«Natürlich wäre eine Diktatur schneller»


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/18

     

Java hat in den zehn Jahren seit der Veröffentlichung der ersten Spezifikation selbst die kühnsten Träume seiner Entwickler übertroffen. Trotzdem herrscht im Java-Umfeld nicht nur eitel Sonnenschein. Im Interview erklärt der «Java-Vater» James Gosling die Religion von Sun, warum eine langsame Demokratie besser als eine schnelle Diktatur ist, welche Gebiete der Java-Kleber als nächstes in den grossen Netzwerk-Computer einbinden soll, und wieso Software für Sun schon immer ein schwieriges Thema war.




InfoWeek: Suns Verhältnis zu Open Source ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Jetzt arbeitet die Apache Foundation, unterstützt durch IBM, unter der Projektbezeichnung Harmony an einer Open-Source-Implementation der Java Standard Edition. Wie steht Sun zu solchen Projekten?



James Gosling: Wir legen die Spezifikationen offen, damit Interessierte Klon-Software implementieren können. Uns freuen solche Aktivitäten. Um was wir uns kümmern, ist die Interoperabilität. Harmony wird selbstverständlich die Zertifizierung von uns erhalten, wenn es die notwendigen Bedingungen erfüllt.




Ist Ihr Verhältnis zu Open Source wirklich so unverkrampft? Wo sind die entscheidenden Unterschiede zum Sun-Modell?

Auch Projekte wie Harmony sind nicht so unabhängig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Jeder Entwickler des Projekts steht auf einer Gehaltsliste von IBM oder von einem anderen Hersteller. Die Frage ist, was heisst überhaupt Open Source? Der Quellcode von Java kann seit zehn Jahren heruntergeladen werden. Welche der Open-Source-Lizenzen die richtige ist, ist doch am Ende eine religiöse Frage. Die Religion von Sun heisst Interoperabilität, und die stellen wir durch unsere Lizenz sicher. Das ist es auch, was für die Entwickler-Gemeinde zählt. Es gibt zwar auch bei OSS-Projekten Instanzen, die sich darum kümmern, diese Strukturen werden aber häufig sehr schnell sehr wackelig.



Haben OSS-Projekte in diesem Fall kein genügendes Qualitätsmanagement?

Das kann man zwar nicht generell sagen, aber grundsätzlich beschäftigen sich die Open-Source-Entwickler sicher lieber mit dem «Fun-part». Danach wird es ihnen oft zu steinig. Einige OSS-Projekte sind sauber gemacht. Andere sind fürchterlich, was die Qualität angeht. Die Annahme, dass OSS qualitativ besser sei, weil alle Entwickler und Nutzer mithelfen die Software auszutesten, ist zudem falsch. Das detaillierte Testen auch der Bugfixes braucht heute bis zu 95 Prozent der Entwicklungszeit und überfordert die meisten Freiwilligenstrukturen.



Es gibt aber auch innerhalb der
Java-Gemeinde durchaus Kritiker des Sun-Modells. IBM wirft Sun beispielsweise vor, dass der derzeitige Prozess zur Abbildung von Programmiermodellen für Service-orientierte Architekturen in der Plattform zu langsam sei.


Die Langsamkeit kommt nicht vom Engineering, sondern aus den Debatten zwischen den Mitgliedern des Community Process . Es ist ja nicht nur Sun, die alleine bestimmt. Diese Langsamkeit ist das Grundproblem jeder Demokratie. Natürlich wäre eine Diktatur schneller, aber dann würden zu viele ausgeschlossen, und Java würde nicht mehr das liefern, was die Anwender wirklich verlangen. Nehmen sie die .Net-Welt. Dort bestimmt einzig Microsoft, was in die Plattform einfliesst und was nicht. Und das hat dann häufig nichts mit dem zu tun, was die Entwickler brauchen.
Die Java-Welt reagiert grundsätzlich viel schneller auf neue Entwicklungen, weil die Spezifikationen offen sind und jeder etwas machen kann. Was bei Java langsamer ist, ist die Standardisierung, die Aussöhnung der einzelnen Positionen. Vor allem im J2EE-Umfeld (Java 2 Enterprise Edition) kann das sehr mühsam werden. Nehmen Sie die Auseinandersetzung um die JDO-Spezifikation (Java Data Objects). Hier sind verschiedenste Interessen wie beispielsweise diejenigen der grossen Datenbankhersteller im Spiel. Das führt zwangsläufig zu Machtspielen.
Seit Beginn versuchen Interessengruppen die Kontrolle über Java zu erlangen. Projekte wie unsere IDE NetBeans, wo wir eine stärkere Kontrolle haben, kommen auch entsprechend schneller vorwärts.



