Warum die Marktforschung enorm wichtig ist
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/19
Werden auch Sie regelmässig in Ihrer privaten Stube von Marktforschern angerufen, die Sie zu einem x-beliebigen Thema befragen wollen? Mir jedenfalls geht es so. Grundsätzlich gebe ich eigentlich gerne Auskunft, wäre da nicht die leidige Tatsache, dass das Telefon (fast) immer dann klingelt, wenn im TV gerade die Tagesschau läuft. Ein Grund, weshalb ich mich für Befragungen zur Verfügung stelle: Ich lasse mich gerne bestätigen, wenn ich ein Produkt oder eine Dienstleistung ablehne oder dafür schwärme.
Gerade in den vergangenen zwei Jahren hat die Marktforschergilde aber nicht selten mächtig danebengehauen. Ginge es nach IDC, Gartner Group und Konsorten, müsste heute ein Grossteil der Software im ASP-Verfahren geliefert werden, der E-Commerce hätte die Wirtschaft auf der ganzen Ebene umgekrempelt und Thin Clients würden in den Unternehmen die IT-Arbeitsplätze dominieren. Hingegen wären Flachbildschirme noch kaum anzutreffen, da die hohen Preise eine grossflächige Durchdringung erst 2004 ermöglichen würden. Heute, drei bis vier Jahre nachdem diese Prognosen publiziert wurden, weiss man, dass sich nichts davon bewahrheitet hat.
Angesichts dieser gravierenden Fehlleistungen der einschlägigen Institute erstaunt es nicht, dass das Ansehen der Marktforscher extrem in Mitleidenschaft gezogen wurde. Insbesondere bei Auftragsstudien trifft man nicht selten auf die Meinung, derartige Erhebungen würden Ergebnisse im Sinne des Auftraggebers liefern. Gerade dieses Vorurteil wurde durch eine Unternehmensbefragung des deutschen Infa-Instituts allerdings deutlich widerlegt: Gerade einmal 10 Prozent der deutschen Unternehmen stimmen dieser Auffassung zu.
Auch ich bin der Meinung, dass die Resultate der Marktforschung deutlich besser sind als ihr Ruf. Denn allen Unkenrufen zum Trotz ist eine erfolgreiche Strategiefindung in der heutigen Wirtschaft ohne Marktforschung nicht mehr vorstellbar. Kaum ein Unternehmen prüft nicht vor der Einführung eines Produktes, wie der Markt sich im betreffenden Segment entwickeln oder wie das Publikum auf einen allfälligen Launch reagieren wird.
Entsprechend boomt der Markt: Wie die genannte Infas-Erhebung zeigt, gaben deutsche Firmen im Jahr 2000 11 Prozent ihres Werbe-Etats für die Marktforschung aus. Die Studie zeigt auch, dass 57 Prozent der Unternehmen die Marktforschung als Instrument zur Zielgruppenbestimmung für ein Produkt oder eine Dienstleistung einsetzen, wobei 60 Prozent der Befragten den wirtschaftlichen Nutzen als "gross" oder "sehr gross" bezeichnen.
Auch in der Schweiz zählt die Marktforschung zu den Wachstumsmärkten, wie unser Schwerpunktthema in dieser InfoWeek-Ausgabe zeigt. Gerade im IT-Umfeld profitieren unzählige Unternehmen von den Erhebungen der einschlägigen Schweizer Institute.
Wer sich also die Zeit nimmt und an einer Befragung mitmacht, hilft der Wirtschaft, zielgruppengerechte Lösungen und Produkte zu lancieren. Wenn Sie deshalb beim nächsten Mal während der Tagesschau von einem Meinungsforscher kontaktiert werden, machen Sie es wie ich: Verweisen Sie auf Ihre TV-Vorlieben und bitten um einen weiteren Anruf nach 20 Uhr.
(rd)