Editorial

Internet-Szene Schweiz: Kaum Innovation für viel Geld


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/20

     

Die Schweiz steht punkto Internet-Nutzung im internationalen Vergleich regelmässig auf einem Spitzenplatz. Allein die Privathaushalte haben 2004 über 2,3 Milliarden Franken fürs Internet ausgegeben, und die Anzahl der Breitbandanschlüsse steigt und steigt – Mitte Jahr waren es über 850'000, das entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr sowie einer Marktpenetration von 11,5 Prozent. Weltweit steht unser Land damit auf dem achten Platz; Spitzenreiter ist derzeit Südkorea mit 25 Prozent.





Zurück in die Schweiz: Beim Internet-Access nimmt der Breitbandanteil zwar rasant zu, der Zugang per ISDN wird fast komplett verschwinden. Innovationen auf der Angebotsseite sind dagegen mehr als spärlich. Eine der allerletzten Neuerungen, das Billig-ADSL-Angebot von Sunrise, ist mit 150 Kilobit pro Sekunde Upload-Speed und, man kann es kaum glauben, hyperschmürzeligen 20 Megabyte monatlich inbegriffenem Datenvolumen ja erstens nicht wirklich ernstzunehmen und zweitens kaum als echte Innovation zu verstehen – das einzig einigermassen Neuartige sind der Abopreis und die reduzierte Aufschaltgebühr.
Ein Hauptgrund für den hiesigen Breitband-Innovationsmangel ist mit absoluter Sicherheit die nach wie vor ungebrochene Monopolstellung der Swisscom, von der alle anderen ADSL-Anbieter abhängig sind. Ausser einem zusätzlichen Einstiegs-Business-Abo mit symmetrischen Up- und Downloadraten von 300 kbps hat sich hier seit Ewigkeiten nichts getan.
Während zum Beispiel in Deutschland ADSL-Anschlüsse mit bis zu 6000 kbps Upload gang und gäbe sind und ADSL in einigen Ballungsräumen bereits mit 16 Megabit pro Sekunde zu haben ist, dümpelt der Maximalspeed hierzulande immer noch bei 2400 kbps herum. Es ist mir nicht völlig klar warum – entweder die Swisscom-Infrastruktur verträgt keine höheren Geschwindigkeiten und ist damit schlecht konzipiert, oder das Geschäft mit den langsameren Anschlüssen läuft viel zu gut.






Der einzige Lichtblick: Bei der technischen Alternative, dem Fernsehkabel, hat man es in einigen Gebieten immerhin schon bis zu 6000 kbps gebracht, obwohl ja auch hier faktisch ein Monopolist am Werk ist. Das Cablecom-Spitzenangebot ist überdies auch preislich hochinteressant, da man für mehr als die doppelte Geschwindigkeit gleich viel wie für das ADSL-Top-Angebot bezahlt.
Beim Hosting sieht es auf den ersten Blick anders aus: Auch nach diversen Übernahmen kreucht und fleucht es in der Hosterszene mit rund 400 Anbietern immer noch ameisenhaufengleich. Hier ist die Vielfalt eher zu gross – das geplante Simsa-Label «Swiss Quality Hosting» mag den Dschungel etwas entwirren, wird an der schieren Anbieterflut an sich aber wenig ändern. Immerhin: Ein günstiges Hosting-Abo erkauft man sich heute nicht mehr mit «Serverstandort USA». Es gibt inzwischen genügend seriöse Schweizer Anbieter mit hochverfügbarer Infrastruktur im professionell betriebenen Datacenter.





Noch nicht so breit erhältlich ist Dedicated Hosting. Manche Hoster ermöglichen zwar auch kleineren Web-Agenturen mit Reseller-Programmen den Weiterverkauf von Webspace an ihre Kunden; ein Beispiel ist der «virtual ISP» von Hostpoint. Das ersetzt aber den vollen Zugang zum ureigenen Server nur teilweise.
Echte Dedicated-Server zu erschwinglichen Preisen kommen erst allmählich auf – der Pferdefuss bei den meisten Angeboten ist das Datenvolumen, das fast alle Dedicated-Anbieter bei Einstiegspreisen zwischen 50 und 100 Franken
pro Monat auf 100 Gigabyte oder weniger
beschränken; was darüber hinausgeht, kommt ziemlich teuer.

(ubi)


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