Internet Explorer rückt wieder auf
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/04
Unzufriedene Anwender, unzählige Sicherheitslöcher und zuletzt immer schneller sinkende Marktanteile: Es war höchste Zeit für Microsofts Internet-Explorer-Team, nach langen Jahren des «dolce far niente» wieder an die Arbeit zu gehen und ein Update vorzulegen. Nach einem eher unauffälligen Release, der mit dem Windows XP Service Pack 2 unter die Leute gebracht wurde, fast ausschliesslich aus Sicherheitsfeatures bestand und immer noch unter der Versionsnummer 6 lief, steht nun der Internet Explorer 7 an. Mit der neuen Version verfolgt Microsoft drei Ziele: Erstens soll die Sicherheit erheblich verbessert werden, zweitens muss der Browser aber auch in Sachen Features und Bedienkomfort mit Konkurrenten wie Opera, Safari und insbesondere Firefox zumindest gleichziehen. Und nicht zuletzt soll auch die Standardkonformität gesteigert werden. Ursprünglich war Internet Explorer 7 nur für Windows Vista geplant, das im zweiten Halbjahr 2006 erwartet wird. Schon bald wurde aber bekannt, dass auch eine Version für Windows XP SP 2 auf den Markt kommen wird. Wir haben uns die Beta 2 Preview von Ende Januar genauer angesehen.
Die auffälligste Neuerung am Microsoft-Browser ist wohl die überarbeitete Oberfläche, die dem Anwender einiges an Gewöhnung abverlangt. Die altbekannte Menüleiste ist verschwunden (lässt sich aber optional wieder einschalten), die Buttons wurden neu arrangiert und passen sich teils dynamisch dem Betriebsmodus an. Oben links neben der Adressleiste finden sich nun die Vor- und Zurück-Buttons, auf der rechten Seite gibt es die Refresh- und Stop-Buttons sowie eine neue Box für Suchaufträge, wie man sie von Firefox kennt. Darunter sind links die Buttons für das Favoriten-Menü und das Tabbed Browsing arrangiert, rechts neben den Tabs finden sich schliesslich Ausklapp-Menüs für die Homepage, RSS-Feeds, Druckaufträge sowie die weitere Browserbedienung und
-anpassung. Hier sind auch die Sicherheitsoptionen untergebracht.
Die durcheinandergewürfelten Bedienelemente stellen den Anwender zunächst vor Probleme, klickt man doch nicht selten aus Gewohnheit auf den falschen Button. Hat man sich erst daran gewöhnt, ist die Anordnung der Elemente aber durchaus sinnvoll.
Ausserdem wurde hier die Funktionalität erweitert. So verfügt der Internet Explorer 7 zwar weiterhin über das «Text Size»-Feature, mit dem sich die Schrift im Browserfenster vergrössern oder verkleinern lässt. Ergänzend dazu wurde jetzt allerdings auch ein echtes Zoom-Feature eingebaut, mit dem sich der komplette Seiteninhalt mitsamt Bildern auf bis zu 10 Prozent verkleinern oder 1000 Prozent vergrössern lässt.
Ein echtes Killerfeature hat Microsoft mit der erweiterten Druckfunktionalität geschaffen. Ähnlich wie bei Firefox lässt sich hier in der Druckvorschau dynamisch zwischen Hoch- und Querformat wechseln und der Vergrösserungslevel einstellen. Zusätzlich bietet der Internet Explorer aber einen Button für das Ein- und Ausblenden von Seitenheader und -footer sowie – besonders praktisch – eine Möglichkeit, die Seitenränder manuell mit Slidern anzupassen. Die Zeiten der unvollständig und am Rand beschnittenen Webseitenausdrucke sind damit wohl endgültig vorbei.
Wer einmal mit Tabs gesurft hat, mag dieses wirklich praktische Feature kaum mehr missen. Mit Internet Explorer 7 hat es nun endlich auch Microsoft geschafft, diese Funktion, die sämtliche Konkurrenten schon seit langem bieten, zu integrieren. Und das ganze funktioniert, wie man es aus anderen Browsern kennt. Tabs lassen sich ausserdem als Gruppen zu den Favoriten hinzufügen, und auch als Homepage lässt sich ein solches Tabset problemlos festlegen. Damit ähnelt die Funktionalität des Tabbed Browsing in Internet Explorer 7 derjenigen von Firefox – Microsoft geht aber auch hier noch einen Schritt weiter.
Sobald nämlich mehr als ein Tab geöffnet ist, erscheint ein zusätzlicher Button in der Menüleiste. Klickt man auf diesen Quick-Tabs-Button, werden sämtliche geöffneten Tabs in verkleinerter Form im Fenster angezeigt und lassen sich hier verwalten. Ausserdem verfügt in Internet Explorer 7 jeder Tab über einen eigenen Close-Button, was sich intuitiver bedienen lässt als die Firefox-Lösung mit einem Button für alle Tabs.
