Beim ewigen Online-Zweiten Yahoo knirscht es derzeit heftig im Gebälk. Man möchte einerseits punkto Marktanteil und vor allem Profit zu Google aufschliessen, tut aber auf der anderen Seite alles, um den eigenen Ruf in der User-Community zu schädigen.
Da wird ein Chinese namens Wang Xianoning durch Bekanntgabe seiner Identität regelrecht an die Behörden in Beijing ausgeliefert, weil er in einer Yahoo-Group missliebige Postings plaziert hat. Yahoo gibt sich zwar «distressed», dass im Reich der Mitte keine Meinungsfreiheit herrscht und fordert das US-Department of State sogar auf, die Sache im Kontakt mit China zum «Issue» zu machen – angesichts der Tatsache, dass Wang bereits zu zehn Jahren verknurrt ist, wirkt die lahme Erklärung geradezu höhnisch.
Und schon folgt der nächste Tritt ins Fettnäpfchen. Die weltweit beliebte Foto-Community Flickr (nein, nicht in China, dort wurde sie inzwischen ganz gesperrt) kennt neben familientauglichen Allerweltsfotos die Kategorien «Moderate» und «Restricted». Es geht dabei natürlich um die Präsenz nackter Haut in den publizierten Bildern. In den meisten Ländern wird dergestalt kategorisiertes anstössiges Bildmaterial zwar per Default ausgeblendet, der Filter lässt sich aber abschalten. Nicht so in einigen sexuell verklemmten Staaten, darunter auch Deutschland: User mit Standort in unserem nördlichen Nachbarland kriegen Schlüpfriges zumindest auf Flickr schlicht überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Dies mag mit der deutschen Gesetzeslage zusammenhängen, die für solches Material strikt eine Altersverifikation vorschreibt – aber genau dies hätte man doch im Vorfeld abklären und technisch lösen können, statt den Teutonen einfach einen Teil der Inhalte zu verweigern.
Die heftigen Reaktionen in Foren und Blogs und noch mehr die offenbar scharenweise erfolgten Kündigungen deutscher Flickr-User zeigen jedenfalls, dass der eigentlich als feierliches Ereignis geplante Launch der deutschsprachigen Flickr-Oberfläche gründlichst in die Hosen ging. Immerhin hat Flickr die Filter für deutsche User inzwischen leicht gelockert: «Moderate»-Bilder dürfen sie jetzt wieder sehen, «Restricted» bleibt aber weiterhin tabu.
Da kommt es doch gerade passend, dass der bisherige CEO und Verwaltungsratspräsident in Personalunion, Terry Semel, zurücktritt und zum «Non-executive Chairman» relegiert wird und jetzt wieder Yahoo-Mitgründer Jerry Yang fürs Operative zuständig ist. Ob Yang allerdings das Steuer herumreissen kann, bleibt angesichts der astronomischen Distanz zu Google fraglich. Man kann Herrn Yang nur Glück wünschen und ihm vielleicht folgendes anraten: Wer global im Geschäft mit Informationen, Meinungen und Menschen tätig ist, fährt auf die Länge gesehen besser, wenn er nicht willfährig den Pressionen nach kurzfristigem Börsenerfolg und rascher Profitmaximierung nachgibt, sondern konsequent und glaubwürdig zwischendurch auch mal auf moralisch fragwürdige Geschäfte verzichtet.
(ubi)