Editorial

Google 2.0: Mittendrin


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/18

     

Was hat Google nicht schon alles unter- und übernommen, um endlich mit den Grossen der Web-2.0-Community-Szene mitspielen zu dürfen: Die Blog-Plattform Blogger.com gekauft, die Community Orkut und Google Video entwickelt, viele erfolgreiche Ideen abgekupfert und einige mehr oder weniger patente Ideen noch in der Hinterhand geklappt hat letztlich alles nicht. Den wirklich grossen Communities des Web 2.0 MySpace, Flickr und YouTube ist der Marktführer der Suchmaschinen, der sich gern als Vorreiter und eigentlicher Treiber des Web 2.0 sieht, bisher nur hinterhergelaufen. Wirklich gefährlich wurde er ihnen allen Anstrengungen zum Trotz nicht.

Das ändert sich nun: Mit dem Kauf von YouTube wird Google auf einen Schlag zum Marktführer bei den Video-Communities und zu einem gewichtigen Player bei den Web-2.0-Communities generell. Und nicht zu unterschätzen quasi durch die Hintertür sichert sich Google durch den Deal eine starke Position im Geschäft für Internet-TV. Video und TV werden von zahlreichen Analysten als künftiges zentrales Internetangebot bewertet. Und siehe da: Kaum wurde die Übernahme bekannt, geht News Corp., die Company hinter MySpace, in die Offensive und will die bestehenden Beziehungen zu Google ausweiten noch vor wenigen Monaten musste Google in umgekehrter Richtung katzbuckeln, um überhaupt zu einem Werbe-Deal zu kommen.




Dennoch handelt es sich bei der YouTube-Übernahme um Googles bisher teuersten und mit Abstand risikoreichsten Deal. 1,65 Milliarden Dollar liess sich der Suchmaschinen-Primus die Akquisition kosten ein astronomischer Preis für ein Start-up, das erst seit 19 Monaten existiert und das bisher noch nicht einmal Geld verdient. Da werden nicht nur bei vorsichtigen Naturen Erinnerungen an die Dotcom-Blase wach.

Allerdings ist anzunehmen, dass sich mit YouTube dank Googles Advertising-Know-how und mit noch zu entwickelnden neuen Geschäftsmodellen dereinst durchaus der grosse finanzielle Reibach machen lässt, der die hohe Investition mehr als wieder einspielt. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, in einigen Jahren würde man sich wundern, dass YouTube für so wenig Geld übernommen werden konnte.



Vorerst aber muss sich Google noch um einige andere Baustellen kümmern. Das grösste Problem bei YouTube, die Urheberrechte der von Surfern veröffentlichten Clips, ist nach wie vor ungelöst. Da hilft es wenig, wenn man sich mit grossen amerikanischen Fernseh-Netzwerken wie CBS oder den bekannten Plattenlabeln über die Verwendung von Musikvideos geeinigt hat, wie kurz nach der Bekanntgabe der Übernahme verkündet wurde. Die Millionen von illegalen Fernseh- und Film-Mitschnitten, die auf YouTube veröffentlicht werden, sind davon nämlich nicht betroffen. Vor diesem Hintergrund hat der Branchenpionier Mark Cuban, Mitgründer von Broadcast.com, unlängst an einer Konferenz verlauten lassen, nur «ein Idiot» würde YouTube kaufen.

Dass sie in Cubans Augen Idioten sind, dürfte die Googler allerdings derzeit wenig stören. Denn sie
sind nun endlich auch bei den Web-2.0-Communities da, wo sie schon immer sein wollten: Mittendrin statt nur dabei.




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