Apropos Netbeans. In den letzten Monaten hat die ursprünglich von IBM lancierte Eclipse-IDE immer mehr Anhänger gefunden. Was bedeutet dies für Netbeans?

Wettbewerb ist eine gute Sache und auch unterhaltend. Meiner Ansicht nach ergänzen sich Netbeans und Eclipse. Wir glauben, dass die Zukunft darin liegt, dass alle Elemente der ICT von den Handys über die Netzwerke bis zu den Rechnern zusammenarbeiten müssen. Netbeans legt beispielsweise viel Gewicht auf den Handybereich und mobile Applikationen im allgemeinen, weil wir glauben, dass die Integration von mobilen Geräten in Zukunft entscheidend sein wird. Wir entwickeln darum spezielle Werkzeuge, um Enterprise-Applikationen auf die Handyplattformen zu
bringen. In diesem Bereich sind auf der anderen Seite aber auch
Games wichtig. Sie treiben zur Zeit die Verbreitung von Applikationen auf den Handys an. Darum bietet Java auch eine Plattform für Handyspiele.




Gibt es andere Bereiche ausser den Handys, in denen Sie in Zukunft weiteres Potential für Java sehen?

Ich sehe Java als Kleber, der alle möglichen Endgeräte mit der Infrastruktur verbindet. Der Embedded-Markt ist darum sicher auch ein Bereich, der für Java sehr interessant ist. Dieser Markt stellt spezifische Anforderungen an die Verlässlichkeit. Wir werden als Sun Microsystems allerdings nicht selber in diesen Bereich vorstossen, sondern die Technologie für Applikationsentwickler bereitstellen. Zudem helfen wir neue Embedded-Märkte zu entwickeln, indem wir beispielsweise zusammen mit der japanischen Automobilindustrie ein Java-Konzeptauto bauen.



Der Stellenwert von Software scheint mir bei Sun aber trotz alledem nicht ganz klar. Auf der einen Seite stellt Chief Operating Officer Jonathan Schwartz deren Bedeutung immer wieder in den Vordergrund. Auf der anderen Seite erwecken das Bundeling aller Werkzeuge in insgesamt nur sieben Produkte und das aggressive Pricing eher den Eindruck von Software als Marketing-Instrument, um die Hardwareverkäufe anzukurbeln, als denjenigen von eigenständigen Produkten.

Für Sun war die Stellung der Software schon immer ein schwieriges Thema. Die Analysten separieren sie von den Rechnern. Wir betrachten Hardware und Software zusammengenommen als Systeme. So muss man auch unser Java-Engagement sehen. Wir verdienen an Java direkt im Verhältnis sehr wenig. Andererseits profitieren wir indirekt, weil beispielsweise viel Java-Software von anderen Herstellern auf Sun-Servern läuft.
Wir haben uns darum auch schon ganz zu Beginn entschieden, dass es langfristig erfolgversprechender ist, wenn wir Java als unabhängige Technologie gross machen. So bekommen wir zwar nur ein kleines Stuck, aber der ganze Kuchen ist viel grösser.
Für uns intern hat Software
ein sehr grosses Gewicht. Alle Analysen, die wir bisher gemacht haben, zeigen uns aber, dass es am besten ist, wenn wir Software primär
dazu nutzen, die Systemverkäufe
anzukurbeln.




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