Kaum zu glauben: Es geht noch teurer!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/21
"Eine SMS ist 2580 mal teurer als eine E-Mail" - so titelte die deutsche Sachzeitschrift MC2 im Editorial ihrer März-Ausgabe. Dem erschreckenden Resultat lag eine simple Rechnung zugrunde, die den Preis einer SMS-Nachricht (bei T-Mobile acht Euro-Cent) mit den Kosten einer per 9600-Bit-pro-Sekunde-Telefonleitung übermittelten E-Mail-Message mit ebenfalls 160 Zeichen verglich. In der Schweiz liegen mit SMS-Preisen um die zwanzig Rappen ähnliche Verhältnisse vor.
SMS hat sich dank des Enthusiasmus, mit dem Jugendliche Nachrichten der Wichtigkeitsstufe "Hi, cu @ 1700" an genau den Freundeskreis senden, mit dem sie ohnehin ohne Unterlass zusammen sind, zum Boom par excellence entwickelt. Und es greift um sich: Sogar top-seriöse Anwender wie mein guter Freund M., der sich bald mit zwei Doktortiteln schmücken kann und aus verständlichen Gründen ungenannt bleiben will, müssen gestehen: "Ich verschickte letzten Monat 570 SMS."
Dennoch sind die Zeiten für das Mobilfunkgewerbe nicht mehr so rosig: Nachdem die Bewohner der zivilisierten Welt vom Säugling bis zum Tattergreis mindestens ein Handy besitzen, muss eine neue Cash-Cow her, um die exorbitanten Investitionen in Netzaufbau und UMTS-Lizenzen wieder hereinzuholen und die verschwindenden Gerätemargen mit Masse wettzumachen. Da kommt MMS gerade richtig: Telco-Ausstatter wie Ericsson können ihren Kunden neue Gerätschaften verkaufen, namentlich die zentralen MMC-Systeme, die zur Vermittlung der multimedial angereicherten Kurznachrichten benötigt werden. Handy-Hersteller haben mit MMS-fähigen Mobiltelefonen den Ersatz für die gegenwärtigen Ladenhüter parat. Und die Provider können, nachdem aus Konkurrenzgründen die Preise allenthalben gesenkt werden mussten, nun endlich wieder einmal etwas Neues und demzufolge schön Teures auf ihr Service-Menü setzen.
Das Beispiel von Swisscom Mobile zeigt, wie das MMS-Zeitalter für den Konsumenten aussieht - der Schweizer Marktführer will, im Gegensatz zur GPRS-Einführung, diesmal der Erste im Ziel sein: Schon seit dem dritten Juni können Swisscom-Abo-Kunden, und nur diese, auf dem Swisscom-Mobilnetz MMS-Messages herumschicken. Dabei handelt es sich - Originalton Ericsson - um "Töne, bunte Bilder und formatierter Text für mobile Nachrichten". Swisscom selbst wirbt mit dem stechenden Argument "Der letzte Schrei von Swisscom Mobile."
Die Voraussetzung für den letzten Schrei ist der Besitz eines MMS-fähigen Endgeräts, und da gibt es bisher nur ein Modell von Sony Ericsson. Die anderen Hersteller warten, bis die Netzbetreiber den Service anbieten, die anderen Netzbetreiber, bis genügend Geräte beim Publikum sind - eine Art Huhn-Ei-Frage. Da wegen der rudimentären Verbreitung MMS-fähigen Equipments vorerst nicht mit allzu viel MMS-Aktivität zu rechnen ist, bietet Swisscom Mobile den Service vorerst gratis an. Dies gilt bis Ende September; danach kostet es gestaffelt nach Datenmenge: Bis 10 kB sind 80 Rappen zu entrichten, damit lässt sich laut Swisscom "ein Bild mit Ton" versenden. Das scheint mir angesichts der Qualität eines Unter-Zehn-Kilobyte-JPEG-Bildes dann doch zu teuer.
Ob MMS der nächste Mobilfunk-Boom nach SMS wird, steht in den Sternen. Wundern würde es mich nicht: Farbige Bildli zogen die mit MMS angepeilte Zielgruppe "Jugend" schon immer magnetisch an.
(ubi)