Surfer's Corner: Datenschutz - nein danke!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/02
Nicht wenige Internetnutzer sind ängstliche Menschen. Hinter jedem Webformular, auf dem zwecks Zugriff auf technische Supportinformationen, für kostenlose Software-Downloads oder zur Bestellung eines Hundefutter-Gratismusters eine Mail-Adresse oder gar noch Intimeres anzugeben ist, wird eine Weltverschwörung zigarrenrauchender Wirtschaftsbosse vermutet. Diese, so wird messerscharf gefolgert, haben fürderhin nichts anderes im Sinn, als den armen Surfer solange mit unerwünschter Werbung zu belästigen, bis der ihre Produkte en masse erwirbt. Ins gleiche Kapitel, so die entrüsteten Konsumenten, geht das unsägliche Datensammeln der Grossverteiler, die mit Programmen wie Cumulus oder Supercard nichts anderes als die definitive Realisierung des gläsernen Menschen beabsichtigen.
Ebenfalls gefürchtet wie der Teufel: Das Cookie. Da erlauben es sich einige Websites doch tatsächlich, Statusinformationen auf der Festplatte zu speichern. Der klare Vorteil der Wiedererkennung beim nächsten Besuch fällt für den vom Verfolgungswahn erfassten Surfer nicht ins Gewicht. Es könnte sich mit dem Cookie ja das Böse auf dem eigenen PC einnisten.
Ich gestehe offen: Mir fehlt das Verständnis für die Angstsurfer. Ist es denn wirklich so schlimm, wenn eine Firma, beziehungsweise ihr IT-System, über meine Mail-Adresse oder meine Interessen und Vorlieben informiert ist? Gebe ich wirklich etwas Intimes von mir preis, wenn ich ankreuze, dass ich meinen PC sowohl für Privates als auch fürs Geschäft nutze? Mir scheint, dass hier aus Mücken Elefanten gemacht werden. Und selbst wenn per Data Mining festgestellt wird, dass ich als bekennender Sushi-Liebhaber zwei Digitalkameras besitze und nicht an Haarausfall leide, ist das kein unzulässiger Einblick in mein Innerstes.
Man erinnere sich im übrigen daran, dass in nicht allzu ferner Vergangenheit das Leben in dörflichen Gemeinschaften oder im eng begrenzten Stadtquartier die Regel war. Damals kannte jeder jeden, und alle wussten von ihrem Nachbarn, wie, wo, wann und vielleicht sogar warum etwas geschah oder eben so ist. Es ging den Menschen deswegen kaum schlechter als heute, wo für viele schon die Publikation ihrer Mail-Adresse die Privatsphäre verletzt. Paradox ist unter diesem Gesichtspunkt, dass zunehmende Klagen über Anonymität und Vereinsamung in der heutigen Gesellschaft zu hören sind.
Ansatzweise nachvollziehen kann ich den Ärger über die elektronische Werbeflut. Auch in meiner Inbox finden sich täglich ein oder zwei Dutzend unverlangte Werbemails, von denen mir mindestens drei ein besonders günstiges Viagra-Angebot unterbreiten.
Aber Abhilfe ist möglich. Meine Reaktion auf den Mail-Wust, die ich allgemein empfehlen kann: Sofort löschen! Nichts geht schneller, und nicht einmal die Maus muss dazu bemüht werden: Einmal die Delete-Taste gedrückt, und die Sache ist gespült. Auf keinen Fall antworten und sich auch nicht die Mühe machen, im Mailprogramm einen Spam-Filter einzurichten - die nächste Sendung kommt garantiert von einer anderen Adresse aus. Und sich nicht aufregen - man kann eh nichts dagegen tun. Auch das schärfste Anti-Spam-Gesetz ist gegen Massensendungen aus obskuren Gegenden des Planeten machtlos.
Datenschutzgesetze, die das Sammeln und Auswerten von Informationen von Anfang an verbieten, sind unnötig und kontraproduktiv. Sie hindern die Wirtschaft zum Beispiel daran, gezieltere Werbekampagnen durchzuführen.
Was dagegen umso mehr Not tut, ist ein umfassender Schutz vor dem Missbrauch der gespeicherten Daten. Dazu gehört in erster Linie ein griffiges Instrumentarium gegen Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale, Vorlieben und Veranlagungen, das es zum Beispiel Versicherungen und Arbeitgebern unmöglich macht, Bewerber anhand von irgendwie aus Datensammlungen erlangten Informationen abzulehnen oder schlechter zu stellen. Probleme dieser Art sind gravierender als ein paar unverlangte Werbemails.