Editorial

Jobwunder statt Softwareklau?

Nun ist es öffentlich: An der Krise im IT-Business sind zuallererst die bösen Lizenzverächter schuld.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/07

     

Nun ist es öffentlich: An der Krise im IT-Business sind zuallererst die bösen Lizenzverächter schuld. Über 7000 Arbeitsplätze, so der Antipiraterie-Industrieverband BSA, würden allein in der Schweiz wie die Pilze aus dem regennassen Boden poppen, wenn in Heim und Büro nur schon zehn Prozent weniger raubkopiert würde. Untermauert wird diese Prognose durch ein IDC-ermitteltes Faktum: Jede dritte Softwarekopie soll hierzulande eine Raubkopie sein.



Aus der mir zur Verfügung stehenden Quelle geht nicht hervor, ob der zugegebenermassen erschreckende Prozentsatz auch jede nicht rechtgemäss freigeschaltete Shareware und jedes im Pubertätsalter kopierte Actiongame einschliesst. Auf jeden Fall aber gilt eines: Der Kauf eines Softwareprodukts hängt, unabhängig von der Leichtigkeit des Kopierens, unmittelbar mit dem Preis und der Bequemlichkeit der Lizenzerlangung zusammen. Und hier hat die Industrie einige Selbstschuld an der Klaumisere.




Da wären erstens die nur als exorbitant zu kategorisierenden Preise, die für Massenprodukte wie Windows-Updates und neue Office-Versionen verlangt werden. Zur Information: Der Branchenleader macht mit seinem Hauptprodukt eine Gewinnmarge von 85 Prozent und kann damit Marginalverluste wie diejenigen, die beim Eindringen in den Spielkonsolenmarkt anfallen, lockerer wegstecken als ein Mürbeteigbisquit auf der Zunge zergeht.



Wieso soll ich Hunderte von Franken für neue Features zahlen, die ich sowieso kaum je benötige? Oft wird ein Update ja vor allem in der Hoffnung vorgenommen, das System werde dadurch endlich hinreichend stabil - eine Eigenschaft, die man im Grunde von Anfang an fordern darf. Oder man wird zum Nachrüsten der neuesten Version geradezu gezwungen, weil eine Änderung im Fileformat dazu führt, dass sonst per E-Mail erhaltene Dokumente von Geschäftspartnern nicht mehr gelesen werden können.



Wenig förderlich für eine Abnahme der Piraterie sind zudem zweitens neue Lizenzmodelle, die vor allem höhere Preise bringen: Wie vor kurzem verlautete, führt die im Herbst 2002 eingeführte sechste Version der Microsoft-Lizenz-Usanzen bei 60 Prozent der betroffenen Unternehmen nicht zur Straffung des Budgets, sondern zu höheren Kosten. Kaum ein Anreiz, allenfalls vorhandene illegale Kopien durch ein Lizenzpapier in den Stand der Gesetzlichkeit zu erheben.



Und drittens gehe ich - vor allem, wenn auch der Privatsektor mit in die Pirateriekalkulation einbezogen wird - nach wie vor von meiner alten These aus: Gäbe es keine Kopiermöglichkeit, würde der Grossteil der heute piratierten Software schlicht und einfach nicht genutzt beziehungsweise durch günstigere oder dank Open-Source- oder Freeware-Modell ganz kostenlose Produkte ersetzt.



Man beachte bitte: Ich bin keineswegs ein Befürworter raubkopierter Software. Auf meinen Systemen kommt ausschliesslich lizenzierte Software zum Einsatz - nur eben zum Beispiel statt Office XP die irgendwann mal bei einem PC-Kauf inbegriffene Version 97 oder wahlweise auf einem anderen Gerät der neueste OpenOffice.org-Build. Besondere Erwähnung verdient auch die Shareware-Szene: Innovative, punkto Features und Ressourcenbedarf oft den Produkten grosser Hersteller überlegene Programme decken zumindest für den Privatgebrauch fast alle benötigten Funktionen ab und bieten oftmals sogar Möglichkeiten, die man bei Mainstream-Paketen nicht findet. Die im Geschäftsumfeld wesentliche Support- und Kontinuitätsfrage, mancherorts ein Hindernis für den Einsatz solcher Produkte, beantwortet sich ja auch bei sogenannt namhaften Herstellern in vielen Fällen eher unbefriedigend...

(ubi)


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