Notebook-Strategien: Strenge Richtlinien dominieren in Schweizer Unternehmen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/39
Der mobile Computer hat sich gewaltig entwickelt - und damit sind nicht nur Performance und Features gemeint, die heute Desktop-Systemen kaum mehr nachstehen, sondern vor allem der Einsatz im Business-Alltag. Was Anfang der achtziger Jahre mit einigen exotischen Anwendern kurioser "portabler PCs" begann und sich im Laufe der Jahre zur Spezialausrüstung von Aussendienstmitarbeitern mauserte, ist in vielen Unternehmen längst zum Standard-Computer für sämtliche Anwender geworden, die auch nur im Ansatz mobil tätig sind, sprich: alle Mitarbeiter ausser die rein schreibtischgebundenen Kräfte im Backoffice-Bereich.
InfoWeek hat eine Reihe massgeblicher Unternehmen über ihre Einkaufs- und Einsatzstrategien bei Notebooks befragt. Neben einem bekannten Softwarehersteller, der ungenannt bleiben möchte, beantworteten folgende Firmen und Organisationen unsere Fragen: die Beratungsunternehmen KPMG und Trivadis, die Schweizerische Post, der Grossverteiler Coop, der Telecom-Hersteller Alcatel, die Versicherungen Basler und XL Winterthur International sowie als Vertreterin des Bildungssektors die Universität St. Gallen. Aus dem Bankenbereich erhielten wir trotz mehrfacher Anfragen leider keine Antworten. Fragen und Antworten im Detail:
Es wird rasch deutlich, dass Grossunternehmen punkto Hersteller keine Experimente machen: Ausser der Basler Versicherung, die weder beim Hersteller noch bei den Modellen eine fixe Vorgabe kennt, beschränken sich alle Antwortenden auf einen der bekannten, grossen Hersteller. No-Names und Nischenproduzenten bleiben unerwähnt. Dass bekannte Marken wie Fujitsu-Siemens, HP und Toshiba überhaupt nicht vorkommen, dürfte zwar an der geringen Zahl der Antwortenden liegen; dass sowohl Compaq als auch Dell gleich mehrfach genannt wurden, entspricht jedoch den publizierten Marktanteilen.
KPMG, Trivadis und XL Winterthur International nannten Compaq als Hersteller und arbeiten mit einem einzigen Modell; Spitzenreiter ist das Armada M700. Coop setzt auf die Latitude-Serie von Dell, und bei Alcatel kommen je nach Mitarbeiterbedarf verschiedene Thinkpad-Modelle von IBM zum Zug. Der erwähnte Softwarehersteller, ein global tätiges Unternehmen, verlässt sich ebenfalls auf Dell - das beziehe sich jedoch erstens auf die Schweiz und habe zweitens nur momentan Gültigkeit. Je nach Preis/Leistungsverhältnis könne sich die Politik ändern, wie der Presseverantwortliche der Schweizer Niederlassung betont. Auch die Post konzentriert sich auf einen Hersteller, von dem zwei Modelle im Einsatz stehen, will allerdings keine näheren Angaben machen.
In akademischer Tradition deutlich liberaler geht es bei der Universität St. Gallen zu - mit Einschränkungen, wie der Informatikverantwortliche Raimar Paszehr vermerkt: "Es steht jedem frei, ein Notebook seiner Wahl zu kaufen. Allerdings bieten wir Dozenten und Mitarbeitern den vollen Support nur für Dell-Latitude-Modelle."
Das St. Galler Bildungsinstitut schlägt auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe: Die interdisziplinäre Gemeinde von Unterrichtenden, Studenten und Mitarbeitern hat die volle Computing-Freiheit - vielleicht darf's gelegentlich sogar ein Powerbook von Apple sein, dann aber muss der Anwender seine Probleme selber lösen; der Informatikbereich minimiert den Aufwand für die erbrachten Supportleistungen durch Einschränkung auf eine Modellreihe.
