Eine Schreibtischlampe wir keine zuvor
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/08
Der neue iMac, von Apple-Guru Steve Jobs Anfang Januar der erstaunten Öffentlichkeit vorgestellt, bleibt auch nach Wochen Gegenstand heftiger Diskussionen. Es ist nun Zeit, Argumente und Tatsachen zu ordnen und die intelligente Schreibtischlampe ins rechte Licht zu rücken. Die Basis für meine Betrachtungen ist einmal mehr ein Diskussions-Thread im InfoWeek-Forum.
Einer der meistgenannten Punkte: Bringt der iMac eingefleischte PC-User dazu, auf die Mac-Plattform umzusteigen? Wohl kaum. Windows ist, das muss den Mac-Adepten einmal gesagt sein, heute kein bisschen weniger benutzerfreundlich als das Mac OS. Seit Version 8 kupfert das Macintosh-Betriebssystem sogar von der Windows-Plattform ab und nicht mehr umgekehrt. Ein Beispiel ist das per Control-Klick abrufbare Kontextmenü, das es unter Windows dank rechter Maustaste ja schon lange gibt.
Aber um den Umstieg geht es Apple am allerwenigsten - die neue All-in-One-Generation soll eher erstens die bestehende Mac-Gemeinde bei der Stange halten und zweitens bisherige Überhaupt-nicht-User zum Einstieg auf der Mac-Seite bewegen, statt sich als Erstgerät ein Wintel-System zuzulegen. Und das dürfte mit dem neuen Gerät bestens klappen; davon zeugen die 150'000 Vorbestellungen, die beim Hersteller bereits Ende Januar eingetroffen sind.
Manch ein Forum-Teilnehmer vermerkt zwar, das Design des neuen iMac sei atemberaubend, die darin enthaltene Technik genüge jedoch nicht den aktuellsten Anforderungen: "Ich würde mir rein vom Design her lieber sowas auf den Tisch stellen, aber wirklich nur vom Design-Aspekt her."
Verzeihung, aber das ist Mumpitz. Beim "Design" handelt es sich nämlich nicht bloss um die äusserliche Ästhetik des Halbkugelgehäuses samt Schwenkarm und Flachbildschirm (letztere Kombo übrigens von kritischen Stimmen als "Schwenkarm-Gefusel" apostrophiert, das man jeweils umständlich zu bewegen habe, wenn eine CD oder DVD geladen werden soll), sondern um das im Fall des iMac wohlabgestimmte Ensemble aus Prozessor-, Speicher- und Grafikleistung, integrierter Peripherie, kompakter Gesamtform und zahlreichen eleganten Details. Nicht zu vergessen: das perfekt auf die Hardware abgestimmte Betriebssystem, das zudem im Gegensatz zum neuesten Microsoft-Elaborat nicht "aktiviert" werden muss. Dazu kommt eine ganze Palette wirklich nützlicher Software vom Bildbetrachter bis zur kleinen Office-Suite, die den scheinbar hohen Preis des Gesamtpakets ziemlich relativiert.
Die achthundert Megahertz, mit denen der PowerPC-G4-Prozessor im iMac getaktet ist, wirken schmürzelig gegenüber der Gigahertz-Megalomanie auf Wintel-Seite, aber: Erstens lassen sich Taktfrequenzen zwischen verschiedenen Prozessorarchitekturen nicht direkt vergleichen, und zweitens ist der iMac ein Computer für die breite Masse und nicht das leistungsmässige Spitzenmodell der Plattform; dafür hat Apple den Dual-Gigahertz-G4 im Programm. Zum Thema Taktfrequenzen präsentiert die Apple-Website übrigens ein instruktives Video, das mit einigen Vorurteilen aufräumt.
Ebenfalls vorgebracht: "Würde denn die Onboard-08/15-Grafikkarte ein Video-Editing zulassen?" Hier kann ich beruhigen: Der Macintosh ist spätestens seit den ersten Modellen mit G4-Prozessor und integrierten FireWire-Ports von Haus aus, das heisst ohne irgendwelche Zusatzhardware, bestens Video-tauglich, zumal die passende Software gleich mitgeliefert wird und, da sind sich die User einig, mit höchstmöglicher Unkompliziertheit überraschend ansprechende Resultate liefert. Die integrierte 08/15-Grafikkarte ist im übrigen immerhin mit einem Geforce-2-MX-Chip ausgestattet.
All-in-One-Designs und damit auch der iMac haben laut gängiger Ansicht einen gravierenden Nachteil: Sie leiden unter mangelnder Erweiterbarkeit. Wer die Sache so sieht, denkt kurzsichtig. Anno 2002 ist Erweiterbarkeit nämlich nicht mehr mit möglichst vielen PCI-Slots gleichzusetzen. Ein Computersystem lässt sich bestens über USB- und Firewire-Anschlüsse mit zusätzlichen Funktionen ausstatten, und von denen hat der iMac ja nun wirklich genug: Fünf USB- und zwei Firewire-Ports versorgen viele, viele Zusatzgeräte, die sich erst noch wesentlich einfacher ins System integrieren lassen als umständliche interne Steckkarten.