Editorial

Pentium II forever?

Nur wenige Firmen sind schon im Pentium-4-Paradies angelangt. Es besteht also Nachholbedarf – oder etwa doch nicht?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/05

     

Es war vom Jammertal die Rede. Noch nie ging es dem PC-Markt so schlecht wie letztes Jahr, und es soll kaum besser werden. Danach jedoch, so suchen Branchenbeobachter wie Röbi Weiss die gebeutelte Industrie aufzumuntern, werde es besser: Eine regelrechte Erneuerungswelle stehe bevor. Nach anfänglicher Skepsis konnte die InfoWeek-Redaktion, gestützt auf eine Umfrage, die angenehmen Aussichten bestätigen. Verschiedene grössere Schweizer Unternehmen planen, ihre teils recht bejahrten Desktop-Einöden demnächst in blühende Landschaften zu verwandeln. Die InfoWeek-Umfrage ergab auch Detailergebnisse. Der Durchschnitts-PC in Firmen wie Basler, Credit Suisse und Swisscom ist mit PII- oder PIII-CPUs mit Taktraten weit unter einem Gigahertz ausgestattet. Nur wenige sind schon im Pentium-4-Paradies angelangt. Es besteht also Nachholbedarf - oder etwa doch nicht?



Ein PC-Neukauf kann aus Unternehmenssicht, auch dies ein Resultat der Umfrage, mehrere Gründe haben. Der offensichtlich wichtigste: Altersschwäche. Wie manche Gerätschaft - dabei dachten wir doch immer, ein elektronisches Produkt halte besonders lang - bleibt auch ein Personal Computer nicht immer jung. Komponenten wie Harddisks, aber auch der Prozessor selbst, sind nicht für die Ewigkeit gedacht; das wäre für die Industrie ja auch eine Grauensvorstellung der unheimlicheren Art.




Die meisten Anwender setzen das Limit für den Einsatz einer Client-Generation auf drei, vier Jahre an und passen sich damit der im zitierten InfoWeek-Artikel so treffend als Würgegriff bezeichneten Doktrin der herstellerseitigen Garantiefristen an. Danach kommt's offenbar billiger, neu zu kaufen, als Reparaturen nach Tarif vorzunehmen. Das mag stimmen, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein pfleglich behandelter PC meist weit länger ohne jedes Problem funktioniert und dass zum Beispiel eine gecrashte Harddisk weit billiger ausgetauscht als ein neuer PC beschafft ist.



Der zweite Grund für den PC-Ersatz scheint mir noch weniger stichhaltig: Wer eigentlich braucht die geballte Leistung, die ein heutiger PC bietet - Prozessoren mit drei Gigahertz, Harddisks mit 160 Gigabyte, Grafikkarten mit 3D-Turbo? Der durchschnittliche Office-User sicher nicht, ausser er folgt willfährig dem sirenengleichen Lockruf der Software-Industrie und gradet seine Applikationen im Staccato der Release-Fahrpläne permanent up.



Da bereits dies nicht nötig ist - die vorliegende Kolumne entsteht zum Beispiel mit Word 97, das kein bisschen schlechtere Texte schreibt als die XP-Variante - braucht es für die Mehrzahl der Durchschnittsarbeitsplätze auch nicht so dringend einen neuen PC, wie es die Hardware-Hersteller gerne hätten.



Wohlgemerkt: Es gibt durchaus Anwendungen, die nach Leistung und Kapazität hungern. Audio- und Videobearbeitung zum Beispiel, 3D-Rendering, oder das Erstellen von Multimediapräsentationen. Damit aber beschäftigt sich nun wirklich nicht die Mehrzahl der PC-User im Firmenumfeld - das einfache PowerPoint-Slide motzt auch bei bloss 500 Megahertz nicht. Es muss ja nicht gleich "Pentium II forever" heissen, aber der konservativ gehandhabte Umschlag des PC-Bestandes dürfte sich in vielen Betrieben als gute Sparmöglichkeit erweisen, auch wenn dies den PC-Herstellern kaum gefällt.

(ubi)


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