Editorial

Digicam-Fabrikanten aufgepasst: Hier lernen Sie was!

In der IT-Branche scheint sich die Binsenwahrheit "nur ein zufriedener Kunde ist ein Kunde, der wiederkommt" noch nicht herumgesprochen zu haben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/21

     

Wissen Sie, warum selbst die schmierigsten Gebrauchtwagenhändler ihre Fahrzeuge nur mit gefülltem Tank an den Käufer übergeben? Weil sich der Betrag für die Tankfüllung relativ leicht im entsprechend erhöhten Verkaufspreis verstecken lässt. Und weil sich in der Branche herumgesprochen hat, dass ein Kunde zufriedener ist, wenn er mit seinem neuerstandenen Wagen weiter als bloss bis zur nächsten Tankstelle fahren kann. Nur ein zufriedener Kunde ist ein Kunde, der wiederkommt.



In der IT-Branche hat sich diese Binsenwahrheit offenbar noch nicht herumgesprochen:





• Es ist gang und gäbe, dass sich in der Schachtel des eben gekauften CD-Brenners nur gerade ein einziger Rohling zum Testen befindet. Wer mehr brennen will, muss zuerst einkaufen gehen.




• Nach wie vor wird kaum ein Tintenstrahldrucker mitsamt Kabel für den Anschluss an den PC verkauft. Wer nicht schon im Laden an diese separat zu erwerbende Notwendigkeit denkt, druckt zuhause vorläufig keine Zeile.



Besonders stossend ist das Verhalten allerdings in der Digitalkamera-Branche: Da werden - zugegebenermassen hervorragende - Kameras zu Preisen deutlich über 2000 Franken verkauft, aber mitgeliefert wird ein lächerlich kleiner Minimalstspeicher mit gerade mal 16 MB Kapazität.



Als Kunde kommt man sich nicht wirklich ernstgenommen vor, wenn man mit der eben ausgepackten Kamera nicht mehr als 4 Bilder in sehr guter Qualität speichern kann. Das reicht noch nicht mal zum Testen.



Wirklich krass ist es bei Sony: In der Bedienungsanleitung zur Cybershot DSC-F707 darf der glückliche Besitzer der Kamera nachlesen, dass im hochqualitativen, unkomprimierten TIFF-Format - ich zitiere - "approx. 0", also ungefähr gar kein Bild auf den mitgelieferten MemoryStick passt. Bleibt der Kunde auch nach der Lektüre glücklich?



Für Sony, den grossen MemoryStick-Fabrikanten, geht die Rechnung dagegen mit Bestimmtheit auf: Wer das teure Flaggschiff aus der hauseigenen Digicam-Kollektion ersteht, will meist auch dessen beste Bildqualität nutzen - und kauft zwangsläufig zusätzliche, grössere Memorysticks. Und das erst noch zu überhöhten Preisen.



Warum andere Hersteller, die mit CompactFlash- oder SmartMedia-Cards von Drittanbietern arbeiten, nicht grössere Speicher liefern und die Kosten in den Endpreis einrechnen, bleibt ebenfalls unklar. Natürlich wollen sie konkurrenzfähig bleiben und ihre Kameras so günstig wie möglich anbieten. Aber ob beim Speicher wirklich am richtigen Ende gespart wird?



Irgendwann merkt auch der Kunde, dass er mit den mitgelieferten Mickerkärtchen für dumm verkauft wird. Dann wendet er sich mit Vorteil an die löblichen Ausnahmen: Casio zum Beispiel bietet seine Spitzenkameras seit längerem im Bundle mit IBMs MicroDrive an, und auch Canon hat bisweilen entsprechende Angebote im Sortiment.



Und eines fernen Tages spricht sich vielleicht auch in der Digicam-Branche herum, dass nur zufriedene Kunden markentreu sind - und es auch bleiben.




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