Herkunft definiert BPM-Geschmack
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/18
Um die Geschäftsprozesse mit der IT verbinden zu können (siehe InfoWeek 17/2004), sind eine ganze Reihe von Tools nötig, die aus den unterschiedlichsten Software-Disziplinen stammen. Es verwundert darum wenig, dass derzeit Hersteller verschiedenster Herkunft versuchen, sich als BPM-Anbieter (Business Process Management) zu etablieren. Das Spektrum reicht von den Workflow-Spezialisten über die Integrations-Tool-Hersteller bis zu den Plattformanbietern (siehe Tabelle). Für Anwender ist es darum vor einer Lieferantenentscheidung umso wichtiger, die eigenen Bedürfnisse klar zu definieren und strategische Überlegungen miteinzubeziehen.
Zu einer BPM-Suite gehören im wesentlichen sechs Elemente: Werkzeuge zum Modellieren der Geschäftsprozesse, eine Orchestration- und Execution-Engine, Integrationsserver-Funktionalität, Monitoring-Werkzeuge, Simulations- und Optimierungswerkzeuge sowie eine Benutzerumgebung. Die Stärken und Schwächen der einzelnen Elemente einer Suite eines Hersteller verteilen sich denn auch meist auf Grund seiner Herkunft.
Während die EAI-Spezialisten (Enterprise Application Integration) das Thema zumindest bis anhin zu technikzentriert behandeln und die menschliche Komponente der Geschäftsprozesse noch kaum integrieren, vernachlässigen die Workflow- und Contentmanagement-Anbieter die Applikationen, wie Jess Thompson von der Gartner Group erklärt. Zudem fehle in den Integrations-Suiten häufig der Optimierungsteil, das eigentliche Verbindungsstück jedes ManagementZyklus. Thompson gibt allerdings zu bedenken, dass der breitere Markt dies derzeit auch noch nicht fordere. Offensichtlich sind die Unternehmen bis auf weiteres noch mit den technischen Herausforderungen der Applikationsintegration gefordert. Erst muss die IT-Legacy sauber in eine Service-orientierte Architektur eingebunden werden. Die Schliessung des Management-Schaltkreises wird laut Thompson erst in rund fünf Jahren zu einem grossen Thema.
Im heute noch bestimmenden Integrationsbereich identifiziert Thompson grundsätzlich drei Typen von Integration: der datenzentrierte Typ, bei dem die Konsistenz der Daten über alle Applikationen eines Unternehmens im Zentrum steht, die Integration über Composite Applications, die auf dem Web-Services-Ansatz fusst und die mehrstufige Prozessintegration durch eine Choreographie der Geschäftsprozesse. Eine vollständige BPM-Lösung sollte all diese Integrationsarten adressieren. In der Praxis sind die drei Typen, gemäss Thompson, in den letzten Jahren auch bei allen Anbietern fusioniert worden.
Je höher BPM auf den Agenden der CIOs rutscht, desto schneller wird sich der zersplitterte Anbietermarkt konsolidieren, darin sind sich die Analysten einig. Heute setzen grosse IT-Shops noch Produkte von bis zu fünf Anbietern ein. Dies wird sich laut Axel Jacobs von der Meta Group in den nächsten Jahren ändern. Spezialisierte BPM-, EAI- oder Documentmanagement-Anbieter werden demnach von den grossen Plattformherstellern mehr und mehr in Nischen abgedrängt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Technik immer weniger differenziert und so Faktoren wie Support und langfristige Stabilität des Anbieters für strategische Entscheidungen immer wichtiger werden. In beiden Punkten können vor allem IBM, Oracle, SAP oder Microsoft viel Gewicht in die Schale werfen.
Es sind denn vor allem auch die «pure play»-BPM-Player, die laut Thompson gegen die grossen Hersteller auf Dauer kaum werden bestehen können. Wie in den meisten Märkten werden demnach etwa fünf Grosse überleben. Daneben bleibt Platz für eine Handvoll hoch spezialisierter Nischen-Anbieter. Neben IBM, Oracle, Microsoft und SAP hat dabei auch Tibco als nach IBM zweitgrösster Integrationsanbieter Chancen, sich unter die Grossen mischen zu können. Zumal der EAI-Spezialist, nach Angaben des Gartner-Analysten technisch derzeit noch einen relevanten Vorsprung beispielsweise auf Oracle aufweist. Gute Chancen, sich auf breiter Front durchzusetzen, geben alle Analysten SAP. Der ERP-Spezialist plant, sein Netweaver-Framework geschickt mit seinen Applikationen zu verknüpfen. So kommt er vor allem in Europa indirekt schnell zu einer sehr grossen installierten Basis.
Von den grossen Plattformherstellern fehlen im BPM-Reigen auffälligerweise HP und Sun. Die beiden haben den Middelware-Zug, der bereits mit dem Aufkommen der Applikationsserver in Fahrt kam, praktisch verpasst. HP weist nach dem Abbruch des Silverstone-Versuchs im Software-Angebot ein zentrales Middleware-Loch auf, das auch
Carly Fiorinas Adaptive-Enterprise-Vision aus diesem Blickwinkel als Flickenteppich erscheinen lässt. Sun ist in Sachen Portal und Applikationsserver in den letzten Jahren immer mehr in Richtung Randständigkeit abgerutscht. Um mit ihren Service-Organisationen BPM anbieten zu können, sind darum beide auf Partnerschaften angewiesen. Dies ist wiederum eine Chance für Middleware- und EAI-Spezialisten wie Bea Systems, Tibco, Vitria oder Seebeyond. Und auch die reinen BPM-Anbieter können hoffen, mit Hilfe von Partnerschaften weiter im Spiel zu bleiben.
Hersteller aus diversen Software-Disziplinen drängen in den BPM-Markt