Bluetooth: Eine Lösung sucht nach ihrem Problem
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/29
Bluetooth ist cool. Die geplanten Anwendungen besitzen den Science-Fiction-Touch, der aus einer interessanten Technologie Must-have-Gadgets machen kann.
Bluetooth ist aber auch ein Flop. Die Entwicklung des Standards ist seit Jahren im Gange, abgeschlossen ist sie bis heute nicht. 1999 wurden auf der Comdex Prototypen vorgestellt, 2001 stand die Cebit im Zeichen von Bluetooth, verfügbar ist nach wie vor wenig (vgl. S. 22). Erinnern Sie sich an WAP? Da war der Hype vorbei, als die ersten Geräte verfügbar wurden.
Bluetooth hat ein Problem. Oder gleich mehrere, um genau zu sein. Da ist einmal die Tatsache, dass viele Leute denken, Bluetooth sei so was ähnliches wie ein Wireless LAN. Das ist nicht so falsch, schliesslich benutzen beide Technologien denselben Funkbereich, und auch mit Bluetooth lässt sich ein Netzwerk aufbauen. Allerdings kann Bluetooth (zumindest auf dem Papier) noch einiges mehr, während der Einsatzbereich eines WLAN aufs Netzwerk beschränkt ist. Verschärft wird das Bluetooth-Imageproblem dadurch, dass WLANs eine grosse Verbreitung haben und kein Mensch daran denkt, sein funktionierendes System durch etwas zu ersetzen, das seiner Meinung nach dasselbe kann, aber mit weniger Reichweite und schlechterer Performance.
Nicht zuletzt aus diesem Grund wird sich Bluetooth nur langsam verbreiten. Die Early Adopters werden sich fühlen wie der erste Mensch, der ein Telefon besass: Zwar hatte er nun diesen tollen Apparat, aber wen sollte er damit anrufen? Mit der Bluetooth-Karte im Notebook benötigen Sie kein Kabel, um auf einen Bluetooth-Printer zu drucken - aber der ist noch nicht erhältlich. Und Sie können Daten von Ihrem Notebook kabellos zu einem anderen User mit Bluetooth-PDA übertragen. Wenn Sie einen finden! Bis Bluetooth genügend weit verbreitet ist, um sinnvoll genutzt zu werden, dürfte es noch einige Zeit dauern.
Überhaupt gibt es für Bluetooth bisher keinen Markt. Eine aktuelle Frost&Sullivan-Studie zeigt, dass nur drei von weltweit 120 befragten Firmen Bluetooth einsetzen würden. Ähnlich sieht es bei den Heimanwendern aus: Wirklich auf Bluetooth gewartet hat niemand. Auch wenn gewisse Analysten gigantische Zahlen errechnen und einige Einsatzszenarien durchaus spannend klingen - wem nützt eine Technologie, die (fast) alles kann, aber erst irgendwann in unbestimmter Zukunft? Und wollen das die Kunden? Nicht selten wird Bluetooth eine Lösung für ein Problem genannt, das es gar nie gab.
Dazu kommt: Eine Killeranwendung für Bluetooth ist derzeit nicht in Sicht. Schnurlos telefonieren? Kann sowohl mein Handy als auch mein Festnetztelefon. Synchronisation von Daten zwischen PDA und PC? Schafft die Docking Station mit links, und das Kabel unter dem Tisch stört nicht. Kabellos Visitenkarten austauschen? Schön, aber das funktioniert mit gedruckten Kärtchen ebensogut.
Und das ist der Punkt: Mit Bluetooth kann man nichts tun, was man nicht bereits tun kann. Im besten Fall geht es mit Bluetooth ein wenig komfortabler. Ob das reicht?
Und dann ist Bluetooth auch noch teuer. Einfache PC-Cards kosten um die 300 Franken, andere Geräte mit Bluetooth-Unterstützung sind ähnlich viel teurer. Und das ist dann doch ein bisschen zuviel, wenn es nur darum geht, simple Kabel zu ersetzen.