Genau dies ist auch für die meisten anderen Unternehmen der Hauptgrund, ihre Notebook-Flotte zu standardisieren: Je weniger Modelle zu unterstützen sind, desto geringere Supportkosten fallen an. Der Standardisierungsprozess kommt vielerorts vor allem in jüngster Zeit so richtig ins Rollen. Coop beispielsweise hat 2001 ein Standardmodell eingeführt und ist dabei radikal vorgegangen: "Bis anhin waren verschiedene Notebooks im Einsatz, vornehmlich von Compaq und Dell - meistens Pentium-Modelle ab 133 Megahertz. Im Rahmen einer Standardisierung haben wir dieses Jahr alle Geräte ausgewechselt, unabhängig von ihrer Leistungsklasse."
Die durchschnittliche Dienstzeit eines Notebooks im Business-Einsatz beträgt zwei bis drei Jahre - danach genügt vor allem die Performance nicht mehr, die für die Mehrzahl der Unternehmen den Kaufentscheid massgeblich beeinflusst: Fünf der neun Befragten achten bei der Modellwahl vornehmlich auf die Leistung; nur für IT-Manager Rolf Camenisch von Alcatel ist das All-in-One-Konzept besonders wichtig. Bei der Basler Versicherung wägt man zwischen schierer Leistung und Kosten ab. Gekauft werden jeweils Notebooks, deren Performance zwei Dritteln der aktuell erhältlichen Maximalleistung entspricht. "Damit erzielen wir aus unserer Sicht das beste Preis/Leistungsverhältnis", heisst es beim Basler Versicherer.
Bei der Universität St. Gallen, so Paszehr, darf ein Notebook auch länger dienen: "Grundsätzlich sind wir bestrebt, ein Notebook zu kaufen, das den Benutzer für die nächsten drei bis vier Jahre zufriedenstellt. Teilweise werden die Mobilrechner innerhalb eines Instituts an diejenigen weitergereicht, die mit der gegebenen Leistung zufrieden sind." Aber auch andernorts haben es die Mitarbeiter meist einige Zeit mit ihrem Notebook auszuhalten. Die zuletzt abgelösten Modelle waren je nach Umfrageteilnehmer mit Prozessoren zwischen 486DX2 und Pentium III bestückt.
Die Post setzt gemäss Pressesprecher Oliver Flüeler bei einem der zwei Standardmodelle auf die Performance, beim anderen auf die Portabilität. Letztere scheint bei den übrigen Umfrageteilnehmern von geringer Relevanz zu sein: Ultraportable Modelle wurden in keinem einzigen Fall erwähnt.
Der Übergang zu neuen Modellen findet je nach Firma nach drei verschiedenen Szenarien statt: Entweder werden die Notebooks der einzelnen Mitarbeiter in einem fliessenden Prozess laufend auf den gerade aktuellen Stand gebracht; so hält es zum Beispiel die Universität St. Gallen: "Der Übergang ist bei uns fliessend. Es gibt keinen generellen Wechsel - insofern ist die Notebook-Landschaft auch bezüglich CPU und Speed sehr heterogen."
Auch die Post führt den Notebook-Bestand individuell nach, offeriert jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils zwei Standardmodelle, die in regelmässigen Intervallen neu definiert werden: "Wir setzen auf die neuesten Modelle und wählen diese alle sechs bis neun Monate neu aus."
Anders geht es bei Coop zu. Der bekanntlich vor kurzem organisatorisch gestraffte Grossverteiler hat dieses Jahr auch seine Notebook-Flotte vereinheitlicht, dabei alle Geräte auf einen Schlag ausgetauscht und gedenkt, auch inskünftig so vorzugehen. Yves Laukemann von der Service-Center-Leitung bei Coop: "Alle Geräte wurden gemeinsam als Gesamtbeschaffung gekauft. Natürlich haben wir das neueste Modell ausgewählt, jedoch sollten in nächster Zukunft keine weiteren Geräte mehr beschafft werden, sondern wir werden in drei bis vier Jahren wieder eine Gesamtablösung vornehmen."
