Windows Vista unter der Lupe

Mit der Community Technology Preview vom Februar hat Microsoft die erste funktionskomplette Version von Windows Vista präsentiert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/06

     

Mit dem Release der Februar-Community-Technology-Preview (Build 5308) von Windows Vista hat Microsoft nun endlich einen wichtigen Meilenstein im Entwicklungsfahrplan der nächsten Windows-Version erreicht. Die auch als Enterprise CTP bezeichnete Beta ist die erste Testversion, die von Microsoft als «feature complete» bezeichnet wird. Will heissen: Die Februar-CTP verfügt über alle Funktionen des endgültigen Produktes. Grund genug für uns, die neueste Beta noch einmal gründlich anzuschauen. Da wir in InfoWeek 21/05 bereits ausführlich über die Oktober-CTP (Build 5231) berichtet haben, konzentrieren wir uns auf die Funktionen, die seit unserem letzten Preview hinzugekommen sind.


Welcome Center

Die neue Vista-Beta kommt mit einer überarbeiteten Setup-Routine, die eine weitgehend unbegleitete Installation erlaubt. Alle Fragen werden vom Anwender gleich zu Beginn beantwortet, und Vista installiert sich anschliessend selbständig. Gleich nach dem ersten Start wird das Welcome Center eingeblendet, das den Ausgangspunkt für alle Arbeitsschritte darstellt, die üblicherweise direkt nach dem Setup ausgeführt werden. Von hier aus kann man beispielsweise Benutzerkonti hinzufügen, Geräte installieren oder Dateien und Einstellungen von einem älteren System migrieren. Via Welcome Center lassen sich auch Systeminformationen abrufen. Neben Standardangaben wie Prozessortyp oder RAM werden hier auch Daten zur Systemperformance geliefert. Dabei werden die vorhandenen Komponenten anhand eines Rating bewertet und zu einem Gesamtwert summiert. Praktisch: Der Performance-Dialog macht den Anwender auch auf problematische Treiber oder Einstellungen aufmerksam, welche die Leistung des Systems beeinträchtigen, und liefert entsprechende Hilfestellungen zur Problembeseitigung gleich mit.


Saved Searches

Die Februar-CTP macht deutlich, dass Microsoft mit dem Virtual-Folder-Konzept nicht zufrieden war und dieses komplett überarbeitet hat. So wurden etwa die spezialisierten Windows-Ordner (Documents, Music, Pictures etc.) wie in Windows XP nun wieder auf Basis von effektiv vorhandenen Verzeichnissen implementiert und beruhen nicht mehr auf der Virtual-Folder-Technik. Statt von virtuellen Ordnern spricht Microsoft nur noch von sogenannten «Saved Searches». Dabei handelt es um vorbereitete Suchjobs, die es bereits in früheren Vista-Builds gab. Damit lassen sich Dokumente anhand bestimmter Kriterien auf den Harddisks des Rechners innert Sekundenschnelle aufspüren und in einer Folder-Ansicht anzeigen. Vista kennt eine ganze Reihe von bereits vorbereiteten Suchaufträgen wie etwa «All Attachments», «Favorite Music», «Last 7 Days
E-Mail» oder «Shared By Me». Wie bisher lassen sich auch eigene Suchjobs definieren und an einem beliebigen Ort speichern.


Kleine Helferlein

Eines der prominentesten Vista-Features, das in Build 5308 erstmals zur Verfügung steht, ist die Sidebar. Dabei handelt es sich um ein Informationspanel, das mit sogenannten Gadgets bestückt werden kann. Das sind Miniapplikationen, die einfache Funktionen zur Verfügung stellen oder Informationen, die auf dem System oder im Internet gespeichert sind, anzeigen können. Gadgets sind sozusagen Microsofts Antwort auf die Widgets, wie sie im MacOS X, Yahoo Konfabulator oder Google Desktop zu finden sind. In der aktuellen CTP liefert Microsoft nur gerade fünf solcher Gadgets mit, die darüber hinaus noch nicht mal besonders spektakulär sind.





Die Funktionalität des Recycle Bin und der Application Launcher werden im Grunde genommen durch den Papierkorb auf dem Desktop respektive über die QuickLaunch-Bar bereits abgedeckt. Die World Clock ist eine eher klobige Alternative zur Systemzeitanzeige in der Taskbar. Beim SlideShow-Gadget handelt es sich lediglich um ein Picture Viewer, der Bilder aus einem bestimmten Verzeichnis in abwechselnder Reihenfolge im Miniaturformat anzeigt. Wirklich nützlich ist einzig der FeedViewer, der RSS-Feeds auf den Desktop bringt. Allerdings kann das FeedViewer-Gadget nur einen einzigen Feed anzeigen und nicht mehrere RSS-Quellen in einer Fensteransicht konsolidieren. Wer mehrere RSS-Quellen im Auge behalten möchte, muss für jeden Feed ein eigenes Gadget plazieren.






