Editorial

Je mehr Einwanderung, desto besser


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/13

     

Unter den Schweizer Informatikern brodelt es. Seit dem Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit mit den alten EU-Staaten werden immer mehr Kader- und Spezialistenstellen vor allem durch Deutsche und Österreicher besetzt. Die Einheimischen fühlen sich verdrängt, zumal die neue Konkurrenz meist auch entscheidend geschliffener argumentiert und sich darum besser verkaufen kann. Parallel dazu ist die Zahl der arbeitslosen Informatiker sprunghaft angestiegen. Auch wenn hier noch andere Gründe eine Rolle spielen, die Job-Suche wird durch die EU-Konkurrenz nicht einfacher. Wem sein IT-Job lieb ist, sollte also besser die Ausdehnung der Freizügigkeit auf die neuen EU-Staaten verhindern – so der schnelle Fehlschluss.





Bloss, was sind die Alternativen? Die Schweiz schottet sich wieder ab und verliert so endgültig die internationale Konkurrenzfähigkeit in der ICT. Das kann nicht im Ernst unser Wunsch sein! Die Freizügigkeit ist für unseren ICT-Bereich letztlich eine grosse Chance, um endlich auch zu einer Exportindustrie zu werden. Zürich gilt heute als einer der attraktivsten Arbeits- und Lebensorte weltweit, und wir zahlen verhältnismässig hohe Löhne. Damit haben wir im internationalen Wettbewerb um die «Brain-Power» sehr gute Karten in der Hand. Die sind aber auch nötig, denn wenn wir hochklassige Dienstleistungen mit entsprechenden Margen international erfolgreich anbieten wollen, brauchen wir dazu auch überdurchschnittlich viele überdurchschnittlich qualifizierte Spezialisten. Können diese nicht aus dem Ausland geholt werden, wandern die Unternehmen ganz einfach dorthin ab, oder sie siedeln sich erst gar nicht bei uns an.






Den Bedarf können wir mit noch so vielen Ausbildungsinitiativen nie selber decken. Denn wir Schweizer sind aller notorischen Besserwisserei zum Trotz im Schnitt nicht intelligenter als andere Menschen. Wenn wir aber die grössten Talente aus ganz Europa in unser Land locken können, werden hier über kurz oder lang auch die besten IT-Dienstleistungen und die beste Software entwickelt und damit Arbeitsplätze auf verschiedensten Ebenen geschaffen.





Für Schweizer ICT-Spezialisten bedeutet dies allerdings erst einmal eine gewaltige Umstellung: Bisher gut bezahlte, aber eben nicht überaus qualifizierte Informatiker werden aus ihrer sozialen Stellung durch wesentlich besser ausgebildete Ausländer nach unten verdrängt. Wird dies im Herbst zu einem irrationalen Abwehrreflex an der Urne führen, wie erste Umfragen vermuten lassen? Es wäre verständlich, aber dumm.




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