Editorial

Google gegen Goliath


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/09

     

Microsoft könnte einem fast leid tun. Was immer die Mannen von Bill Gates und Steve Ballmer in letzter Zeit machen, flugs taucht einer auf, dem’s nicht passt. Neu ist das nun ja beileibe nicht – seit den Prozessen Ende der 90er-Jahre, in denen Microsoft des Missbrauchs seiner Marktstellung und damit der Verdrängung von Netscape schuldig gesprochen wurde, werden andauernd neue Anti-Trust-Verfahren angestrengt.







Und jetzt kommt Google und springt auf den fahrenden Zug. Vergangene Woche wurde der Suchmaschinenprimus beim amerikanischen Justizministerium und der EU-Kommission vorstellig und hat sich bitterlich darüber beklagt, dass im kommenden Internet Explorer 7 ein Sucheingabefeld enthalten sei, das standardmässig alle Suchanfragen an Microsofts Suchmaschine weitergebe. Damit nütze Microsoft einmal mehr sein Monopol bei Windows und seine noch immer bestehende Marktführerschaft mit Internet Explorer aus. Wie Googles Vize-Chefin Marissa Mayer erklärte, habe Microsoft kein Recht, «die MSN-Suche per Voreinstellung als Standard einzustellen». Google habe wegen Wettbewerbsverletzung Gespräche aufgenommen und behalte sich weitere Schritte vor. Ein Kampf geradezu biblischen Ausmasses steht an, «David» Google gegen Goliath Microsoft.






Google glänzt dabei aber vor allem durch seine beispiellose Scheinheiligkeit. Denn anders als in früheren Verfahren stünde Microsoft in diesem Fall nicht als Marktführer und Monopolist auf der Anklagebank. Im Gegenteil, laut aktuellen Studien beherrscht Google den Suchmarkt mit einem Anteil von knapp 50 Prozent, während Yahoo auf gut 30 Prozent kommt und MSN auf nicht einmal 15 Prozent – und bloss Google konnte in jüngster Zeit an Marktanteilen zulegen. Kommt dazu, dass der inkriminierte Internet Explorer in letzter Zeit stetig an Marktanteilen verliert, während Browser-Alternativen kontinuierlich zulegen.




Und in genau diesen Alternativ-Browsern – Firefox, Opera, Safari – ist Google als Standard für die Sucheingabefelder eingestellt. Daran hat sich der Suchriese bisher nie gestört. Ebensowenig daran, dass diese Standardeinstellungen teils nur sehr schwer geändert werden können. Beim Internet Explorer 7 seien dazu bloss rund ein Drittel der Anwender in der Lage, moniert Google aufgrund einer eigens in Auftrag gegebenen Studie. Dabei benötigt man beim Microsoft-Browser gerade mal vier Klicks, um die Vorgabe zu ändern, während beispielsweise bei Safari ein Systemfile editiert werden muss. Unklar bleibt auch, weshalb sich Google gerade jetzt zu beklagen beginnt. Denn der Internet Explorer 6 leitet schon seit Jahren alle Suchanfragen standardmässig an MSN weiter – wenn auch nicht über ein dediziertes Sucheingabefeld.






Google tut derzeit alles, um Microsoft zu schaden. Man zahlt AOL viel Geld, um weiterhin erste Suchmaschine des Dienstes zu sein. Man macht massiv Werbung für Firefox. Und man beteiligt sich über AdSense am ExplorerDestroyer-Projekt, das IE-Anwender mit Gewalt zu einem Browserwechsel zwingen will. Immerhin, für Google geht es um nicht weniger als seinen Anteil an einem potentiell 10 Milliarden Dollar schweren Werbemarkt. Da darf man schon mal seine Firmengrundsätze vergessen und dem in weiten Kreisen als «böse» verschrieenen grossen Konkurrenten wenigstens in dieser Hinsicht näherkommen.




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