Personalmutation per Workflow

In der Zuger Kantonsverwaltung läuft bei der Personaladministration alles rund – dank einem Workflow-System und definierten Prozessen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Die Kantonale Verwaltung Zug besteht aus sieben Direktionen, einer allgemeinen Verwaltungsabteilung und den richterlichen Behörden mit insgesamt 1600 Mitarbeitern. Bis vor zweieinhalb Jahren waren Personalmutationen mit einem regelrechten Papierkrieg verbunden.


Ein Mitarbeiter, drei Ämter

Um die Personaladministration kümmern sich drei verschiedene Ämter: Das Personalamt (PA) ist für die Lohnabrechnung und andere allgemeine Aufgaben zuständig, die Infrastruktur samt Parkplatz und Zutrittsbadge erhält man vom Hochbauamt (HBA), und den Zugriff auf Informatikanwendungen hat das Amt für Informatik und Organisation (AIO, früher ITL) unter sich. Beim Eintritt eines neuen Mitarbeiters musste der zuständige Vorgesetzte in der Vergangenheit die gleichen Personalien mehrmals auf Papierformularen eintragen; für einzelne Bereiche wie die Telefonie existierte nicht einmal ein Formular.





Team- und Projektleiter Roger Studerus hat die Folgen am eigenen Leib erfahren: An seinem ersten Arbeitstag im AIO vor fünf Jahren stand kein PC-Arbeitsplatz bereit, und das Telefon war zwar vorhanden, aber noch nicht mit seinem Namen beschriftet. Kurz: Die drei parallelen Mutationsprozesse waren damals ungenügend koordiniert, fehleranfällig und zeitaufwendig.





Der Ablauf beim Eintritt eines neuen Mitarbeiters


Globales Verzeichnisprojekt am Anfang

Ein wichtiges Projekt, das Studerus 2001 zu betreuen hatte, war die Synchronisation verschiedener Verzeichnisdienste zu einem Global Directory System (GDS) auf Basis von Novell eDirectory. Im Zusammenhang mit dem zentralisierten Identitätsmanagement wurden bis Ende 2001 auch neue Prozesse für die Personalmutation definiert und auch verwaltungsintern genehmigt. Damit stand die Basis für die Realisierung der dirXML-Konnektoren zu den unterschiedlichen Verzeichnisdiensten.
Bei Roger Studerus kamen dabei Zweifel auf, ob die neu definierten Personalmutationsprozesse über drei Ämter auf dem herkömmlichen Papierweg überhaupt funktionieren würden. Da ein Kredit für ein Pilotprojekt mit einem Workflow-System zur Verfügung stand, konnte als Ergänzung zum GDS-Projekt auch das softwaregestützte Prozessmanagement in Angriff genommen werden, das eigentlich erst in einer zweiten Phase vorgesehen war.


Projekt blitzschnell umgesetzt

Nach einer Projektausschusssitzung Anfang März 2002 ging es rasch weiter. Innerhalb eines Monats war die Evaluation erledigt, am achten April konnte mit der Umsetzung begonnen werden, Anfang September liefen die Workflow-gestützten Mutationsprozesse produktiv.
Bei der Auswahl des Workflow-Systems spielten verschiedene Kriterien eine Rolle:




Direkte Integration mit dem GDS via LDAP



Start eines Prozesses durch Einlesen von Daten aus einem Flat-File



Keine Benutzerverwaltung, sondern Integration mit bestehendem Active-Directory-Service



Möglichkeit für Eskalationswege



Möglichkeit, Dokumente anzuhängen



Keine Softwareinstallation auf Benutzerseite – reiner Web-Client oder Integration in Groupwise





In der Auswahl standen zunächst vier Varianten, darunter auch die bestehende Facility-Management-Software, die ebenfalls Workflow-Funktionen bot, aber nicht genügend flexibel war. Alle drei anderen, professionellen Produkte hätten die gestellten Anforderungen erfüllt – sie liegen von der Funktionalität her sehr nahe beieinander. Ausschlaggebend beim Entscheid für ivyGrid war letzten Endes die Wirtschaftlichkeit. Neben dem Preis kam dem AIO auch die Geografie entgegen: Der Hersteller ivyTeam ist ebenfalls in Zug zuhause.





