Unerhörte IT-Verantwortliche
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/02
Die Informatik soll sich den Geschäftszielen anpassen. Diese Binsenwahrheit ist in den letzten Jahren vom Management zum Imperativ für IT-Verantwortliche erhoben worden. Bloss, um den Zielvorgaben dienen zu können, müssten die Informatikleiter erst einmal genau informiert werden, wohin das Unternehmen aktuell steuert. Die Kommunikation zwischen Geschäftsführung und IT scheint aber bei vielen Firmen unbefriedigend zu verlaufen. Zumindest empfinden dies die IT-Verantwortlichen so. Zu diesem Schluss kommt eine europäische Studie, die der britische Marktforscher Winmark für den Infrastruktur-Softwarespezialisten BMC Software erstellt hat. Die Schweiz zeigt dabei keine auffälligen Unterschiede zum übrigen Europa.
Die ungenügende Kommunikation mit dem Business ist nach Ansicht von 24 Prozent der IT-Leiter in Europa der Hauptgrund, wieso sie ihre Dienste nicht besser oder zeitgerecht an die Geschäftsziele anpassen können. Weitere 24 Prozent sehen ein Verbesserungspotential in kommunikationsverwandten Bereichen, wie einer Erhöhung der Anzahl Sitzungen, einem besseren Technikverständnis der Geschäftsleitung, einer klareren Prioritätensetzung oder einer besseren Beziehung zueinander. Nur 14 Prozent sehen demgegenüber keinen Anlass, die Abstimmung mit dem Business zu verbessern. Ein grösseres Budget oder mehr Personal wünschen sich überraschenderweise nur 14 Prozent. In der Schweiz scheint das Kommunikationsdefizit noch ausgeprägter als im übrigen Europa. Jeder Dritte sieht hierzulande eine Notwendigkeit, die Kommunikation zu optimieren.
Für Philipp Ziegler vom Schaffhauser Marktforschungsunternehmen MSM Research kommen diese Ergebnisse nicht überraschend. Die IT hatte in den letzten Jahren vermehrt Probleme, sich intern zu positionieren. Nur in den wenigsten Unternehmen sitzt beispielsweise der CIO in der Geschäftsleitung, wie Ziegler aus eigenen Untersuchungen weiss. Damit ist der IT-Leiter auch von den Strategiediskussionen des Managements ausgeschlossen.
Einen zweiten Problempunkt ortet Ziegler aber auch auf Seiten der Informatiker selbst. Vor allem in KMU verfügten die wenigsten IT-Leiter über den notwendigen betriebswirtschaftlichen Rucksack, so Ziegler. Zudem habe die Herstellerseite den Unternehmen in den Boomjahren oft das Blaue vom Himmel versprochen und dann Lösungen im Betrieb zu Ende gebastelt. Diese Bananenpolitik hat letztendlich auch dem Ruf der internen IT-Abteilung geschadet.
In letzter Zeit sieht Ziegler in diesem Zusammenhang eine Trendwende. Immer mehr Unternehmen betrachten die Informatik nicht mehr nur als blosses Rationalisierungsinstrument, sondern auch als zukunftgerichtete Möglichkeit, um beispielsweise neue Märkte und Kundensegmente zu erschliessen.
Es gebe allerdings heute gerade im KMU-Bereich, wo teils seit fünf Jahren keine Informatikinvestitionen mehr getätigt wurden, grosse Spannungen zwischen der IT und dem Management, weil dieses immer grössere Leistungen mit weniger Budget und Personal verlange. Genau diesen Punkt spricht ein zweiter interessanter Befund der Winmark-Studie an: Die Hauptfolge von Pannen sind mit je 21 Prozent der Nennungen mehr Beachtung und Geld. Eine aus Unternehmenssicht bedenkliche Feststellung, wird doch so auch Unvermögen belohnt.
Ziegler relativiert aber den Spardruck auf den Schweizer IT-Abteilungen. Schliesslich hätten Schweizer Firmen auch jahrelang überdurchschnittlich viel Geld in ihre Informatik gesteckt, so dass sie die Investitionspause der letzten Jahre im europäischen Vergleich besser verkraften konnten. Zudem sei die Erwartungshaltung hierzulande teils auch übertrieben. Während in anderen Ländern auch Verfügbarkeiten von 98 Prozent hingenommen werden, müsse bei uns alles eine 99,9999-prozentige Sicherheit bieten. Eine Relativierung der Verfügbarkeitsansprüche im Verhältnis zum ökonomischen Wert eines
Service wäre in vielen Fällen durchaus sinnvoll, so Ziegler.
Abstimmungsdefizite zwischen IT und Business