Editorial

.Net: Mythen und Halbwahrheiten


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/15

     

Obwohl es mittlerweile mehr als vier Jahre her ist, seit .Net im Sommer 2000 vorgestellt wurde, geistern nach wie vor einige Mythen durchs IT-Land, welche die Microsoft-Plattform bis heute nicht
loswerden konnte. In Gesprächen mit Kunden stelle ich jeweils fest, dass es immer wieder dieselben Missverständnisse sind, von denen .Net verfolgt wird. Höchste Zeit also, die wichtigsten .Net-Mythen und -Halbwahrheiten zu korrigieren:




.Net = Web Services: Immer noch wird vielerorts angenommen, dass .Net ganz einfach Microsofts Technologie zur Entwicklung von Web Services ist. Schuld daran sind die Redmonder selber, die in ihren Marketingbotschaften .Net immer wieder auf diese Rolle reduziert haben. Zwar ist die Web-Service-Botschaft nicht falsch, doch wird sie den technischen Möglichkeiten und neuen Konzepten, welche die .Net-Plattform mit sich bringt, in keiner Weise gerecht. Unterstützung für Web Services ist nur ein Teil der .Net-Plattform, die neben anderem eine komplett neue und umfassende Klassenbibliothek, echte objektorientierte Programmiersprachen, eine gemanagte Runtime-Umgebung und mit WinForms sowie ASP.Net zwei mächtige Technologien für die Präsentationsschicht zu bieten hat.




Visual Basic .Net ist für Einsteiger, C# für
Profis: Dies trifft zumindest zum heutigen Zeitpunkt in keiner Weise zu. Die beiden Sprachen sind praktisch ebenbürtig, und der Funktionsumfang ist zu 95 Prozent identisch. Vereinfacht gesagt unterscheiden sich die beiden Sprachen nur in punkto Syntax. Und der Aufwand, die eine oder die andere Sprache zu erlernen, ist in etwa gleich gross. Dies dürfte sich allerdings in naher Zukunft ändern. Microsoft wird versuchen, Visual Basic wieder funktional stärker von C# abzugrenzen. Bereits in «Whidbey» (Visual Studio 2005, .Net Framework 2.0) soll VB durch intelligente Hilfen in der IDE und Vereinfachung auf der Sprachebene wieder einsteigerfreundlicher werden. C# hingegen, das auf einem Standard basiert und deshalb von Microsoft nicht so schnell wie VB weiterentwickelt werden kann, wird vermutlich stärker als stabile und solide Sprache für die Industrie positioniert werden.




Longhorn wird .Net ablösen: Tatsächlich will Microsoft in der nächsten Windows-Plattform mit WinFX eine neue Klassenbibliothek einführen, die eine Übermenge des .Net Frameworks darstellt. Als Technologie wird .Net in Longhorn auf jeden Fall in einer erweiterten Form weiterleben. Dass es aber die Marke .Net im Longhorn-Zeitalter noch geben wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn WinFX ist nicht bloss ein Codename, sondern bereits ein eingetragenes Markenzeichen. Auch hat Microsoft seit längerem damit begonnen, das .Net-Kürzel nicht mehr in seine Produktmarken einzubauen. Jüngstes Opfer ist das für nächstes Jahr angekündigte Visual Studio 2005, das im Gegensatz zu seinem Vorgänger ohne das .Net-Suffix auskommen muss. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass Microsoft künftig wieder stärker auf die Marke Windows statt .Net setzen will.




.Net ist bloss eine Kopie der Java-Plattform: Diese oft gehörte Aussage ist weder ganz falsch noch zu hundert Prozent richtig. In der Tat ist .Net Microsofts Reaktion auf die Java-Plattform, und bei dessen Konzeption wurde auch eine Vielzahl von Ideen bei Suns Plattform abgekupfert. Umgekehrt haben aber auch die Java-Erfinder Konzepte von der damaligen Windows-DNA-Plattform übernommen, und auch die kommende Version 1.5 von Java enthält einige neue Features, die bislang in C# zu finden waren. Zwischen Java und .Net herrscht ein gesunder Konkurrenzkampf, der beide Plattformen stetig vorantreibt und von dem die Kunden der beiden Lager nur profitieren können.




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