Vorweihnachtlicher Patent-Eiertanz

Die Verabschiedung der Softwarepatentrichtlinie in der EU wurde in der letzten Minute von Polen verhindert. Was nun passiert, ist ungewiss.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/01

     

Im Laufe des Dezember zeichnete sich ab, dass die niederländische EU-Präsidentschaft die Richtlinie zur Harmonisierung der Patenterteilungspraxis bezüglich computerimplementierter Erfindungen, unter der die Neuregelung der Vergabe von Softwarepatenten läuft, noch vor Weihnachten vom EU-Rat absegnen lassen wollte. Nach mehreren Verschiebungen und Unklarheiten über die Tagesordnung sollte schlussendlich der Agrar- und Fischereirat am 21. Dezember die Ministerposition vom Mai 2004 ohne weitere Sachaussprache oder Abstimmung verabschieden.
Doch bereits im Vorfeld haben unter anderem die Regierungen von Spanien und Polen Bedenken gegen die Ministerratsposition angemeldet. So verwundert es wenig, dass der polnische Staatssekretär Wlodzimierz Marcinski während der Sitzung die Streichung des Punktes von der Tagesordnung beantragte, damit der polnischen Regierung zusätzliche Bedenkzeit zur Formulierung einer «konstruktiven Erklärung» bleibt.


«Hochachtung vor der Courage der polnischen Regierung!»

Die Entscheidung ist damit bis auf weiteres vom Tisch und eine Neuverhandlung der Richtlinie im Ministerrat unumgänglich, sofern die Kommission das bereits Anfang 2002 von ihr initiierte Gesetzgebungsverfahren nicht komplett kippt. Die zuständige EU-Kommission zeigte sich über die Entscheidung entsprechend wenig erfreut. Ganz anders sieht es dagegen bei den Gegnern der Richtlinie aus, die bereits im Vorfeld starke Bedenken gegenüber dem Vorgehen der niederländischen EU-Präsidentschaft angemeldet hatte, da vieles darauf hindeutete, dass durch die EU-Osterweiterung und das Umschwenken einiger Staaten keine qualifizierte Mehrheit mehr für die Ministerratsposition bestand. Ein Abnicken der Richtlinie ohne neuerliche Abstimmung auf Basis der Stimmverhältnisse vom Mai 2004 wäre dadurch bestenfalls unschön gewesen. Entsprechend äussert sich Florian Müller, Berater von MySQL und Kampagnenleiter von NoSoftwarePatents.com: «Hochachtung vor der Courage der polnischen Regierung! Zeitweise sah es so aus, als würden sich demokratiefeindliche Kräfte im EU-Rat durchsetzen und eine Entscheidung auch ohne legitime Mehrheit erzwingen. Nun hat Europa die Chance, die gravierenden Mängel des momentanen Ratsvorschlages unter der neuen luxemburgischen EU-Präsidentschaft sachgerecht zu erörtern. Europa hat auch an Weihnachten nichts zu verschenken – und schon gar nicht unsere einheimischen Softwaremärkte an ein paar US-Konzerne, die lieber prozessieren als programmieren!» Unterstützung bekam er auch vom österreichischen Europaabgeordneten Othmar Karas: «Es wäre geradezu antidemokratisch, einen Beschluss zu fassen, der am Tag der offiziellen Entscheidung keine qualifizierte Mehrheit mehr hat.»






Auch aus etlichen Ländern blies den Vertretern im Agrar- und Fischereirat also eine steife Briese entgegen. So blieb die deutsche Umweltministerin Renate Künast der Sitzung fern, nachdem die Patentgegner sich auf sie eingeschossen und der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude sie dazu aufgerufen hat, eine Neuverhandlung der Position des EU-Rats durchzusetzen. Der deutsche Bundestag hatte sich bereits im November geschlossen gegen die Softwarepatente ausgesprochen. Ähnliches passierte im Juli in den Niederlanden.


Ungewisse Zukunft

Wie und ob nun das Thema Softwarepatente weiterverhandelt wird, ist ungewiss und liegt in den Händen der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft, die zum Jahreswechsel das Zepter von den Niederlanden übernommen hat. Dass, sollte man das Geschäft weiterverfolgen wollen, eine Position fernab der Meinung des EU-Parlaments kaum noch möglich ist, sah auch die deutsche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ein. Sie erklärte gegenüber InfoWeek: «Die Bundesregierung hatte mit der politischen Einigung im Mai schon viel erreicht. Gleichwohl waren wir uns bewusst, dass auch dieser Kompromiss noch verbesserungsfähig ist mit dem Ziel, möglichst zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament zu kommen. Wir werden weiter konstruktiv mitarbeiten, um eine Lösung zu suchen, die allen Beteiligten noch besser gerecht wird als der Beschluss vom Mai. Dabei werden wir auch die inzwischen formulierte Position des Deutschen Bundestages in die Debatte auf Ratsebene einbringen.»




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