ICT in der Schule: Eindrücke von der Worlddidac

Das Thema Bildung ist im Trend, in der Schule wie im Unternehmen. An der Basler Worlddidac wurde das Verhältnis von ICT und Ausbildung ausgiebig diskutiert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/20

     

Nein, IT war nicht das einzige Thema an der diesjährigen Worlddidac, die vorletzte Woche nach zweimaligem Zürcher Exil wieder in Basel über die Bühne ging. Die internationale Messe für Lehrmittel, Aus- und Weiterbildung versammelte dieses Jahr 406 Aussteller aus 28 Ländern und konnte mit über 20'000 Fachbesuchern einen Teilnehmerzuwachs von 24 Prozent vermelden. Auch die Begleitveranstaltungen, darunter ein vom Dachverband für Schweizer Lehrerinnen und Lehrer LCH organisierter Treffpunkt mit Promi-Talkshows und das von einem Konsortium verschiedener pädagogischer Fachhochschulen veranstaltete «Forum Weiterbildung», waren laut dem Schlussbericht der Messe Schweiz von einem «erfreulichen Zustrom» geprägt. Aussteller wie Besucher gaben der Veranstaltung grossmehrheitlich gute Noten – ein Urteil, von dem reine IT-Messen heute nur noch träumen.


Bunte Vielfalt

Vom Stempelset über den Taschenrechner bis zum Hightech-Lernsystem fand der Worlddidac-Besucher alles, was irgendwie als Lehrmittel deklariert werden könnte. Nicht zu übersehen waren auch die grossen Flächen der Schulmöbelhersteller. Den grössten Publikumszuspruch aber fanden die Stände der Lehrmittelverlage: Das klassische Schulbuch ist offenbar immer noch das beliebteste Lehrmittel, obschon die meisten Verlage heute auch ein ansehnliches Sortiment an Lernsoftware offerieren – der Computer ist zumindest teilweise schon selbstverständlicher Part im gesamten Lehrmittelcocktail.





Die waschechten IT-Anbieter waren an einer Hand abzuzählen. Neben HP als Hersteller, Letec als Händler mit Edu-Fokus und einigen mehr oder weniger auch ausserhalb der Schulszene bekannten Softwareentwicklern, darunter zum Beispiel Matchware mit Programmen für Multimedia-Authoring und Brainstorming, boten die meisten übrigen IT-orientierten Stände irgendwelche Spezialanwendungen dar, von der Schulklassenverwaltungssoftware «LehrerOffice» bis zur computergesteuerten Stickmaschine.
Ein Renner an zahlreichen Ständen war die computergestützte Auswertung von Laborexperimenten: Versuche in Biologie, Chemie und Physik überwacht man heute in der Schule ganz wie in der Industrie mit Senoren, die ihre Daten über ein Interface mit Analog- und Digitaleingängen an einen PC oder Taschenrechner übermitteln; einige Produkte bieten sogar die Möglichkeit, Experimente übers Internet zu steuern.






Als durchaus ernstzunehmendes Kuriosum bot der deutsche IT-Ausbilder Mikrozert eine Ausbildung zum «Certified Ethical Hacker» an: Nach dieser fünftägigen Schulung mit Vollpension ist der Absolvent in der Lage, seine Brötchen als Security-Consultant mit Penetrationstests zu verdienen.


Diskussionsthema ICT

An den Begleitveranstaltungen waren die Informations- und Kommunikationstechnologien dafür umso besser vertreten. Eine gut besuchte Spezialkonferenz namens «e-education» hatte «kollaborative Wissensnetzwerke – von Outsourcing bis Cyberteamworking» zum Thema, und die Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen SFIB organisierte die Sonderschau «Just do ICT», an der zehn besonders gelungene Informatikprojekte aus der Unterrichtspraxis zu sehen waren.
«Chip & Co. im Schulzimmer» war auch das Thema des «Educationtalk» am HP-Stand, einer dreiviertelstündigen Podiumsdiskussion mit Vertretern der Lehrerschaft und verschiedener offizieller Stellen. Estelle Papaux vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT teilte mit, das Projekt «Schule im Netz» gehe dem erfolgreichen Abschluss entgegen. In den dreitausend Schulen, die dank Partnerschaft mit diversen Herstellern mit Computern ausgestattet und ans Internet angeschlossen werden konnten, ist allerdings noch einiges zu tun, wie der weitere Diskussionsverlauf ergab. Zum einen findet sich im allgemeinen gerade mal ein PC pro Schulzimmer, zum anderen stehen laut einer Umfrage des Lehrerverbands LCH immer noch 16 Prozent der Lehrer dem PC als Lernwerkzeug skeptisch gegenüber, und ein guter Teil des übrigen Lehrpersonals meint, man könne auch gut ohne.


