Editorial

Wir haben kein E-Government


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Mit dem helvetischen E-Government ist es so eine Sache. Genaugenommen darf hierzulande noch gar nicht von E-Government gesprochen werden, denn darunter stellt sich der mit gesundem Menschenverstand Ausgestattete doch etwas Einheitliches und Geführtes vor. Dies auch deshalb, weil der Ausdruck heutzutage im IT-Management-Umfeld automatisch mit Governance assoziiert wird. Es soll hier nicht behauptet werden, dass diejenigen Schweizer Gemeinden, die sich ernsthaft mit E-Government beschäftigen, keine Governance-Regeln befolgen. Allerdings ist es höchst problematisch, wenn jede x-beliebige Gemeinde-IT – werde sie nun gehostet oder inhouse realisiert – von den Beteiligten sogleich als umfassende E-Government-Lösung gefeiert wird.




Da zählt auch das oft bemühte Argument nicht viel, demzufolge die Anwender eines Gemeindeportals – die jeweiligen Einwohner also – gar keine übergeordnete Lösung wie www.ch.ch bräuchten, weil sie sowieso nur am Angebot ihrer Kommune interessiert seien. Zudem zielt diese Ablehnung nicht nur gegen das erwähnte Portal, sondern gegen jeden Versuch «von oben», den anarchischen Wildwuchs einzudämmen, den die Gemeinden in Sachen IT veranstalten.





Der traditionsbeladene Stolz der Schweizer Kommunen auf ihren Autonomiestatus sei ihnen unbenommen. Wenn es aber um die Verwaltungs- und Behörden-IT geht, ist dieser Stolz nicht nur verfehlt, sondern gefährlich. Erstens kostet er unter dem Strich das ganze Land Abermillionen. Zweitens führt er dazu, dass die Schweiz auch in zehn Jahren noch kein
E-Government haben wird, das diesen Namen verdient. Das wiederum hat drittens zur Folge, dass der Standort Schweiz gegenüber den EU-Ländern immer mehr an Boden verliert. Denn eines ist sicher: Verzetteltes IT-Gebastel ist nicht E-Government. Echtes Schweizer E-Government würde bedeuten: Allen Bürgern und anderen Interessierten – ausländischen Investoren etwa – steht eine benutzerfreundliche und einheitliche Behördenplattform mit möglichst breitem Funktionsumfang zur Verfügung. Die Gemeinden muss man offenbar von oben dazu zwingen.





Beat Hochuli, Redaktor

bhochuli@compress.ch




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