Die ivyGrid-Entwicklungsplattform erlaubt die grafische Definition des Prozessablaufs bis ins Detail über einen grafischen Prozess-Designer. Auf der Client-Seite wird nur ein Browser benötigt; für die Gestaltung der Web-Formulare ist ein Content-Management-System integriert. Nach der Definition kann ein Prozess über die integrierte Prototyping-Engine simuliert werden; danach lässt sich der funktionierende Workflow auf den Java-basierten ivyGrid-Produktionsserver übertragen. Die Anbindung externer Systeme wie des Zuger GDS erfolgt über Program-Interface- oder Web-Service-Elemente, je nach Umgebung in Form von Java Beans oder Enterprise Java Beans.





Das IvyTeam lieferte die Software und übernahm auch die Realisierung der durch das AIO und die anderen beteiligten Ämter definierten neuen Prozesse. Die externen Gesamtkosten vom Pilot bis zur Realisierung der ersten Phase beziffert Studerus mit 150'000 Franken.


Komplexe Prozesse grafisch definiert

Die Definition der Mutationsprozesse war eine wichtige Aufgabe. Anfangs rechnete man im AIO mit zwei Prozessen – Ein/Austritt und Mutation. Bei der Realisierung erwiesen sich die Vorgänge rund um die Personaladministration dann doch als wesentlich komplexer. Beim Produktivstart standen sieben unterschiedliche Prozesse zur Verfügung:



• Eintritt


• Eintritt externe Mitarbeiter (in der kantonalen Verwaltung tätig, aber durch externe Betriebe entlöhnt / Projektmitarbeiter)


• Umzug Arbeitsplatz


• EDV-Mutation (neue/geänderte Berechtigungen)


• Austritt


• Persönliche Änderungen (durch den Vorgesetzten erfasst, zum Beispiel Änderung im jeweiligen Arbeitspensum)


• Persönliche Änderungen Mitarbeiter (durch Mitarbeiter selbst erfasst, Beispiel Adressänderung)





Die Workflow-Lösung des AIO wird ausgebaut. Im Lauf der Zeit sind weitere Prozesse hinzugekommen, darunter angepasste Prozesse für die Zuger Polizei ZUPO. Das AIO stellt zudem IT-Dienstleistungen für Gemeinden zur Verfügung, zum Beispiel Mail- und Internet-Zugriff für Gemeindemitarbeiter und Software für die Rechnungsführung und die Einwohnerkontrolle. Die Gemeinde-Informatiker können diese Dienste nun ebenfalls über das Workflow-System bewirtschaften.


Untypisches BPM-Projekt, typisches Resultat

Das Personalmutationsprojekt, vor dreieinhalb Jahren gestartet, hat laut Studerus die erwarteten Resultate gebracht. Die falsche Prozesshandhabung wird minimiert – alle Schritte sind festgelegt, die betroffenen Mitarbeiter erhalten ihre Aufgaben im Mutationsprozess rollenbasiert zugeteilt, und unterlassene Bearbeitungsschritte werden automatisch eskaliert. Die mehrfache Erfassung gleicher Angaben fällt weg, die Datenqualität steigt. Das Workflow-System übernimmt zudem viele Schritte, die vorher manuell bearbeitet werden mussten. Die Prozessdurchlaufzeit ist im Normalfall stark reduziert worden.
In der Folge hat das AIO auf der gleichen Basis bereits mehrere weitere Projekte realisiert. Dazu gehört eine neue Einbürgerungssoftware, die 2003 ebenfalls mit ivyGrid-Unterstützung eingeführt wurde. Im Jahr darauf realisierte das AIO intern ein weiteres Workflow-Projekt: Neu laufen auch Einführungen und Update von Fachanwendungen Workflow-gestützt ab, von der Aufnahme einer neuen Anwendung über Erstellung, Test und Qualitätssicherung der Softwarepakete bis zur Abnahme und produktiven Freigabe.
Studerus stellt abschliessend fest, dass sein Projekt aus heutiger Business-Process-Management-Sicht eher untypisch dasteht. Am Anfang stand mit dem Global Directory System ein technisches Projekt, das zudem von der IT-Abteilung ausging. Das Prozessmanagement war ursprünglich nur ein Nebenaspekt – die IT-Abteilung hattn keinen Anstoss aus der Organisation, ein Workflow-System einzusetzen. Das war damals noch die gängige Realität; heute kommt man meist vom Prozessmanagement-Gedanken her und realisiert erst dann eine technische Lösung.





Der Teufel steckt auch bei der Workflow-Definition im Deteil

(ubi)


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