Editorial

.Net ist tot! Es lebe .Net!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/10

     

Fast sechs Jahre ist es her, seit Microsoft im Juni 2000 ihre .Net-Technologien mit Pauken und Trompeten angekündigt hat. «We bet the whole company on .Net», liessen die Redmonder damals grossspurig verlauten. Kurz nach der Ankündigung war das .Net-Logo omnipräsent. Bereits an der Orbit 2000 hingen an den Aussenfassaden der Ausstellungshallen riesige .Net-Plakate. Alle Server-Produkte – ohne dass diese auch nur im geringsten etwas mit .Net zu tun gehabt hätten – wurden mit dem neuen Brand ausgestattet. Und die Microsoft-Mitarbeiter erhielten Visitenkarten, auf denen statt dem Microsoft-Schriftzug ein riesiges .Net-Logo aufgedruckt war.

Die Ziele, die sich Microsoft damals gesteckt hatte, waren in der Tat ambitiös. So sollten beispielsweise ein Grossteil der Microsoft-Produkte inklusive Betriebssysteme mittel- bis langfristig auf die neue Technologie umgestellt werden. Auch war von Plattformunabhängigkeit und einem universellen Authentifizierungsdienst mit der Bezeichnung «.Net MyServices» die Rede.








Rund viereinhalb Jahre nach dem offiziellen Marktstart ist sowohl vom hochgepushten Label als auch von den ambitionierten Zielen nicht mehr viel übrig geblieben. Visual Studio, die eigentliche .Net-Entwicklungsumgebung, muss mittlerweile ohne das Suffix mit den drei Buchstaben auskommen. Und sogar der direkte Nachfolger des .Net-Frameworks trägt das Kürzel nicht mehr im Namen, sondern heisst schlicht und einfach WinFX. Auch mit der .Net-isierung der eigenen Produkte scheinen die Redmonder nicht so recht voranzukommen. Zwar gibt es Produkte wie beispielsweise SQL Server 2005 (Test auf Seite 18 in dieser Ausgabe) oder BizTalk 2006 Server, die mit .Net-Technologie ausgestattet sind, echte Native-.Net-Anwendungen ist Microsoft aber bis zum heutigen Tage schuldig geblieben.






Angesichts dieser Tatsachen mag sich manch einer fragen, ob es sich überhaupt noch lohnt, in .Net zu investieren. Die Antwort darauf lautet zweifellos: Ja. Denn .Net ist und bleibt das, was es schon immer war: eine produktive Entwicklungsumgebung und Microsofts Gegenstück zur Java-Plattform. Nicht mehr und nicht weniger. In Microsofts Produktstrategie spielt .Net als Entwicklungsplattform nach wie vor eine zentrale Rolle. Deutlich wird das etwa an den Produkten der Dynamics-Familie oder der kommenden Office-2007-Generation, die sich dank .Net immer besser mit eigenen Erweiterungen ausbauen lassen. Nicht zu vergessen ist, dass WinFX kein komplett neues Framework, sondern ein direkter Abkömmling des .Net Frameworks mit sanftem Migrationspfad ist. Dabei werden die Neuerungen in WinFX (Workflow, Service-orientierte Integrationstechnologien etc.) zweifellos ein wichtiger Grundstein für künftige Enterprise-Anwendungen bilden. Microsoft wäre gut beraten, ihre Strategie und Zukunftspläne rund um .Net klarer zu kommunizieren, um so die herrschenden Verwirrungen aus dem Weg zu räumen.






Bleibt zu hoffen, dass Microsoft aus seinen Fehlern lernt und sich bei seiner Markenpolitik künftig nicht mehr von gerade aktuellen Euphorien anheizen lässt. Bald wissen wir mehr: Vor dem Hintergrund der allgemeinen Web-2.0-Hysterie versucht die Gates-Company derzeit, den Grossteil ihrer Internet-Dienste mit dem Label «Live» auszustatten. Dass sich das Unternehmen dabei sogar dazu hinreissen lässt, die durch und durch bekannte Marke Hotmail zugunsten von Windows Live Mail zu opfern, stimmt allerdings nicht gerade optimistisch.




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