Job-Aussichten für Studienabgänger
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/08
In beinahe jedem mittelgrossen Schweizer Betrieb finden sich Angestellte, die irgendwann ein Studium begonnen, dann aber das Handtuch geschmissen und auf den Abschluss verzichtet haben.
Sie kommen angefangen bei den Historikern über die Sprachwissenschaftler bis hin zu den Mathematikern und Informatikern aus fast allen Fachrichtungen. Vorzugsweise werden jene Studien bis zum Schluss durchgezogen, die am deutlichsten auf einen bestimmten Beruf zielen, sprich Recht und Medizin. Anders sieht es bei den Phil-I-Fächern aus: Hier wird von einer Abbruchquote von 40 Prozent gemunkelt. Wie Hans Weder, Rektor der Uni Zürich, aber unlängst in einem Tages-Anzeiger-Interview einräumte, sei diese Zahl aber kaum verlässlich, da keine aktuellen Untersuchungen zur Verfügung stünden.
Die letzten Erhebungen, die Ende der 90er Jahre erstellt wurden, sprechen im Mittel von rund 30 Prozent Studienabbrecher an Schweizer Hochschulen. Dabei ergeben sich allerdings Unterschiede zwischen Frauen und Männern: Während bei den Studenten rund jeder 4. sein Studium aufgibt, sind es bei den Studentinnen in etwa 33 Prozent.
Der Weg zum Studienabbruch führt oftmals über einen Teilzeit-Job. Die Mehrzahl der Immatrikulierten geht zumindest in den Semesterferien einer Tätigkeit nach, um den Lebensunterhalt zu bestreiten oder das Studium zumindest mitzufinanzieren.
In vielen Fällen erweisen sich Job und Entlöhnung dann als dermassen attraktiv, dass der Plan, das Studium vorzeitig zu beenden, schnell einmal in die Tat umgesetzt wird. Kommen dann noch Faktoren wie Stress oder eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Praxisferne des Universitätsbetriebs hinzu, ist der Entschluss schnell einmal getroffen. Auch Rektor Weder sucht die Beweggründe für den Studienabbruch in derselben Richtung: Die Studierenden würden zum Teil während dem Studium arbeiten und bekämen dann "attraktive Arbeitsangebote", was zur Aufgabe des Studiums führe.
Was die Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrifft, so begünstigt zur Zeit die Wirtschaftslage zwar Studienabbrecher bei der Job-Suche, dennoch sitzen Uni-Absolventen mit Leistungsnachweis in Form eines Titels am längeren Hebel. Dies bestätigt auch Michael Hutter, Partner der Engineering Management Selection, einem Unternehmen, das sich auf die Vermittlung von Ingenieuren und Informatikern für Fach- sowie Führungsaufgaben spezialisiert hat.
Die Chancen von Studienabbrechern seien "sicherlich schlechter, fast aussichtslos bei Beratungsunternehmen". Dagegen sieht er durchaus positive Aussichten bei Banken, Versicherungen und IT-Unternehmen wie IBM, Hewlett-Packard, Sun oder Compaq.
Anders als die Hochschulabsolventen, die meist eine steile Karriere vor sich haben, sind die Abbrecher aber oft gezwungen, Weiterbildungskurse zu absolvieren, bis sie auf den berühmten "grünen Zweig" kommen.
Verbreitet ist die Meinung, dass ein Studium wegen dem Leistungsdruck vorzeitig beendet wird. Die Studenten seien den universitären Anforderungen halt nicht gewachsen, ist oft zu hören.
Wie die angetönten Studien aber belegen, liegen die Ursachen grösstenteils woanders. Nur gerade knapp 20 Prozent der Studienabbrüche erfolgte aufgrund eines Misserfolgs bei Prüfungen. Genau so gross ist der Anteil der Studienabbrecher, die aufgrund finanzieller Probleme die Hochschulen verlassen.
Wie die Erhebungen belegen, ist es bei den meisten vorzeitig Exmatrikulierten vielmehr eine Mischung aus verschiedensten Ursachen. Jeder zweite Abbrecher führt etwa die persönliche Distanz zum Studium als Grund an, doch auch Stress oder das Streben nach einer mehr praxisorientierteren Tätigkeit sind vielzitierte Motive.
Ein Punkt, der allerdings oft unter den Tisch gekehrt wird, ist die Tatsache, dass sich viele Studienabbrecher mit dem Studium ohne Abschluss auch Jahre danach noch nicht abfinden können und oft ihr Leben lang daran zu beissen haben.
Manch einer fühlt sich denn auch auf den Schlips getreten, wenn man ihn auf seine universitäre Vergangenheit anspricht. Der vorzeitige Uni-Abgang wird als Makel gesehen und gern verdrängt. Erst wenn die ausseruniversitäre Karriere in Gang gekommen ist, ist man bereit, das abgebrochene Studium als Zwischenetappe zu akzeptieren.
In der Wirtschaft wimmelt es von namhaften Grössen, die sich einst an der Universität versuchten, um sich dann auf eigene Füsse zu stellen und erfolgreich Karriere zu machen. Angefangen beim Microsoft-Gründer Bill Gates und Apple-Chef Steve Jobs über Swatch-Manager Nick Hayek jr. bis hin zum Verleger Michael Ringier.
Man darf sich von diesen Werdegängen allerdings nicht täuschen lassen; die berühmten Tellerwäscher-Karrieren sind in der Schweiz sehr selten. Wirft man einen Blick in die Stellenanzeiger, wird auch offenbar, dass für viele qualifizierte Jobs ein Hochschulabschluss Bedingung ist. Die Unternehmen wollen ein Kader mit Leistungsausweis aufbauen und gerade im höheren Management erweist sich dann ein Doktor-Titel von Vorteil.