Editorial

Linux ist toll, aber (noch) nicht für die Masse

Chefredaktor René Dubach über Linux und dessen Verbreitung in Schweizer Unternehmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/41

     

Beinahe jede Woche erreichen Briefe die InfoWeek-Redaktion, worin Leser sich darüber beklagen, dass wir dem alternativen Betriebssystem Linux zu wenig Beachtung schenken. Im selben Atemzug wird dann auch regelmässig geklagt, dass wir der Microsoft-Produktpalette zu viel Platz einräumen.



Zugegeben, die Berichterstattung über Microsoft-Lösungen nimmt mehr Raum ein als jene über irgendwelche anderen Plattformen. Auch die übrigen Unix-Varianten, die Mac-Plattform oder Systeme wie BeOS kommen vergleichsweise wenig zur Sprache.




Auch uns ist zwar klar, dass der Monopol-ähnliche Status, den Microsoft seit Jahren geniesst, der Vielfalt an Lösungen und damit auch einer gesunden Marktentwicklung abträglich ist. Dennoch wird auch hierzulande auf Microsoft-Produkte gesetzt, gerade weil es sich dabei um die marktbeherrschenden Lösungen handelt. Und die Verantwortlichen in den Unternehmen wollen über die zahlreichen Fahrpläne und Ankündigungen aus Redmond informiert werden, eine Aufgabe, der sich InfoWeek nicht entziehen kann und auch nicht will.



Dass wir daneben aber auch den Open-Source-Bereich in unserer Berichterstattung nicht zu knapp berücksichtigen, versteht sich von selbst.


Nur für Cracks?

Fakt ist allerdings, dass Linux vorderhand vor allem von versierten IT-Cracks eingesetzt wird, die breite Masse macht schlicht und einfach nicht mit. Wer sich eine Distribution aus dem Web lädt und sie auf einem Rechner einrichtet, versteht etwas von der Sache - und zwar mehr als die meisten Systemverantwortlichen in den Schweizer Unternehmen.



Wer sich nicht zu den Linux-Gurus zählt, hält sich zurück. Hiervon zeugen allein die mit Linux vorkonfigurierten Neurechner, deren Zahl in der Schweiz verschwindend klein ist.




Laut der Weissbuch-Studie wurden in der Schweiz im vergangenen Jahr gerade einmal 0,2 Prozent der neuen Maschinen mit vorinstalliertem Linux ausgeliefert. Wer glaubt, die Zahlen würden im Serverbereich massiv anders aussehen, täuscht sich: Auch hier ist der Linux-Anteil mit 4,3 Prozent eher marginal.



Es versteht sich, dass diese Zahlen zu relativieren sind, da der Grossteil der heute eingesetzten Linux-Systeme mit Distributionen bestückt sind, die aus dem Internet heruntergeladen wurden und damit auch nicht in den einschlägigen Studien von IDC und Konsorten auftauchen, die lediglich die verkauften Software-Boxen berücksichtigen.




Weg von Microsoft

Der Linux-Einsatz ist nach wie vor ein zweischneidiges Schwert: Einerseits profitiert man von einer äusserst hohen Stabilität und Zuverlässigkeit, andererseits steht nur eine beschränkte Anzahl Applikationen zur Verfügung. Klar, die oben genannten Cracks schreiben sich die nötigen Anwendungen einfach selber und merzen die Lücken damit problemlos aus. Dieser Weg steht aber nur den wenigsten der über 300'000 Schweizer KMU offen.




Dennoch nimmt die Bedeutung des Open-Source-Betriebssystems kontinuierlich zu, einer Tatsache, der auch InfoWeek mit der vorliegenden Ausgabe einmal mehr Rechnung trägt. Wir zeigen in einer Fallstudie (Seite 31), dass eine Migration von Windows auf Linux durchaus von Erfolg gekrönt sein kann. Wir schildern anhand von drei Beispielen, wie sich eine Umstellung in der Praxis durchführen lässt und welche Erwägungen bei der Evaluation ausschlaggebend waren. Wir hoffen, damit dem Bedürfnis unserer Leser nach einer verstärkten Linux-Berichterstattung zu entsprechen.



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