Fast einstimmig fällt das Urteil über den Einsatzmodus der Notebooks aus: In sieben der neun Unternehmen kommen Notebooks ausschliesslich als vollwertiger Ersatz für Desktop-Systeme in Frage. Besonders deutlich formuliert es Laukemann von Coop: "Das Notebook ist ein vollständiger Desktop-Ersatz, ein zusätzliches Gerät ist nicht möglich."
Bei Alcatel stehen Notebooks daneben auch zusätzlich zu einem Desktop-PC im Einsatz, und auch bei der Basler Versicherung kommt gemischter Einsatz vor: "Im Innendienst als Desktop-Ersatz, im Aussendienst als Arbeitspferd im Feld." Kein einziges Unternehmen gab an, das Notebook den Mitabeitern in erster Linie als Ergänzung zu bestehenden PCs zu offerieren.
Ein Notebook, nichts anderes ist sein eigentlicher Zweck, lässt sich standortunabhängig nutzen. Also nicht bloss im Büro oder im Aussendienst, sondern auch zu Hause. Erlauben die Firmen ihren Mitarbeitern den privaten Gebrauch ihres Arbeitsgeräts? In diesem Punkt sind die Ansichten geteilt. Während Mitarbeitern von XL Winterthur International, KPMG, Alcatel und Trivadis ihr Notebook auch für private Verrichtungen zur Verfügung steht, macht Laukemann klar: "Bei Coop ist das Notebook ein Arbeitsgerät; der private Nutzen ist nicht vorgesehen. Die Berechtigungen sind entsprechend eingestellt, der User kann zum Beispiel keine Software installieren." Dies darf er auch bei der Basler Versicherung nicht: "Die Mitarbeiter dürfen prinzipiell keine Fremdsoftware installieren; auf dem Verzeichnis C:\DATA dürfen jedoch private Daten abgelegt werden."
Ähnliche Restriktionen gibt es bei der Post, dort dürfen "die Grundfunktionalitäten auch daheim für private Zwecke genutzt werden. Einschränkungen gibt es jedoch aus Sicherheitsaspekten, so ist zum Beispiel keine Veränderung der Konfiguration möglich."
Zumindest im Grosskundensegment könnten sich die Notebook-Hersteller die Vorinstallation des Betriebssystems sparen.
Mit Ausnahme der Universität St. Gallen, wo auch fertig vorkonfigurierte Geräte eingesetzt werden, installieren alle befragten Unternehmen das Betriebssystem im eigenen Hause. Der Vorteil: Im gleichen Schritt kann die Detailkonfiguration der Geräte vorgenommen werden, die nur schon zur Festlegung der Benutzerberechtigungen nötig ist. Bei der Basler Versicherung wird weitgehend automatisiert: "Wir verfügen über ein hauseigenes Script-basierendes Installationsverfahren." Coop hat im Rahmen der kürzlich erfolgten Standardisierungsaktion für den Rollout eigens ein Setup-Center eingerichtet, und auch Alcatel setzt die Geräte selber auf und passt die Konfiguration an die unternehmensspezifischen Verhältnisse an.
Praktisch überall wird gleich beim Kauf ein Zweitakku beschafft; ein Modem gehört ebenfalls zur Standardausstattung. Völlig unentbehrlich ist eine integrierte Ethernet-Schnittstelle; sie macht die in grauer Notebook-Vorzeit übliche Docking-Station weitgehend überflüssig und ist heute ohnehin in nahezu allen Notebooks Standard. Docking Stations sind offenbar derart passé, dass kein einziger Umfrageteilnehmer sie auch nur am Rande erwähnte.
"Müssen beim Notebook-Kauf auswechselbare Komponenten wie Laufwerke oder Akkus zur vorherigen Generation kompatibel sein?" - auch dies eine unserer Fragen. Bei Coop war es klar: Da ohnehin alle Geräte erneuert wurden, spielten solche Überlegungen keine Rolle. Auch Trivadis, XL Winterthur International und Alcatel sehen die Vorwärtskompatibilität von Komponenten nicht als wichtiges Kriterium an.
