Urs Binder: Zeitungen im Internet - Content kostenpflichtig
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/34
Vor gut zwei Wochen machte eine Meldung die Runde, wonach der Tages-Anzeiger und die Basler Zeitung inskünftig kostenpflichtige Online-Abonnements anbieten wollen.
Webweit findet derzeit eine gewaltige Bereinigung statt, was die Bezugsmodi von sogenanntem Content anbetrifft. Musikpiraterie à la Napster wird schwieriger. Die bisher tsunamiartige Portalflut versiegt zusehends - es geht, nach dem umfassenden Misserfolg der Online-Werbung, wirtschaftlich auf die Länge schlicht nicht auf, riesige Informationsangebote Krethi und Plethi zum Nulltarif anzubieten. Nach Yellowworld macht nun auch SwissOnline die Portalschotten dicht; andere werden folgen. Und jetzt hören wohl auch die Zeitungen damit auf, den bisher frei zugänglichen Aktualitätsteil zur Gänze kostenlos aufs Web zu stellen? Ganz so schlimm wird es nicht kommen, denn das in Aussicht gestellte Online-Abo ist technisch und inhaltlich mit den Portal-News überhaupt nicht zu vergleichen.
Es ist noch nicht ganz klar, ob bisherige Gratisportale weitgehend oder völlig ersetzt werden sollen. Vermutlich wird der gratis publizierte Zeitungsanteil mit der Zeit etwas schrumpfen, im wesentlichen aber dürften die Online-Abonnements eher eine zusätzliche Option sein, die abseits ansässigen Menschen wie zum Beispiel Auslandschweizern oder steinschlaggefährdeten Bergbauern die ansonsten erschwerte Zeitungslektüre ermöglicht. Im Gegensatz zum Web-Portal bietet das Online-Abo nämlich nicht bloss eine eingeschränkte Auswahl von News und kürzeren Artikeln der Printausgabe, sondern deren vollständigen Inhalt im Original-Layout samt Bildern und Inseraten. Neben der Weltaktualität und dem Leitartikel kann die Leserin in Djibouti also auch regelmässig die Giaccobo-Kolumne geniessen, und sie ist über das tagesfrische Luxemburgerli-Sonderangebot bei Sprüngli auf dem Laufenden.
Den Distributionsweg für die neuen Online-Abonnemente erfinden die genannten Schweizer Zeitungsverlage nicht etwa selbst. Sie greifen vielmehr auf einen bestehenden Service namens NewsStand zurück, der bereits heute diverse Publikationen wie "The Scotsman", die "Harvard Business Review" und den "Australian" feilbietet. Hierzulande gängigere Titel wie die New York Times und die Herald Tribune sollen demnächst folgen; im näheren Umkreis wären Tagi und BaZ die ersten Nutzniesser der NewsStand-Technik.
NewsStand übernimmt für die beteiligten Verlage den Einzug der Abonnementsgebühren und die Verteilung der elektronischen Ausgabe. Dem Leser bietet sich eine Art virtueller Kiosk - neben den Abos lassen sich auch einzelne Ausgaben downloaden - mit zentraler Zahlstelle. Auf dem PC wird ein spezielles Reader-Programm installiert, das die auf dem PDF-Format basierenden Online-Zeitungen herunterlädt und zur Anzeige bringt. Im Moment ist der Service vor allem für Zeitungskonsumenten interessant, die Titel aus verschiedenen Ländern ohne kostspieligen und verzögernden Umweg über die Schneckenpost konsultieren wollen oder müssen.
Der NewsStand Reader ist in verschiedenen Sprachen erhältlich, darunter auch Deutsch - ein Zeichen dafür, dass der Service Expansionsgelüste hegt. Mit der Softwarelokalisierung scheint man allerdings noch Probleme zu haben ("Sie müssen eine Zeitschrift kaufen, um es können zu downloaden"), aber die Absicht sei lobend erwähnt. Auch die Website wirkt grafisch etwas handgestrickt. Dafür bietet der Reader gute Navigations- und Suchfunktionen, WWW-Links im Text können angeklickt werden, und auch der Ausdruck von Seiten ist
möglich.
Die Zahlung erfolgt über ein E-Wallet, das man per Kreditkarte mit virtuellem Geld versieht. So lassen sich auch Kleinbeträge für Einzelausgaben ohne Zusatzgebühren abbuchen. Die südafrikanische Sunday Times zum Beispiel kostet einzeln zwei Dollar vierzig; die 32 Seiten kommen als 8-Megabyte-Download.
Über den Angebotsstart und die finanziellen Details bei den Schweizer NewsStand-Kandidaten geben TA und BaZ noch nichts bekannt. Das Beispiel der Sunday Times zeigt aber, dass die Sache nicht eben billig kommt: Während das Online-Jahresabo 124 Dollar kostet, schlägt der Print-Abopreis mit knappen 38 Dollar zu Buche - allerdings ohne weltweite Zustellung, dafür mit dank Postweg verzögerter Auslieferung. Man könnte sich also durchaus vorstellen, künftig Zeitungen aus aller Welt online zu lesen.