Auch wenn Microsoft bis zur endgültigen Vista-Version keine weiteren Helferlein mehr hinzufügen sollte, können Anwender zum Marktstart mit einem grossen Angebot an Gadgets rechnen. Denn diese lassen sich mit überschaubarem Aufwand auf Basis von DHTML, Atlas oder ActiveX auch selber programmieren. Und so dürfte bereits in den nächsten Wochen und Monaten eine Entwickler-Community entstehen, die den Markt mit vielseitigen und originellen Gadgets versorgen wird. Klickt man im Gadget-Auswahl-Fenster auf den Link «Download more Gadgets», wird man auf eine Website mit einer Gadget-Bibliothek für Windows Live geführt. Zum Zeitpunkt der Drucklegung waren hier aber nur Gadgets aufgelistet, die für das Windows Live Portal gedacht sind. Für die Vista-Sidebar war noch keine einzige Minianwendung zu finden. Immerhin zeigt das Angebot von Windows-Live-Gadgets, dass ➤ bereits eine Community rund um Microsofts Gadget-Konzept am Entstehen ist.


Mehr Speed mit USB-Sticks

Seit der Dezember-CTP verfügt Vista über die SuperFetch-Funktion, die letzten September an der PDC 05 von Jim Allchin persönlich demonstriert wurde. Dabei handelt es sich um ein Beschleunigungs-Feature, welches USB-Sticks und ähnlich schnelle Speicher als Erweiterung des Arbeitsspeichers nutzt. SuperFetch analysiert laufend, welche Anwendungen und Daten am häufigsten genutzt werden und legt diese auf dem externen Speicher ab. Der Start von Anwendungen soll sich dadurch erheblich beschleunigen lassen. SuperFetch lässt sich nach dem Einstöpseln eines USB-Sticks über das Auto-Play-Control-Panel aktivieren. Falls die Geschwindigkeit des USB-Memory für SuperFetch ausreichend ist, öffnet sich eine Dialogbox, in welcher der Anwender mit einem Regler angeben kann, wieviel Speicher er für die Systembeschleunigung zur Verfügung stellen will. Trotz der aktivierten SuperFetch-Funktion kann der USB-Stick während des Betriebs entfernt werden, ohne dabei die Systemstabilität zu beeinträchtigen. Um die Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen, werden sämtliche Informationen verschlüsselt auf dem USB-Speicher abgelegt.






Neu kennt Vista die sogenannte «One Button Shutdown»-Funktion, mit der sich der Computer innerhalb weniger Sekunden abschalten lässt. Dabei werden sämtliche im Arbeitsspeicher abgelegten Daten auf die Festplatte oder ein USB-Gerät geschrieben. Im Prinzip handelt es sich bei One-Button-Shutdown um eine schnellere Variante des von Windows XP bekannten Ruhezustandes.


Kalender und Fotos

Auch bei den mitgelieferten Anwendungen tut sich einiges in Vista. Stark überarbeitet gegenüber der Oktober-CTP wurden vor allem die Programme Windows Calendar und Windows Photo Gallery. Ersteres wird vor allem Leute freuen, die sich seit langem eine brauchbare elektronische Agenda in Windows wünschen. Bemerkenswert an Windows Calendar ist, dass man Kalenderdaten via ICS (Internet Calendar System) oder RSS-Feed per Internet publizieren und abonnieren kann. Auf diese Weise lassen sich Termindaten mit anderen Benutzern vergleichen oder Termine einer externen Quelle (z.B. Veranstaltungskalender, Sportanlässe, Kinoprogramm etc.) direkt als RSS-Feed in den eigenen Kalender einspeisen.






Windows Photo Gallery ist Microsofts neues Bildverwaltungsprogramm. Fotos lassen sich damit nach unterschiedlichen Kriterien ordnen und mit Hilfe von Tags kategorisieren. Integriert sind auch einige einfache Nachbearbeitungsfunktionen und ein effektvolles Slideshow-Programm.
Für Notebook-User gibt es neu ein sogenanntes «Mobility Center». Dabei handelt es sich um ein einfaches Applet, das schnellen Zugriff auf für den Mobilbetrieb relevante Optionen gewährt. Über das Mobility-Applet lassen sich etwa der Batteriestatus abfragen, externe Bildschirme verwalten oder der Betriebsmodus des Rechners («Performance», «Power Saver» oder «Balance») umstellen. Wem die drei vorbereiteten Profile nicht ausreichen, kann auch eigene anlegen. Darin lässt sich beispielsweise das Verhalten des Notebooks bei Batterie- oder Strombetrieb bis ins letzte Detail festlegen.


MMC 3.0 und IIS 7.0

Wer die neue Version 3.0 der Microsoft Management Console (MMC 3.0) live in Aktion sehen will, braucht nicht auf Longhorn Server zu warten. Das neue Administrations-Interface wird bereits in Windows Vista integriert sein. MMC 3.0 ist wesentlich komfortabler geworden und bietet neu eine Action-Bar, welche die im aktuellen Kontext zur Verfügung stehenden Tasks auflistet. Dank der neuen Konsole präsentieren sich fast alle Administrationswerkzeuge in einem neuen Look&Feel. So haben vor allem Performance Meter, Event Viewer oder der Task Sheduler einiges an Funktionalität und Komfort zugelegt.






