Office XP: eXPlosivstoff oder eXPliziter Update-Zwang?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/22
In früheren Jahren galt der Release einer neuen Office-Suite aus der Redmonder Software-Küche als IT-Event par excellence. Ob man den Upgrade-Schritt wagt oder nicht, stand meist ausser Frage, und allenfalls die höheren Hardware-Anforderungen des Nachfolgers setzten hier und dort ein Fragezeichen.
Doch diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Bereits die 97er Ausgabe wies eine gewaltige Fülle von Funktionen auf, die Otto Normalanwender im alltäglichen Job kaum je benötigte, geschweige denn überhaupt zu Gesicht bekam. Das Spiel setzte sich fort mit Office 2000 und - wie nicht anders zu erwarten - auch mit dem jüngsten Office XP. Zwingende Gründe, jede Upgrade-Runde mitzumachen, finden sich nur noch für die wenigsten Anwender. Kein Wunder, dass noch heute 37 Prozent der User mit Office 95 oder 97 arbeitet, wie eine InfoWeek-Umfrage Anfang März ergab.
In meinem privaten Umfeld habe ich auf den Umstieg auf die 2000er Version verzichtet. Zwar hätte mich das eine oder andere neue Feature wirklich fasziniert, doch handelte es sich dabei in erster Linie um Kleinigkeiten wie etwa die Zeichensatz-Drop-Down-Liste in Word, die das echte Schriftbild anzeigt, oder das erweiterte Clipboard. Derartige Funktionen waren mir den Upgrade-Preis aber nicht wert, und ich habe darauf verzichtet. Nicht aber auf die beiden genannten Features, die ich mittlerweile mit geeigneter Freeware implementiert habe, die mich keinen Rappen gekostet hat.
Inzwischen habe ich die Features der XP-Version getestet und muss sagen, ein Upgrade von der 97er Version wird sich für mich lohnen. Was das neue Office im Detail drauf hat, lesen Sie im grossen Test in dieser InfoWeek-Ausgabe (Seite 19).
Auf längere Frist kann man sich der Upgrade-Strategie von Microsoft ohnehin nicht entziehen. Das XP-Update kann ich beispielsweise auf meinem älteren, mit Windows 95 bestückten Notebook nicht mehr einsetzen. Hier wäre auch ein Betriebssystem-Update fällig, da die XP-Suite mindestens Windows 98 voraussetzt. Mit Windows 98 wäre allerdings die Hardware meines Mobilrechners genau so überfordert wie mit Windows XP. Also wäre auch ein neues Notebook angesagt. Man sieht: Die Wintel-Allianz sorgt für die beiden Quasi-Monopolisten auch in der zweiten Dekade ihres Bestehens für volle Kassen.
In kleineren Betrieben, in denen keine ausgewiesenen Spezialisten zur Verfügung stehen, sorgt Microsoft früher oder später mit seiner Support-Strategie ohnehin für den Abschied von der 97er Version. In den Staaten ist mit dem kostenlosen Support für das inzwischen über vier Jahre alte Paket Schluss. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis dies auch in Europa der Fall ist. Wer auf Hilfe von Microsoft angewiesen ist, wird sich dann zweimal überlegen, ob ein Update nicht die kostengünstigere Variante ist.
Mit dieser Politik der kleinen Schritte fügt Microsoft einen Mosaikstein zum anderen. Jeder einzelne Aspekt würde den Umstieg zwar nicht rechfertigen. Legt man aber alle Argumente in die Waagschale, kann man sich dem Upgrade-Zwang nicht entziehen. Es sei denn, man verabschiedet sich vollends von der Microsoft-Produktpalette und setzt auf Corel, Lotus oder gleich die Open-Source-Community, wobei man sich hier wieder mit anderen Problemen herumschlagen muss.
(rd)