Vom Kostenfaktor zum Partner Player
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/09
Von aussen betrachtet scheinen alle IT-Organisationen die gleiche Existenzgrundlage zu haben und die selben Ziele zu verfolgen. Die Marktforscher von Forrester Research geben in ihrer jüngsten Trend-Studie zum Thema IT-Management allerdings zu bedenken, dass dies keineswegs so ist. Sie richten sich mit ihren Thesen vor allem an CIOs (Chief Information Officers), die einsehen müssten, dass es nicht einen einzigen Typus von IT-Organisationen für alle Unternehmen und Branchen geben könne.
Gemeinsam ist den IT-Abteilungen heute höchstens, dass die Geldmittel im Gegensatz zu den Neunzigerjahren sorgfältig verwaltet werden müssen, dass die mit der Business-Seite geschlossenen Vereinbarungen eingehalten werden – und dass die IT kommunizieren muss, was sie erreicht hat, und nicht einfach stillschweigend ihre Arbeit macht. Hier hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Denn die Rolle von IT-Organisationen kann sowohl von der Business-Seite her als auch von der IT selber sehr unterschiedlich und teilweise sogar gegensätzlich interprtiert werden. So ist die IT in einem Fall zentralisiert, im anderen extrem verteilt. In einem Unternehmen «ist die IT das Business», in einem anderen betrachtet sich die IT als weitgehend vom Geschäft abgekoppelt. Je nachdem geniesst die IT ein hohes Ansehen – oder aber sie wird als Geschäftshindernis gesehen.
Ausserdem konzentrieren sich die einen CIOs auf den operationellen Betrieb, während andere in neue Projekte investieren. Gewisse Businessmanager betrachten die IT als strategischen Faktor, andere sehen das überhaupt nicht so – und es gibt IT-Abteilungen, in denen neue Technologien stark berücksichtigt werden, und solche, die eher vor Neuerungen zurückschrecken.
Angesichts dieser und weiterer Unterschiede in der Funktion, der Aussen- und der Innenwahrnehmnung schlagen die Forrester-Analysten eine grobe Unterteilung der IT-Abteilungen in drei Kategorien vor. Alle drei werden in einer Business-orientierten Perspektive gesehen. Sie bleiben auch bestehen, egal ob der Hauptteil der IT-Aktivitäten inhouse erledigt wird oder ausgelagert ist. Ausserdem könne in sehr grossen Konzernen alle drei Kategorien vorkommen.
Forrester bezeichnet diese «Archetypen» von IT-Organisationen wie folgt:
Solid Utility, basierend auf einer hoch verfügbaren und kosteneffizienten Infrastruktur. Dieser Typus eignet sich für Unternehmen, in denen die Geschäftsprozesse relativ stabil sind, oder für solche, in denen technologische Innovationen speziellen Abteilungen obliegen und nicht Sache der zentralen IT sind. Im Solid-Utility-Modell rapportiert der CIO typischerweise dem Finanzchef. Holdinggesellschaften, staatliche Versorgungseinrichtungen, Beratungsfirmen und Versicherungen sind aufgrund ihrer stabilen Kernprozesse in den Finanzen, im Kundendienst und im Verkauf Branchenbeispiele für diesen IT-Archetypus.
Trusted Supplier, basierend auf Applikations-Projekten die zu einer Solid Utility hinzukommen. Dieses Modell entspricht Firmen, die zentral verwaltete IT-Projekte benötigen, mit denen Prozess-Änderungen in und zwischen funktionellen Abteilungen unterstützt werden. In dieser Kategorie berichtet der CIO in der Regel dem CEO oder dem COO. Die Chefs der funktionellen Abteilungen wie Verkauf, Kundendienst, Finanzen, Personalwesen und Marketing steuern hier die Prioritätenliste für Software-Applikationen und definieren ihre entsprechenden funktionellen Anforderungen. Branchenbeispiele für diesen IT-Archetypus sind Pharmaunternehmen, die Verbrauchsgüterindustrie und Technologie-Anbieter. Sie betreiben ihr Engineering und ihre Forschung und Entwicklung in speziellen Abteilungen.
Partner Player mit dem Grundsatz: «Das Business ist die IT und die IT ist das Business.» Die IT-Abteilung als Partner Player ist in Unternehmen angemessen, in denen der wettbewerbsbedingte Wandel extrem schnell ist und in denen die Änderungen bei den Geschäftsprozessen hochgradig von der IT abhängen. Hier hat die IT-Organisation die Aufgabe, massgeschneiderte Lösungen für Kunden, Lieferanten und interne Anwender zu kreieren, die einen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil zur Folge haben müssen. Daher ist in diesem Modell kein Raum für Verzögerungen bei der Übersetzung und der Diskussion von Anforderungen zwischen den Geschäftseinheiten und der IT-Abteilung, wie sie beim Trusted-Supplier-Typus normal und verkraftbar sind. Typische Branchen für das Partner-Player-Modell der IT sind Logistik, gewisse öffentliche Verwaltungen, Investment Banking oder Unterhaltungselektronik. Ausserdem empfiehlt sich dieser Archetypus für alle Unternehmen mit einer hochentwickelten und geschäftsstrategisch entscheidenden Internet-Präsenz.
So schön diese Unterteilung in die aufeinander aufbauenden Archetypen aufzugehen scheint, zeichnet die Praxis doch ein anderes Bild. Forrester empfiehlt daher den CIOs, anhand einer sogenannten Archetypen-Reifegrad-Checkliste abzuklären, ob ihre IT-Abteilungen den Anforderungen der Unternehmen entsprechen.
Auf die drei Typen übertragen heisst das, dass die CIOs jeweils den entsprechenden Kernfragen auf den Grund gehen sollten: Ist die Solid Utility wirklich solide oder nicht vielmehr eine Ausgabenbürde? Geniesst IT als Trusted Supplier wirklich Vertrauen oder ist sie bloss ein Frustrations-Faktor? Und: Ist die IT als Partner Player wirklich ein Partner oder doch eher ein Hindernis auf dem immer wieder neu zu beschreitenden Weg zur Wettbewerbsfähigkeit?
Jeder IT-Archetypus hat seinen eigenen Reifegrad