Einzigartigkeit, ein teurer Narzissmus
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/06
Schweizer KMU geben Unsummen für ihre Business-Software aus. Sie nutzen heute zwar mehrheitlich Standardsoftware, verbiegen diese aber bis zur Unkenntlichkeit, denn schliesslich ist ja jedes Unternehmen so unglaublich einzigartig, dass es sich unmöglich in einer Standardlösung wiedererkennen könnte. Das Ganze erinnert schmerzlich an den missverstandenen Föderalismus in Sachen E-Government, der unser Land langsam aber sicher zur europäischen Lachnummer werden lässt (Seite 10).
Nach und nach kommt nun aber doch ein wenig Bewegung in die ERP-Landschaft (Seite 7). Die Anwender wollen künftig vermehrt Standardsoftware einsetzen, so eines der wenigen glaubwürdigen Ergebnisse einer IBM-Studie zum Schweizer KMU-Softwaremarkt. Dies ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Für die vielen Tausend kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land gäbe es aber eine noch viel bessere Lösung: ASP (Application Service Providing). Die Auslagerung der ERP-Anwendung an einen Dienstleister, der mit intelligent verwalteten und begrenzt individualisierbaren Mandatenlösungen Skalierungseffekte erreicht, senkt die IT-Kosten massiv. Ähnlich wie dies in den letzten Monaten im Webhosting-Bereich durch das Aufkommen automatisierter Volumenanbieter der Fall war.
Das ASP-Modell fristet hierzulande aber immer noch ein Mauerblümchendasein. Der Grund dafür liegt weder in der Technik – die steht, seit es Breitbandinternet gibt – noch auf der Anbieterseite. Würde die Nachfrage endlich steigen, wären schnell entsprechende Dienstleister aktiv. Der Bremsklotz sind die Anwender, die sorgsam ihre diffusen Ängste vor der Fremdbetreuung ihrer Daten pflegen und lieber eine Software teuer kaufen und auf den eigenen Server aufspielen, denn da sieht man wenigstens, für was das viele Geld ausgegeben wurde.
Wenn die Unternehmen ihre IT-Kosten senken wollen, müssen sie sich von ihrem Gärtchendenken verabschieden und endlich merken, dass aller Einzigartigkeit zum Trotz die meisten Prozesse auf der IT-Ebene standardisierbar sind, statt sich von Provisions-orientierten Softwareverkäufern den Individualismus-Honig ums Maul schmieren zu lassen.
Daniel Meierhans, Chefredaktor