Mit Windows Vista kommt auch die neue Version 7.0 des Internet Information Server (IIS) auf den Markt. IIS 7.0 wurde komplett modularisiert, so dass sich dessen Funktionalität nach den eigenen Bedürfnissen konfigurieren lässt. Wird beispielsweise ein Webserver benötigt, der nur statische HTML-Seiten zur Verfügung stellen soll, können Module wie ASP.NET, CGI, SSI oder WebDav ganz einfach deaktiviert werden. Das spart dann nicht nur wertvollen Serverspeicher, sondern reduziert auch die Angriffsfläche.


Windows Defender

Mittlerweile hat Microsoft auch ihre Anti-Spyware Windows Defender in Vista integriert. Dabei handelt es sich um eine abgespeckte Variante des ursprünglich von Giant Software übernommenen Anti-Spyware-Client. Laut Microsoft verfügt Windows Defender über neue Erkennungsalgorithmen und bessere Routinen zur Entfernung von Spyware-Programmen. Das Tool bietet sowohl eine Scan-Funktion zum Auffinden von Malware als auch einen Realtime-Schutz, bei dem neuralgische Punkte des Betriebssystems ständig überwacht werden. Windows Defender hält sich automatisch via Internet mit Updates zu den neuesten Spyware-Signaturen auf dem aktuellsten Stand.





Die integrierte Windows-Firewall kann nun auch ausgehenden Verkehr überwachen. Für bestimmte Applikationen kann nun die Kommunikation mit anderen Systemen gezielt unterbunden werden. Damit lässt sich der Rechner besser vor «Zombie»-Attacken schützen, bei denen ein System für die Verbreitung von Spam oder Internetangriffen missbraucht wird. Für die Konfiguration der Windows-Firewall steht eine relativ einfach handhabbare Dialogbox bereit. Wer will, kann die Firewall aber auch über die MMC 3.0 einrichten.
Hinzugekommen sind auch die Parental Controls. Damit können Eltern exakt bestimmen, welche Webinhalte ihre Sprösslinge betrachten, zu welchem Zeitpunkt sie den Computer benutzen und welche Spiele gestartet werden dürfen.
Ein weiteres neu hinzugefügtes Sicherheitsfeature nennt sich Bit-Locker. Damit kann ein Anwender ein ganzes Laufwerk verschlüsseln lassen. BitLocker ist vor allem dafür gedacht, sensible Firmendaten – insbesondere bei Diebstahl eines PCs oder Notebooks – vor unberechtigten Zugriffen zu schützen.






Windows Update präsentiert sich schliesslich ebenfalls in überarbeiteter Form. Statt die Systemaktualisierung ausschliesslich via Internet Explorer abzuwickeln, gibt es dafür neu auch eine Control-Panel-Anwendung. Neben den Windows-System-Updates kann jetzt auch die Aktualisierung von anderen Microsoft-Applikationen (z.B. Windows Defender) über diesen Dienst abgewickelt werden.


Nahe am Endprodukt

Die aktuelle Februar-CTP von Windows Vista hat gegenüber der von uns inspizierten Oktober-CTP wesentliche Fortschritte gemacht. Das Betriebssystem wirkt deutlich reifer und näher am Endprodukt. Trotzdem hat Microsoft noch einen grossen Brocken Arbeit vor sich. Auch Build 5308 läuft noch alles andere als stabil, und die Performance lässt an einigen Stellen noch zu wünschen übrig. Probleme haben wir vor allem mit der SuperFetch-Beschleunigung festgestellt, die eines unserer Testsysteme buchstäblich lahmlegte. Auch die Sidebar glänzte nicht durch Zuverlässigkeit und verabschiedete sich zeitweise gänzlich vom Bildschirm.
Alles in allem zeigt die erste funktionskomplette Vista-Beta, dass das kommende Windows ein vielversprechender Betriebssystem-Release werden wird, der nicht nur mit einer schicken neuen Oberfläche glänzt, sondern auch unter der Haube einiges Nützliche zu
bieten hat.





Die geplanten Windows-Vista-Editionen


Exklusiv: Windows Vista zum selber testen

InfoWeek-Leser kommen wieder einmal in den Genuss eines besonderen Schmankerls: Sie erhalten exklusiv die Möglichkeit, Vista in Eigenregie auf Herz und Nieren zu testen. Unter www.infoweek.ch/
vista können Sie die Gratis-DVDs mit der 32- und der 64-Bit-Version von Microsoft Windows Vista Enterprise Community Technology Preview bestellen. Das Angebot gilt solange Vorrat. Die Auslieferung erfolgt ausschliesslich in die Schweiz.






Info: www.infoweek.ch/vista




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