist ähnlich flexibel wie Papier und wird mit «Intelligenz» ausgerüstet, indem darin elektronische Bauteile eingebaut werden. Es ist in der Lage, mit Hilfe von zweifarbigen Kügelchen Text und schwarzweisse Bilder anzuzeigen. Als künftige Anwendungen für das «Smart Paper» sieht Xerox beispielsweise flüchtige Dokumente, aktive Schreibtischunterlagen und elektronische Zeitungen – erste Prototypen wurden bereits vorgestellt.




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