Webmeilen: Rattenfängerei mit banalen Prämien
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/10
Das Webmiles-Programm hält auch in der Schweiz Einzug. Dabei handelt es sich um ein Bonus-System, das wie folgt funktioniert: Wer sich bei Viseca registriert, erhält bei jedem Einkauf über eine Euro- oder Visa-Kreditkarte Punkte, sogenannte Webmiles, gutgeschrieben. Für einen Umsatz von zehn Franken gibt's jeweils eine Webmeile. Hat man genügend Punkte gesammelt, können dafür Prämien bezogen werden.
Im Grunde genommen handelt es sich beim Webmeilen-Programm um ein Bonus-System, wie man es seit den Sechzigern von den Silva-, Mondo- oder Bea-Punkten her bereits zur Genüge kennt. In den Achzigern zogen dann die Fluggesellschaften mit ihren Qualiflyer-Programmen nach, und mittlerweile sind auch die Migros und Coop mit ihren Cumulus- und Supercard-Systemen auf den Prämien-Zug aufgesprungen.
Alle diese Vorgänger hatten aber eines gemeinsam: Die Prämien konnten sich mehrheitlich sehen lassen. Davon zeugen allein Dutzende von Mondo- und Silva-Bildbänden, die noch heute in vielen Wohnstuben ganze Regale füllen. Anders sieht es leider beim jetzt in der Schweiz lancierten Webmiles-Programm aus.
Die Prämien, die von Viseca in Aussicht gestellt werden, sind entweder völlig lächerlich oder schlicht und einfach unerreichbar. Am unteren Ende der Bonus-Skala findet sich Ramsch wie ein "poliertes, auf beiden Seiten bedrucktes Türschild" mit dem Hinweis "Please don't disturb", für das 250 Meilen fällig sind. Da freut es doch, dass diese 250 Meilen gleich als "Willkommensgeschenk" offeriert werden. Weiter geht es mit einem "unumstritten notwendigen" Schuhlöffel, für den immerhin bereits 3500 Franken Umsatz generiert werden müssen. Die "lustige Spülbürste" namens "Tim" gehört mir dann nach einem 5000-Franken-Einkauf. Da muss selbst beim grössten Abwasch Freude aufkommen.
Nur wenig besser sieht es in der mittleren Preisklasse aus: Da wäre etwa der portable Radio mit integriertem CD-Spieler aus dem Hause Grundig, den ich bereits nach Einkäufen in der Höhe von 34'000 Franken mein Eigen nennen darf. Nach einer kurzen Surftour finde ich das Gerät allerdings auch bei Electronicpartner.ch zum Preis von 149 Franken. Man rechne: Wird die Summe von 34'000 Franken nicht ausgegeben und statt dessen auf einem Sparbuch zum lächerlichen Zins von 2 Prozent angelegt, gehört mir das Gerät schon nach drei Monaten.
Um reine Schein-Angebote handelt es sich schliesslich bei den Hauptprämien: Als Non-Plus-Ultra-Preis gibt's für eine Million Webmeilen - sprich 10 Millionen Franken Umsatz - die eigene Insel. Immerhin habe ich davon auch schon geträumt. Wenn ich mir aber ins Bewusstsein rufe, dass eine Webmeile nach drei Jahren wieder verfällt, werde ich in den nächsten Jahren beim Kreditkarten-Shoppen ganz schön Gas geben müssen. Will ich das Ziel erreichen, muss ich den Kauf der nächsten Luxusvilla wohl über die Karte bezahlen. Falls der Umsatz nicht ausreichen würde, wäre ich dann halt gezwungen, den Fehlbetrag mit dem Kauf von einigen Tausend CDs abzudecken.
Doch Scherz beiseite: Was uns Viseca mit ihren Partnern Bluewin und Conrad.com auftischt, ist pure Bauernfängerei und unter dem Strich eine Frechheit. Für Viseca und Co könnte sich das System aber lohnen; rechnet man doch damit, eine grosse Zahl neuer Kunden zu ködern - wenn sich denn genügend Dumme finden lassen.
Dass die Prämien nicht gerade das Gelbe vom Ei sind, ist man sich offensichtlich auch bei Viseca bewusst. Marketing-Chef Peter Renggli stellt immerhin in Aussicht, dass man das Programm fortan attraktiver zu gestalten gedenke. Dann hoff' ich doch, dass zumindest das Türschild ausgewechselt wird, beispielsweise durch ein echtes Gipsfigürchen von Adolf Ogi mit dem Aufdruck "Freude herrscht!".
(rd)