Auch Lehrer müssen lernen

Die ICT-Ausbildung der Lehrkräfte wurde denn auch als besonders dringlich gesehen: Infrastruktur sei schnell aufgestellt, die Instruktion des Lehrers brauche viel länger, meinte SFIB-Direktor Francis Moret: «Das braucht Generationen, das ist einfach so...»
Mit ein Grund für die ICT-Skepsis vieler Lehrer: Heute beherrschen die Schüler den Computer oft besser als sie, meistens allerdings bloss zum gamen. Die Aufgabe des Lehrers, so die einhellige Meinung der Podiumsteilnehmer, bestehe gerade darin, beim Schüler die Lust zum PC-gestützten Lernen zu wecken. Der Computer sei darüber hinaus nicht nur als elektronisches Nachschlagewerk im Stil der Bibliothek von Alexandria, sondern als interaktives Arbeitsmittel einzusetzen – nicht in erster Linie PC-Technik, sondern Methodik und Didaktik sind gefragt, die ja schon immer die Kernkompetenz eines Lehrers waren oder mindestens sein sollten.







Als Noch-Exot in der Schullandschaft stand Matthias Vogel da, der im «Haus des Lernens» der Ostschweizer Privatschule SBW arbeitet. Dort heissen die Lehrer Lernbegleiter, die Schüler Lernpartner, und jeder hat einen eigenen Computer – entweder mitgebracht oder von der Schule gestellt. Auch nach Vogels Erfahrung braucht ein Lehrer nicht zum PC-Crack zu werden. Oft genügten einfachste Arbeiten mit Standardprogrammen, um den PC sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Als Beispiel nennt Vogel die Aufzeichnung von Lektionen als Soundfile, damit die Schüler sich einzelne Stellen später problemlos in Erinnerung rufen können. Den Rest, davon ist Vogel überzeugt, machen die Schüler schon selbst. Er empfiehlt ausserdem, für die rein technischen Aspekte wie Installation, Support und so weiter einen Mediamatiker einzustellen, der käme billiger als ein Lehrer. Vielleicht eine Berufschance für arbeitslose Informatiker?


Schule im Netz

Im Dezember 2000 hat das Bundesamt für Berufsbildung und Technik BBT die Initiative «Public Private Partnership – Schule im Netz» lanciert (www.ppp-sin.ch). Das Ziel ist, «die Nutzung von Informatikmitteln, Multimedia und Internet im Unterricht zu fördern.»
Im Rahmen der Initiative werden kantonale und interkantonale ICT-Projekte an Schulen begutachtet und gegebenenfalls subventioniert. Der Bund stellt dazu einzig die Mittel für die Lehrerfortbildung in Form eines Verpflichtungskredits zur Verfügung, dessen Gesamtsumme das Parlament im Spardruck schon von 100 auf 41 Millionen zusammengestrichen hat. Die Initiative läuft bis 2007, Gesuche können immer noch gestellt werden. Allerdings stehen für den Rest der Laufzeit nur noch rund 7,5 Millionen zur Verfügung.






Die Infrastruktur, die zum Anschluss der Schulen an die ICT-Ära benötigt wird, kommt von Partnern aus der Privatwirtschaft: Hersteller wie Apple, Dell, IBM, Microsoft, Cisco und Sun offerieren ihre Produkte den Schulen zu Sonderkonditionen. Die Swisscom sorgt für den Internet-Access. Auf diese Weise konnten bisher 3000 Schulen mit insgesamt 500'000 Schülern mit PC-Equipment und Netzanschluss ausgerüstet werden – meist aber bloss in Form eines PCs pro Klassenzimmer. Von einer durchgängigen Ausstattung aller Schüler mit individuellen PCs ist man noch weit entfernt.

(ubi)


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