Schweizer sitzen auf Legacy-Applikationen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/08
Das Thema Software-Modernisierung stösst bei Schweizer Firmen auf reges Interesse. Zu diesem Schluss kommt die auf Reverse and Forward Engineering spezialisierte Berikoner Bosshard & Partner in ihrer Studie «Software Modernisierung – Quo Vadis». 107 IT-Führungskräfte aus 87 Grossunternehmen und Verwaltungsorganisationen in der Deutschschweiz haben im Rahmen der Untersuchung 15 Fragen im Multiple-Choice- und Freitext-Verfahren beantwortet.
Dabei wurde Erstaunliches zutage gefördert: Bei mehr als der Hälfte der Anwenderfirmen stehen noch IT-Applikationen im Einsatz, die über 20 Jahre alt sind – und knapp drei Viertel betreiben Lösungen, die über 15 Jahre auf dem Buckel haben. Bei diesen Legacy-Anwendungen sind die Programmiersprachen Cobol und PL1 vorherrschend, während bei der jüngeren objektorientierten Software Java und C++ dominieren. Microsofts .NET, das erst seit 2002 wirklich verfügbar ist, hat bisher noch kaum Einzug gehalten.
Analog zu den Programmierumgebungen sind die Hardware- und Betriebssystem-Umgebungen der Studienteilnehmer ziemlich heterogen. Bei den Mainframes dominiert IBM, gefolgt von Unisys und Siemens. Serverseitig beherrschen Windows und Unix die Arena. Linux hat bei den untersuchten Unternehmen nur sehr vereinzelt Aufnahme gefunden und ist insbesondere in der Finanz- und Versicherungsbranche noch von geringer Bedeutung.
Angesichts des hohen Anteils veralteter Anwendungen ist der akute Bedarf an Software-Sanierung und
-Modernisierung verständlich. Die Hauptgründe dafür sind allerdings nicht etwa zu hohe Entwicklungs- und Wartungskosten oder fehlende Programmierer-Ressourcen für die Legacy-Apps, sondern neue IT-Strategien und Zielarchitekturen. Laut Bosshard & Partner genügen die Altanwendungen den heutigen Anforderungen nach flexiblen Anpassungsmöglichkeiten an sich ändernde Geschäftsprozesse und -modelle schlicht nicht mehr. Vermehrt wird deshalb nach Integration, Interoperabilität und kürzeren Projektlaufzeiten gefragt. Daneben müssen die Unternehmen rasch auf wechselnde Kundenanforderungen reagieren – und dies möglichst kosteneffizient. Im heutigen Wettbewerb ist «Time to Market» mit schneller und flexibler Reaktion der IT auf neue Marktbedürfnisse überlebenswichtig. Über 70 Prozent der Studienteilnehmer sehen denn auch in erhöhter Produktivität und Kosteneffizienz die grössten Herausforderungen für die Applikationsentwicklung und -wartung.
Die Studie belegt, dass sich die IT-Verantwortlichen diesen Herausforderungen stellen. Die Mehrzahl der befragten Unternehmen hat im Rahmen ihrer IT-Strategien bereits konkrete Pläne. Über die Hälfte gibt an, Projekte für die Software-Sanierung und
-Modernisierung heute auf ihrer Aktivitätenliste zu haben. Bei weiteren 17,3 Prozent sind entsprechende Vorhaben für die nächsten 3 bis 12 Monate traktandiert. Nur gerade 17 Prozent sehen diesbezüglich keine besondere Dringlichkeit.
Daraus wird deutlich, worum es geht: Die Legacy-Applikationen genügen aufgrund ihrer «monolithischen Bauweise» den heutigen Anforderungen nicht mehr. Waren bisher Robustheit, Zuverlässigkeit und Effizienz entscheidend, so wird heute vor allem Flexibilität und Interoperabilität gefordert.
Das Gros der befragten IT-Führungskräfte präferiert zwei Möglichkeiten für die Software-Sanierung und
-Modernisierung: 78,5 Prozent denken an eine Migration der Altanwendungen auf eine zeitgemässe Architektur, und 67,3 Prozent ziehen eine Ablösung ihrer Legacy-Software durch eine Standardlösung in Betracht. Überraschend abgeschlagen mit lediglich 26,2 Prozent werden komplette Neuentwicklungen erwogen.
«Bei der Migration der bestehenden Anwendungen auf moderne Applikationsarchitekturen werden die bewährten Systemfunktionen erhalten und gleichzeitig die Vorteile der besseren Integrationsfähigkeit der neuen Systemumgebung genutzt», erklärt Beat Berger, Autor der Studie und Leiter Informatik Engineering
bei Bosshard & Partner.
Zudem entfielen dabei die kostenintensive Umschulung der Anwender und Änderungen an der Ablauf- und Aufbauorganisation. Denn automatisierte Portierungen seien mit abschätzbarem Aufwand zu realisieren und die Funktionsfähigkeit der migrierten Applikationen könne mit Regressionstests zu 100 Prozent nachgewiesen werden. Dabei seien Kosten und Risiken wesentlich leichter abschätzbar und in der Regel geringer als bei der Einführung von Standardlösungen oder bei Neuentwicklungen, so Berger.
Lösungswege für die Software-Modernisierung