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Surfer's Corner: Werbung bis zum Abwinken und darüber hinaus

Der «Bitte keine Werbung»-Kleber, in der realen Welt seit langem Realität, hat auch im virtuellen Raum längst sein Pendant gefunden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/08

     

Online-Werbung verliert laufend an Attraktivität, trotz gegenteiliger Beteuerung der Branchenorganisation Internet Advertising Bureau (IAB). Dieses Büro weist in einer "Online Advertising Effectiveness Study" zwar nach, dass ein Werbebanner bereits beim ersten Erscheinen die Brand Awareness für die beworbene Marke steigert, dass Online-Werbung eher wahrgenommen wird als TV-Spots und dass die blosse Anzeige eines Banners mehr zur Werbewirkung beiträgt als die allenthalben heiliggesprochene Clickthrough-Rate. Einschränkend darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Studie zwischen der online beworbenen Testgruppe und der werbelos gebliebenen Kontrollgruppe nur gerade ein paar Prozent Awareness-Unterschied nachweisen konnte.


Online-Werbung ist weg vom Fenster

Anyway, die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die meisten Werbebanner werden heutzutage schlicht und einfach übersehen. Vor einigen Jahren, als das Web an sich und die Online-Werbung erst recht für die meisten User noch hochinteressantes Neuland waren, das es mit penibler Genauigkeit zu erforschen galt, mag dies anders gewesen sein. "Was blinkt und zuckt denn da? Muss ich unbedingt anklicken!" war die gängige Reaktion auf die werbetechnischen Pioniertaten der ersten wagemutigen Banner-Werbekunden.



Mittlerweile hat sich Bannerwerbung wie ein allgegenwärtiger, nicht totzukriegender Schimmelpilz selbst bis zur unbedeutendsten Website hin vermehrt. Sie wird vom Surfer folgerichtig als leider kaum zu vermeidendes Übel angesehen. Den allerschlechtesten Ruf geniessen Sites, die gleich vielfach mit Bannern vollgepflastert sind.




Kein Wunder, dass sich im Lauf der Jahre bei vielen Webbenutzern ein Syndrom namens Banner Blindness entwickelt hat: Animierte Grafiken, die in ihren Dimensionen in etwa dem Banner-Standard-Vollformat von 468 mal 60 Pixeln entsprechen, blendet man aus der bewussten Wahrnehmung automatisch aus. Und für Surfer, die dagegen immun sind, gibt es allerlei Browser-Add-Ons, die Grafikeinlagen entsprechender Grösse ebenso automatisch gar nicht erst auf der Webseite erscheinen lassen. Fazit: Der "Bitte keine Werbung"-Kleber, in der realen Welt seit langem Realität, hat auch im virtuellen Raum längst sein Pendant gefunden.




Wolkenkratzer sind keine Lösung

Nun sind also, wie unser Artikel auf Seite 13 deutlich macht, findige Köpfe beim IAB auf eine ganz geniale Idee gekommen. Wenn, so folgerten die IAB-Masterbrains messerscharf, der Durchschnittssurfer Banner in Standardgrössen links liegen lässt, braucht man ihn nur mit einem bisher unbekannten Format zu traktieren, und alles kommt wieder ins Lot mit der Awareness. Das Resultat der expertenseitigen Hirntätigkeit sind sage und schreibe sechshundert Pixel hohe sogenannte "Skyscrapers" sowie "Rectangles", die bis zu 336 Pixel breit sein dürfen. Immerhin wurde wenigstens das Maximalgewicht mit zwanzig Kilobyte festgelegt, was aber auch schon einem grösseren Web-Bild entspricht.



Zur Erinnerung: Der gut ausgestattete PC-Anwender verfügt heute über einen Bildschirm mit 1024x768 Pixeln Auflösung und möchte vielleicht nicht immer den Gesamtscreen für das Browserfenster freihalten. Ein Werbewolkenkratzer hat also in der Höhe gerade mal knapp auf der verfügbaren Fläche Platz, und das grösste Werberechteck frisst über ein Drittel der Monitorbreite. Von kleineren Anzeigen, wie sie in Mobilgeräten zum Zug kommen, sei hier gar nicht die Rede, und auch mein 480 Pixel hohes Sony-Notebookdisplay wird mir kaum je einen Skyscraper in voller Pracht präsentieren.




Alles in allem dürften die neuen Werbeformate zwar die vermehrte Aufmerksamkeit erzeugen, die als Maxime wohl die Überlegungen der Experten dominiert hat, aber Aufmerksamkeit heisst noch lange nicht Akzeptanz. Der Schuss könnte sogar voll und ganz in die Hose gehen: Statt wie bisher bloss einzelne Banner geflissentlich zu übersehen, wird wohl manch ein Surfer eine Website, die mit Werbung im Gigantenformat aufwartet, erst gar nicht mehr aufsuchen.



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