Schweizer IT ohne Hypes
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22
Die IT-Abteilungen von grösseren und kleineren Schweizer Unternehmen und Organisationen haben viel zu tun, besonders gegens Jahresende hin. Dies ist das erste Ergebnis einer Umfrage bei über 50 IT-Leitern: Die grosse Mehrzahl der angefragten CIOs fand für eine Antwort schlicht keine Zeit. Wir haben die CIOs gefragt, welche Technologien für sie 2007 besonders wichtig sind und welche grösseren Projekte in ihrer Organisation anstehen.
Ausserdem schätzt der Schweizer IT-Leiter beziehungsweise dessen Firma offensichtlich die Diskretion – die meisten Anwortenden baten darum, Firma und Name nicht zu erwähnen.
Ein Charakteristikum, das sich durch alle Antworten zieht: In
trendigen IT-Blogs hochgehypte Technologien fallen in der praktischen Anwendung durch. So sieht es zum Beispiel der Informatikleiter einer Innerschweizer Rehabilitationsklinik: «Wir setzen selten auf einen Hype, sondern haben einen pragmatischen, moderaten Ansatz bei der IT-Entwicklung.» Dies ist die typische Einstellung bei KMU, Grossunternehmen und Behörden gleichermassen.
In eine ähnliche Richtung gehen die Erkenntnisse eines Ostschweizer Kantonalbank-CIO. Er findet zwar die Konvergenz von Daten und Sprache samt den zugehörigen Techniken VoIP und Bandbreitenmanagement grundsätzlich wichtig, ist von den bisherigen Erfahrungen damit aber nicht begeistert. Dennoch hat seine Bank im Jahr 2007 neben einem grösseren Projekt bei den Kern-Bankenapplikationen auch die Telefonie im Projektvisier. Als interessante Möglichkeit zur Standardisierung und Kostensenkung sieht er auch den vermehrten Einsatz von Multifunktionsprinting.
Das Hauptthema vieler Schweizer IT-Abteilungen wird auch 2007 die Vereinfachung und Standardisierung der Infrastruktur sein – entweder hat man solche Projekte bereits abgeschlossen, sie sind noch am Laufen, oder fürs kommende Jahr geplant. Aris Zemp, Fachbereichsleiter Informatik bei der Gemeinde Langenthal: «Wir haben 2006 eine Migration der Windows-2000-Server und Citrix Metaframe auf den Citrix Presentation Server durchgeführt. Dabei haben wir Technologien eingesetzt, die von denen ich überzeugt bin, dass sie auch 2007 im Trend liegen.» Als Beispiel nennt Zemp das vollautomatische Software Configuration Management mit Hilfe des Enteo-Tools Netinstall und die Virtualisierungstechnik von Microsoft.
Immer wichtiger werden für Zemp Client-Security und Web Services: Der Park an Mobilgeräten vom USB-Stick bis zum Notebook wächst, und die Endgeräte müssen geschützt werden. Web Services kommen als Möglichkeit zur Nutzung global verbundener heterogener IT-Systeme «ungebremst auch auf uns zu und dringen immer mehr in einzelne Bereiche der Verwaltung vor».
Konsolidierung ist auch für den CIO der Kaba Holding das Schlagwort der Stunde. Der Konzern besteht aus sehr vielen Einzelunternehmen, darunter zahlreiche Landesvertriebsgesellschaften und Produktionsbetriebe mit insgesamt 4700 Clients. Nachdem eine «grosse, weltweite Giga-Konsolidierung» als «Operation am offenen Herzen» nicht realisierbar war, geht man nun an eine «Light-Version». Dazu gehört die Vereinheitlichung der Software innerhalb eines Landes; in Deutschland zum Beispiel werden bisher unterschiedliche Lösungen durch ein einheitliches ERP-System abgelöst.
Neben der Konsolidierung steht für Hansjörg Naef 2007 die IT-Sicherheit ganz vorne, ausserdem Themen wie Business Continuity, die laut Naef «schon vor Jahren einmal aktuell waren und jetzt wieder angeschaut werden müssen. Wenn ich mich mit CIO-Kollegen unterhalte, stelle ich fest: Es läuft im Moment eigentlich überall so, dass wieder einmal aufgeräumt wird.»
Das heisst aber nicht, dass bei Kaba nur Standard-IT betrieben wird. Die einzelnen Geschäftsbereiche entwickeln laufend individuelle produktnahe Applikationen, die teils intern genutzt werden und teils für die Kunden bestimmt sind. Der Bereich Door Systems zum Beispiel betreibt eine Anwendung mit mobilem Client, über den die Kunden ihre massgeschneiderte Türlösung als interaktive 3D-Simulation begutachten können. Auch E-Commerce ist essentiell: 40 Prozent der Nachbestellungen von Schlüsseldiensten erfolgen über einen Online-Shop. Für die Integration der verschiedenen Online-Anwendungen und als «face to the customer» betreibt Kaba ein Online-Portal, das 2007 ebenfalls weiterentwickelt werden soll.
Der wichtigste Treiber aller Konsolidierungs- und Standardisierungsanstrengungen ist und bleibt die Kostensenkung. Dies gilt naturgemäss besonders für eine Bank, wie Thomas Ghisletti, CIO der Zürcher Kantonalbank, bestätigt: «Ein wichtiger Schritt der ZKB-IT in die Zukunft ist es, die Erneuerung der IT-Plattformen zielstrebig weiterzuführen, wenn immer möglich mit auf dem Markt verfügbarer Standardsoftware.» So habe man 2006 Avaloq für die Wertschriften und SAP für die Kontoführung erfolgreich eingeführt.
Ausserdem wurde unter der Bezeichnung «IT Projektverbund 07» bereits mit der Realisierung eines umfangreichen Projektportfolio begonnen, das zur «Mandantenfähigkeit» der ZKB-IT wesentlich beiträgt. Ghisletti: «Mit diesen Erneuerungen und Erweiterungen der ZKB-eigenen Applikationsplattformen schaffen wir die Grundlagen, die IT-Kosten mit nachhaltigen Kooperationen zu senken.»
Die Einstellung vieler CIOs widerspiegelt sich in den Statements von Andreas Dietrich, der bei den SBB für die Informatik verantwortlich zeichnet. Dietrich möchte zwar keine Details zu kommenden Projekten bekanntgeben, stellt für 2007 aber generell den Aufbau eines unternehmensweiten Architektur-Management ins Zentrum und erwähnt daneben verschiedene Konsolidierungsprojekte und den Weiterbau der strategischen Plattformen SAP, Application Server und Mobile-Computing. Ausserdem seien in einem Umfeld, wo eine hohe Verfügbarkeit und fehlerfreie Systeme garantiert sein müssten, Sicherheit, Identity Management und Access Management ein zentrales Thema.
Dietrich findet darüber hinaus aber auch aktuelle Technologien wie Mobilkommunikation, Location Based Services, RFID zur Inventarverwaltung, SOA und Web Services als Basis für eine nachhaltige
E-Business-Plattform wichtig. Zum Hype-Begriff Web 2.0 meint Dietrich «mehr Dynamik und mehr Zusammenarbeit im Web», findet aber gleichzeitig, die wichtigen persönlichen Netzwerke «sträuben sich oft gegen eine Computer-Erfassung». Er nennt auch ein Beispiel: «Der virtuelle Team-Arbeitsraum bringt nicht die vorausgesagten enormen Vorteile und bleibt im Wesentlichen eine gemeinsame Informationsablage».
Das bringt die IT-Industrie 2007