Gut gelöst hat Microsoft auch die Integration von RSS-Feeds in den Browser. Bietet eine Seite derartige Feeds an, wird der RSS-Button in Internet Explorer aktiv. Über dieses Bedienelement lassen sich die Headlines in verschiedenen Ansichten (RSS, Atom, RDF) anzeigen, in denen man wiederum den Feed abonnieren, sortieren oder filtern kann. Abonnierte Feeds werden in einem speziellen Favoriten-Ordner aufgelistet, wo auch erweiterte Optionen etwa für die Häufigkeit der automatischen Aktualisierung oder die Anzahl gespeicherter Schlagzeilen zu finden sind. Im Alltag ist diese Art der RSS-Integration ganz praktisch, allerdings kommt Microsoft mit dieser Lösung nicht ganz an
die dynamischen Bookmarks
von Firefox heran, die einem
die Headlines der abonnierten
Feeds bereits im Favoriten-Menü
präsentieren.
Ein besonderes Augenmerk hat Microsoft auf die Sicherheit gelegt. Das war auch dringend nötig, ist doch Internet Explorer 6 eine der unsichersten Komponenten von Windows und das Haupteinfallstor für Angriffe. Mit Internet Explorer 7 adressiert Microsoft diese Probleme auf breiter Ebene.
Eines der neuen Features in diesem Bereich ist der Phishing-Filter. Dieser verfärbt die Adresszeile gelb, wenn eine aufgerufene Site des Phishings verdächtigt wird, angezeigt wird sie aber dennoch. Über ein Icon lässt sich eine Erklärung aufrufen, weshalb die Site als suspekt behandelt wird, ausserdem lässt sie sich hier dem zentralen Microsoft Anti-Phishing-Server melden. Eine aufgerufene Site, die darin bereits verzeichnet und damit als Phishing-Site bekannt ist, wird überhaupt nicht angezeigt; statt dessen erscheint eine spezielle Informationswebsite und verfärbt sich die Adresszeile rot. Auch hier lässt sich eine Begründung abrufen.
Dem persönlichen Datenschutz dient Microsoft mit dem Tool «Delete Browsing History». Dieses erlaubt die schnelle und individuelle Löschung von Cache, Cookies, History, Formulardaten, Passwörtern und ähnlichem.
Weitere Sicherheitsfeatures betreffen etwa einen Mechanismus, der gegen IDN-Spoofing hilft, und die Unterstützung für sogenannte «High Assurance Certificates», die eine höhere Sicherheit als die potentiell unsicheren SSL-Zertifikate bringen sollen. Ausserdem zeigt der Internet Explorer prinzipiell in jedem Fenster (auch in Pop-ups) eine Adresszeile an und bringt eine Funktion namens ActiveX Opt-in, die bösartige Controls von der Infektion des Systems abhalten soll.
Ausschliesslich in der Version für Windows Vista wird der sogenannte «Protected Mode» verfügbar sein. In diesem speziellen Modus läuft der Internet Explorer mit äusserst eingeschränkten Rechten in einer Sandbox, was es Hackern verunmöglichen soll, ihn als Einfallstor zu nutzen.
Microsoft scheint mit dem Internet Explorer 7 die Sicherheitshausaufgaben gemacht zu haben. Der Browser ist gegen zahlreiche aktuelle und künftige Gefahren gewappnet. Ob die Massnahmen auch tatsächlich halten, was sie versprechen, wird sich allerdings erst über die Zeit zeigen.
Was den Bedienkomfort und den Featurereichtum angeht, hat Microsoft einen gewaltigen Schritt gemacht und mit seinen Konkurrenten gleichgezogen oder sie sogar überrundet. Auf dem Massenmarkt, den Microsoft anpeilt, wird man damit sicher Erfolg haben. Ob die an Firefox und Opera verlorenen Marktanteile jedoch zurückgeholt werden können, ist ungewiss: Schliesslich entwickeln sich auch diese weiter, und gerade Firefox dürfte mit seiner immensen Anpassungsfähigkeit durch Plug-ins viele Anwender weiterhin überzeugen.
Zum Schluss ein Wort zur Standardkonformität: Auch hier hat Microsoft einige Anstrengungen unternommen, um den Browser endlich up-to-date zu bringen. So werden nun PNG-Transparenzen unterstützt, und die Unterstützung für AJAX wurde verbessert. Für Web-Entwickler am wichtigsten sind allerdings die Anpassungen an den CSS2-Standard, die einen grossen Teil der bisherigen Bugs ausgemerzt haben. Ob die Entwickler-Gemeinde darüber begeistert sein wird, steht auf einem anderen Blatt – schliesslich müssen nun sämtliche mit den bisher nötigen Workarounds versehenen CSS-Scripts angepasst werden.