Stilsicherer Büro-Pinguin
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04
Mit Novell Linux Desktop 9 präsentierte die NetWare-Company aus Utah ihre erste eigene Linux Distribution für den Unternehmenseinsatz, die parallel zu den bestehenden Suse Produkten angeboten wird. Wir haben uns die Lösung, mit der Novell Linux auf den Desktop bringen will, genauer angesehen.
Wer erwartet hat, dass Novell mit Linux Desktop 9 auf Konfrontationskurz zum Platzhirsch Windows geht, wurde schon bei der Präsentation der Lösung enttäuscht. So hielt Novell-CEO Jack Messman die Erwartungen an die Novell-Distribution entsprechend tief: «Beim Novell Linux Desktop geht es nicht darum, Windows-Systeme komplett zu ersetzen. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, wo und wann ein Desktop auf Open-Source-Basis eine sinnvolle und kostengünstige Alternative ist. Aus unserer pragmatischen Sichtweise ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem bestimmte Anwender von Open Source profitieren können.» Als Einsatzgebiete nannte der Novell-CEO dann auch Call Center und Schalterbereiche. Zudem wolle man mit Novell Linux Desktop eine kostengünstige Alternative für teure Unix-Workstations bieten. Diese Strategie erklärt auch, warum keinerlei Software zum Betrieb von Windows-Applikationen wie Crossover Office im Rahmen von Novell Linux Desktop 9 ausgeliefert wird. Ein Manko, dass Novell Linux Desktop 9 vorerst den Weg in so manches Unternehmen versperren dürfte, da oftmals entweder keine gleichwertigen Alternativen zur Windows-Welt existieren oder die Interoperabilität eingeschränkt ist.
Novell Linux Desktop 9 wird auf drei CDs ausgeliefert, die vorerst nur über Novell-Partner und nicht im Handel zu kaufen sind. Eine Lizenz ist für 50 Dollar erhältlich, die zur Installation der Software auf einem Arbeitsplatz sowie zum Bezug von Updates für ein Jahr berechtigt. Wider erwarten basiert die Distribution nicht auf Suse Linux Professional, sondern auf dem Enterprise Server 9, womit man von den grösseren Release-Zyklen und der besseren Stabilität der Server-Distribution profitieren kann.
Die Installation unterscheidet sich kaum von derjenigen der Suse-Produkte. So wird ebenfalls auf das Installations- und Konfigurationswerkzeug Yast 2 gesetzt. Die Unterschiede bestehen vor allem in der Optik und einem zusätzlichen Menü-Punkt, der zur Integration ins ZENWorks Linux Management verwendet wird. Auffällig ist, dass man explizit nach dem gewünschten Desktop Environment (KDE oder Gnome) gefragt wird. Anscheinend will man bei Novell vorerst weder die KDE-Verfechter von Suse noch die Gnome-Anhänger von Ximian bevorzugen. Ansonsten ist die Konfiguration der Maschine wie auch die Einrichtung der Peripherie wie bei den aktuellen Suse-Distributionen angenehm einfach. Nach einer guten halben Stunde war die Installation auf unserer Testmaschine durch. Direkt nach dem Login fällt besonders die einheitliche und saubere Oberfläche auf, die auf die nötigsten Funktionen beschränkt ist. Dies dürfte vor allem weniger bedarften Anwendern entgegen kommen.
Die Softwareauswahl der Standardinstallation beschränkt sich auf einige zentrale Applikationen, die man auf einem Unternehmens-PC erwartet. So findet man neben OpenOffice.org unter anderem den Groupware-Client Evolution, der sich auch an Exchange ankoppeln lässt, sowie den Webbrowser Firefox. Ebenfalls vorhanden ist Novells I-Folder-Client, der unter anderem zur Synchronisation von Verzeichnissen verwendet werden kann. Mit dem ICA-Client von Citrix für den Zugriff auf Windows-Terminalserver punktet der Novell-Pinguin für den Desktop ebenfalls. Das Management der Maschinen kann entweder mit VNC oder, sofern der passende Server vorhanden ist, ZENWorks erfolgen. Beim Softwaremanagement gehen einem entweder Yast2 oder Red Carpet zur Hand.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Novell mit Linux Desktop 9 ein viel versprechendes Produkt lanciert hat, das vor allem durch seine sauber integrierten Applikationen überzeugen kann – etwas, das man bei kaum einer Distributionen in dieser Perfektion findet.