Editorial

Lieber spät als nie: digitale ID vom Bund

E-Government bleibt vorläufig ein Luftschloss, und am Zoll kann man sich weiterhin mit der guten alten ID und dem roten Pass ausweisen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/26

     

Kaum einen Monat ist es her, dass wir unsere Leser gefragt haben, welche Möglichkeiten des E-Government sie am meisten zu schätzen wüssten. Das Resultat überraschte: Über 70 Prozent der Umfrageteilnehmer würden demnach am liebsten sämtliche Behördenkontakte online erledigen, nur gerade für 7 Prozent ist das Internet für derartige Aufgaben zu unsicher.



Als wir die Frage stellten, stand sie allerdings im leeren Raum: Das Schlagwort E-Government war zwar schon seit einiger Zeit in aller Munde, die Hürden vor brauchbaren Lösungen schienen (und scheinen) aber gar hoch. Konkrete Projekte gab (und gibt) es zwar in verschiedenen Stadien der Fortgeschrittenheit - ausgereift ist aber noch keines. Und nach dem Aus von Swisskey fehlte insbesondere eine schweizerische Zertifizierstelle. Jetzt allerdings macht ausgerechnet der Bundesrat vorwärts: Wie vergangene Woche beschlossen wurde, will man in Bern eine neue ID entwickeln, die sich insbesondere durch einen integrierten Chip auszeichnen wird. Darauf soll eine digitale Signatur gespeichert werden, die den Zugang zu verschiedenen derzeit laufenden E-Government-Projekten auf nationaler und kantonaler Ebene sicherstellen soll.




Für die Projektierung der neuen ID stützt sich Bundesbern auf verschiedene Vorbilder: Zum einen wird die digitale Unterschrift in diversen Pilotprojekten innerhalb der Verwaltung bereits getestet, zum anderen beobachtet man gespannt die Entwicklung und Einführung entsprechender Systeme im hohen Norden: Finnland und Estland beispielsweise sammeln bereits Erfahrungen mit staatlich ausgegebenen digitalen Zertifikaten.



Allzubald allerdings dürfte der Bürger seine Behördengänge noch nicht durch Surftouren ersetzen können. Auch wenn noch in diesem Jahr ein Datensatz bestimmt werden soll, über den jeder Schweizer und jede Schweizerin eindeutig identifiziert werden kann - bekanntlich dauert in der Schweiz alles ein wenig länger. Bis heute etwa ist erst ein Teil der Bevölkerung auf die neue Identitätskarte umgestiegen, die vor rund acht Jahren eingeführt worden ist. Und schon bald steht die Auslieferung des neuen Passes an, der durch die jüngsten Anforderungen der Amerikaner (biometrische Merkmale) schon vor seiner Einführung wieder obsolet geworden ist. Dann folgt die digitale ID, dann die nächste Version des neuen Passes. Ob der behäbige Schweizer diesen steten Wechsel der persönlichen Dokumente mitmachen wird?



Das kümmert in diesem Sommer noch keinen. E-Government bleibt vorläufig ein Luftschloss, und am Zoll kann man sich weiterhin mit der guten alten ID und dem roten Pass ausweisen. Auch in diesen Ferien.




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