Editorial

Das kurze Gedächtnis der Hype-Grossmäuler


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/19

     

Ein bisschen Google-Boom, und schon dreht sich die Spirale wieder, als wäre die Dotcom-Blase nie geplatzt: eBay blättert horrende 2,6 Milliarden Dollar für den VoIP-Client Skype mit seinen rund 5 Millionen aktiven Usern auf den Tisch, AOL mutiert wegen seinem Portal und seinen etwa 50 Millionen Instant-Messenger-Usern flugs vom verstossenen Schmuddelkind zur heiss umworbenen Prinzessin (Seite 7), und das Internet wird mit der sogenannten Version 2.0 (Seite 16) worthülsenreich wie ehedem auf eine angeblich neue und höhere Ebene gehoben.




Social Software heisst der neue Schlauch für den noch nicht einmal fünf Jahre eingekellerten E-Bubble-Wein. Und es sind meist altbekannte «Visionäre» aus dem Umfeld des Internet-Hype-Magazins «Wired», die ihn uns schmackhaft machen wollen. Gepredigt wird einmal mehr eine konfuse Mischung aus Gesellschaftsidealismus und wundervoller Kunden- und damit Geldvermehrung per WWW. Mit Blogs und Wikis sowie Sharing- und Self-Publishing-Plattformen soll die geballte Macht des ganzen Internet für alle verfügbar und damit auch für jeden wirtschaftlich verwertbar werden.







Und auch die Verführung der Unternehmen folgt einem ähnlichen Muster wie anno dazumal: Einzelne Beispiele von ersten aufsehenerregenden Viralmarketing- und PR-Blog-Erfolgen gaukeln den Unternehmen unendliche Möglichkeiten praktisch zum Nulltarif vor. Wer jetzt nicht einsteigt, verpasst die Chance seines Lebens. Und wie damals wird geflissentlich verschwiegen, dass solche Methoden nur so lange funktionieren, wie sie von kleinen Minderheiten praktiziert werden. Wenn jeder bloggt, liest niemand mehr, und wenn sämtliche Unternehmen Guerilla-Werbemethoden anwenden, mutieren diese schnell zu einem einzigen riesigen Ärgernis.




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