Online-Journalismus: Qualität ist Pflicht
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/33
Die meisten Websurfer können davon ein Lied singen: Nachrichten auf dem Internet wurden in den vergangenen Jahren oftmals in unglaublich mieser Qualität aufgetischt. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Standards, die man in einem herkömmlichen Medium für unantastbar erklärte, auf dem Netz der Netze keine Gültigkeit mehr hatten. Zwar hat sich die Situation im Verlauf der letzten Jahre stark verbessert - vor allem was die renommierten Medien betrifft.
Anders sieht es leider bei vielen Unternehmen, beziehungsweise den betreffenden Firmenportalen oder Intranets aus: Nur selten sind es ausgebildete Profis mit fundierten Deutschkenntnissen, die über laufende Trends, Veranstaltungen oder Betriebsmitteilungen informieren. Die Folgen sind absehbar: Die Attraktivität und damit auch die Besucherzahlen nehmen rasant ab.
Dass man diesem Negativtrend nicht tatenlos zusehen kann, wurde mittlerweile auch von den Verantwortlichen erkannt und sie machen sich auf die Suche nach eigentlichen Online-Journalisten. Diese neue Spezies von Redaktoren ist allerdings auch hierzulande nur selten anzutreffen und Stelleninserate führen selten zum gewünschten Online-Redaktor.
Auch die Einstellung eines klassischen Journalisten führt nur selten zum gewünschten Ergebnis, da auf dem Web andere Massstäbe zum Zug kommen als beim klassischen Journalismus. Dazu Frank Hänecke, Studienleiter Online-Journalismus am Luzerner Medienausbildungszentrum (MAZ): "Ein Online-Journalist muss das Medium kennen, insbesondere seine Besonderheiten auf der Produktions- wie auch auf der Benutzerseite."
Wie eine Studie der Ohio State University belegt, müssen sich Online-Journalisten verschiedenen Problemen stellen:
Texte werden beispielsweise am Monitor grundsätzlich schwerer verstanden als in herkömmlichen Printmedien. Erstaunlicherweise spielt dabei die PC-Erfahrung der betreffenden Leser so gut wie überhaupt keine Rolle.
Für weit gravierendere Probleme sorgt aber die Tatsache, dass Online-Autoren grundsätzlich für viel weniger glaubwürdig eingestuft werden.
Um diese Probleme vom Tisch zu schaffen, bietet das MAZ eine ganze Reihe von Kursen für Online-Journalisten. Der 40tägige Lehrgang Online-Journalismus deckt sozusagen alle Aspekte ab und widmet sich Schwerpunkten wie "Texten und Redigieren fürs Web", "Online-Recherche" oder "Content-Mangement". Voraussetzung ist aber Praxiserfahrung als Journalist, bei einer PR- oder Werbeagentur. Wer weniger Zeit hat, besucht den Kompaktkurs, der zwölf Tage dauert und ähnliche Themen behandelt, dafür aber nichts voraussetzt.
Die Kosten für die Ausbildung am MAZ sind allerdings nicht ganz unerheblich: Für den Lehrgang Online-Journalismus müssen doch immerhin an die 20'000 Franken hingeblättert werden und auch der Kompaktkurs kostet noch 6000 Franken. Deutlich günstiger sind dagegen die zwei- bis fünftätigen Einzelveranstaltungen für 700 bis 1500 Franken. Die Kosten scheinen allerdings nur auf den ersten Blick hoch. Denn primäres Ziel eines Site-Betreibers ist die Generierung von Visits, was nur mit qualitativ hochstehendem Content zu erzielen ist, von Werbebannereinnahmen ganz zu schweigen.