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Urs Binder: Beobachtungen im Vorfeld der Orbit/Comdex

Internet total, tote Hose bei E-Shops!

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/32

     

Als selbsterklärtermassen und zunehmend auch tatsächlich führende IT-Messe Europas - die gigantomanische CeBIT mal ausser Acht gelassen - darf die zumindest vorderhand noch in Basel beheimatete Orbit/Comdex Europe nicht auf die gründliche Berücksichtigung des Themas "Internet" verzichten.



Sie kann gar nicht, auch wenn sie wollte: Ohne IP-basierte Technologien (zur Erinnerung: IP ist die Abkürzung von "Internet Protocol") kommt heute in der informationsverarbeitenden Industrie rein gar niemand mehr aus. Vom Handy bis zum Drucksystem, von der Adressverwaltung bis zur Knowledge-Management-Suite, vom Hardwareinstallateur bis zum Sicherheitsberater hat der absolute Löwenanteil aller Ausstellungsgegenstände mehr als nur am Rande mit dem Internet zu tun.


Zugang selbstverständlich

Zur Geschichte der Beziehung Internet-Orbit: Bereits 1996 widmete die Orbit - damals noch mit Büromöbeln (falls mich die Erinnerung nicht trügt), aber ohne Comdex - der gerade so richtig aufkommenden Thematik eine Sonderschau samt speziellem Vortragsforum.



Auch ausserhalb der Spezialshow, die im übrigen merkwürdig abseits in den hintersten Gefilden des oberen Stockwerks von Gebäude 3 plaziert war, knospte das Netz fröhlich vor sich hin: Internet-Provider waren eine brandaktuelle Sache und konnten ihr Standangebot auf die knappe Erwähnung, man könne jetzt für sechzig Franken pro Monat plus erhebliche Telefongebühren - die Preise waren damals noch unvergleichbar höher - nach Herzenslust surfen.




Heute kräht kein Hahn mehr nach simplen Access-Providern; Zugang ist schon fast so selbstverständlich wie das Telefon. Nur noch zwei, drei wagemutige Anbieter lassen ihre Orbit-Präsenz 2001 vor allem auf Access fussen, und auch dies nur, weil ADSL noch relativ neu ist. Das Gros der ISPs ist an der Messe gar nicht mehr zu finden.




Zwischentief im alten Jahrtausend

Nach dem ersten Jahr des Internet-Booms war das Internet der Messeleitung für einige Zeit keine besondere Erwähnung mehr wert: 1997 gab es keine Sonderschau. Dessen ungeachtet grassierte die Provider-Präsenz munter weiter, man unterbot sich im Konkurrenzkampf immer mehr mit noch ruinöseren Niedrigpreisen.



In den folgenden Jahren fokussierte sich die internethaltige Ausstellerpräsenz immer mehr auf den Business-Kunden: Statt Surfabos für Privatanwender Kupferleitungen fürs KMU, statt Homepage-Bastelprogramme E-Commerce, CRM und Content Management. Ganz im Sinn der Messeleitung, die sich parallel dazu des Consumer-Teils entledigte und mit dem Comdex-Attribut letztes Jahr endgültig zur B2B-Veranstaltung wurde.





Neues Millennium: Internet total

Den Messedurchbruch hat das Internet spätestens 2000 mit der ersten Orbit/Comdex erlebt. Heuer sieht es so aus: Der gesamte Begleitkongress widmet sich dem E-Business. Hochkarätige Referenten behandeln B2B-Aspekte wie Supply-Chain- und Customer-Relationship-Management; einige Redner wagen sich gar an ketzerische Betrachtungen wie die "inflationäre Verwendung der Begriffe Wissen und Information."



Umfassenden Einzug gehalten hat die Web-Technologie bei Business-Software. Neben Oracle (nur auf Partnerständen zu sehen) und SAP (mit einem riesigen Stand vertreten), die ihre gesamte Firmenphilosophie aufs Internet ausgerichtet haben, verpassen immer mehr auch kleine und kleinste Anbieter von ERP- und Buchhaltungssoftware ihren Produkten Webfähigkeit: Für den Zugang zu Unternehmensinformationen benötigen auch KMU-Mitarbeiter inskünftig bloss einen Browser - und eine sichere Internetverbindung, was die ebenfalls intensive Präsenz von Security-Anbietern erklärt. Das Ganze möglichst drahtlos: Wireless LAN ist ein weiteres sonnenheisses Messethema.





Tote Hose bei E-Shops

Schon ein kurzer Blick auf den Hallenplan zeigt es: Die Hersteller von reinen E-Shop-Lösungen sind, im krassen Gegensatz zum Vorjahr, praktisch nicht mehr an der Messe vertreten.



Gefragt sind statt simpler Warenkorbsysteme für den Endkunden, der gemäss Statistiken eh nicht elektronisch einkaufen will, Business-to-Business-Lösungen, die vom Lieferanten bis zum geschäftlichen Abnehmer alle Partner der Handelskette einbeziehen. Solche Produkte und Dienstleistungen sind heute eher in der allgemeinen Softwarehalle 2 als im Internet-Spezialbereich zu finden - das Internet hat definitv von der Nische Abschied genommen und sich als pervasive Technologiebasis etabliert.



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