Devolution vom König zum Verbraucher
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/04
Jetzt werden sogar Podcasts kostenpflichtig, wie News-Sites und Blogs von Slashdot bis Ars Technica berichten: Die Ricky Gervais Show, ihres Zeichens der beliebteste Podcast im iTunes Music Store und bisher dank Sponsoring gratis zu haben, ändert das Vertriebsmodell. Künftig gibt es Ricky nur noch bei Audible im Abo zu sieben Dollar pro Monat –für vier halbstündige Comedy-Talkshows ein durchaus ansehnlicher Betrag. Es handelt sich um den ersten kostenpflichtigen Podcast; Analysten und andere Podcast-Produzenten dürften das Experiment mit Argusaugen beobachten. Wenns klappt, werden wohl etliche populäre Podcasts zum «Paid-for»-Modell wechseln. Bissige Kommentare folgen auf dem Fuss –bei Slashdot frotzelt einer, er werde bei der nächsten Unterhaltung den Gesprächspartner darauf hinweisen, er habe soeben Content geliefert und verlange nun dafür auch eine Gebühr.
Nun ist erstens Podcast nicht gleich Podcast –ich kenne die fragliche Show zwar nicht, nehme aber an, es handelt sich um eine professionelle Produktion. Der durchschnittliche Amateur-Podcast würde wohl kaum zahlende Kunden finden. Und zweitens ist niemand gezwungen, sich ausgerechnet Ricky Gervais zu Gemüte zu führen –die Auswahl an Comedy ist riesengross. Mit anderen Worten: Der freie Markt darf spielen, und er tut es in diesem eng begrenzten Feld auch.
In anderen Bereichen spielt der Markt nicht, ganz besonders in unseren Breitengraden. In der Schweiz entwickelt sich der Kunde der Content-Industrie immer mehr vom merkwürdigerweise nach wie vor sprichwörtlichen König in Richtung dessen zurück, was unsere nördlichen Nachbarn so gerne «Verbraucher» nennen –ein Begriff von kaum zu überbietender Geringschätzigkeit, die eigentlich schon per se alles sagt.
Hindernisse vom DVD-Regionalcode über
kopiergeschützte CDs, die sich im PC nicht abspielen lassen, überteuerte Musikdownloads
bei beschränkter Angebotsvielfalt und eine
benutzerunfreundliche DRM-Landschaft mit zig untereinander inkompatiblen Systemen bis hin zur lächerlichen Strafverfolgung von Tauschbörsen-Usern vergällen einem die Freude am Genuss konservierter Kulturgüter. Das wahrhaft Unglaubliche ist aber, dass sich besonders die Musikindustrie auch noch wundert, wenn ihre Erzeugnisse immer weniger Absatz finden –
eigentlich ist es nur natürlich, dass nicht oder nur schwer Benutzbares auch nicht gekauft wird.
Den Vogel schoss nun aber die Eidgenössische Schiedskommission mit ihrem Urheberrechtsgebühren-Entscheid ab: Per Anfang März sollte der Käufer von Multimedia-Playern und Harddisk-Rekordern in der Schweiz kräftiger in die Tasche greifen, um einen exorbitant hohen und mit hirnloser Willkür festgelegten Obolus zu berappen. Wieso soll ein Gigabyte bei einem Harddisk-Player 46,9 Rappen, bei einem Flash-Player aber bis zu fünfundfünfzigmal so viel kosten? Mehr Intelligenz hat nun das Bundesgericht gezeigt, das der Swico-Beschwerde gegen die Gebühren immerhin aufschiebende Wirkung zugestand. Die Spannung, ob und wann man doch noch mehr zahlen muss, bleibt uns also erhalten.
Umso schmerzlicher ist das Ganze, weil die Einnahmen meist nicht den Künstlern zukommen, sondern zwischen den Gehältern arroganter Manager und sündhaft teuren Marketing-Kampagnen versickern, ohne die sich der heute produzierte Schrott wohl nicht verkaufen liesse.