Manche Kunden würden Akkus oder Laufwerke jedoch gerne von einer Notebook-Generation zur nächsten mitnehmen, darunter die Basler Versicherung und KPMG.
Die bisherigen Anstrengungen der Notebook-Hersteller in dieser Richtung scheinen allerdings nicht von Erfolg gekrönt - beide Unternehmen setzen ihren Wunsch nach Kompatibilität in den Konjunktiv: Sie wäre wünschenswert, sei aber kaum realistisch. Oliver Flüeler sieht dafür unter anderem technische Gründe: "Wünschbar wäre es, in der Praxis jedoch nicht umsetzbar. Zudem würde damit der technologische Fortschritt gestoppt." Diese Einstellung ist nachvollziehbar: Es macht wenig Sinn, nur um der Kompatibilität willen zum Beispiel eine veraltete Akku-Technologie weiter zu verwenden.
Beim restlichen Zubehör verfolgen die Anwender unterschiedliche Strategien, vor allem was die optischen Laufwerke anbelangt.
Nicht überall gehören CD-Recorder und DVD-Drives zum guten Ton - vielleicht fürchten einzelne Unternehmen, mit einem DVD-Drive würde der neueste Action-Thriller den aktuellen Quartalszahlen in der Mitarbeitergunst den Rang ablaufen. Stefan Mathys, Leiter Media Relations bei KPMG Schweiz, formuliert es so: "CD-Brenner sind aus Security-Gründen in unserem Unternehmen nur mit Ausnahmebewilligung erlaubt. DVD ist nicht nötig, um die Arbeit zu erledigen."
Viermal ertönt ein schlichtes "Nein" auf die Frage, ob Business-Anwender einen CD-Brenner oder ein DVD-Laufwerk benötigen. Zwei Firmen differenzieren je nach Benutzer; Coop zum Beispiel stattet die Notebooks restriktiv mit CD oder DVD aus: "Solche Laufwerke gibt es nur als Zusatz mit entsprechender Bewilligung." Einzig bei der Basler Versicherung gehört, neben dem ebenfalls zwingend benötigten Diskettenlaufwerk, ein CD-Drive zur Grundausstattung - allerdings auch hier bloss ein CD-ROM-Laufwerk und nicht etwa ein CD-Brenner.
Ein Modem gehört generell zur Grundausstattung eines Notebooks, darüber sind sich die befragten Unternehmen einig; auch die Universität macht da keine Ausnahme. Nicht unerwartet: Bei der Verbindungsaufnahme zum Unternehmensnetzwerk spielt das konventionelle Telefonnetz die Hauptrolle. Kabellose Mobilverbindungen via GSM, HSCSD oder gar GPRS werden allenfalls als Experiment oder in Sonderfällen aufgebaut. Bei Coop beispielsweise kommunizieren die Mitarbeiter "via RAS-Zugang über das öffentliche Festnetz. Es gibt erste HSCSD-Installationen, jedoch noch nicht im Standardeinsatz, und wir verfolgen die Entwicklung bei GPRS."
Vergleichbare Verhältnisse herrschen bei der Post. Oliver Flüeler beziffert das Verhältnis der mobilen Einwahlen mit "rund 99 Prozent über Telefonlinie und 1 Prozent über GSM". Alcatel legt als Telekom-Hersteller naturgemäss mehr Gewicht auf die neuesten Zugangtechnologien, so Camenisch. Man nutze für die Anbindung der mobilen Mitarbeiter "alle aufgeführten Möglichkeiten".
Wireless LAN, seit Monaten ein absoluter Renner an Fachmessen, fällt in unserer Notebook-Umfrage ebenso absolut flach. Wir fragten, ob ein Notebook bereits für drahtlose Netzwerke ausgerüstet sein müsse, um bei der Evaluation in Frage zu kommen. Die ebenso kurze wie einhellige Antwort aller angefragten Unternehmen: nein.